Projektfinanzierung Warum Unternehmen auf die Crowd setzen
Gründer und Start-ups setzen bei der Suche nach Geldgebern längst nicht mehr nur auf Banken. Eine Alternative bietet das Crowdinvesting. Was steckt dahinter?
Ein Start-up oder ein Unternehmen hat eine Idee für ein Projekt, doch das Geld fehlt. Banken sind oft zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten - das führt dazu, dass immer mehr Unternehmer nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Dadurch hat sich in den letzten Jahren eine neue Form der Kapitalbeschaffung etabliert: das Crowdinvesting.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Finanzierungsformen, bei denen Investitionen von wenigen großen institutionellen Investoren getätigt werden, ermöglicht Crowdinvesting kleinen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zu Finanzierungen durch eine breitere Investorenbasis. Anleger können die Entwicklung von neuen Produkten fördern.
Wer ist die Crowd?
Crowdinvesting ist eine Form des Investierens, bei der eine Gruppe von Menschen, die sogenannte Crowd (englisch für Menschenmenge), zusammenkommt, um Geld in ein Projekt oder ein Unternehmen zu investieren. Das Ziel ist, Start-ups oder andere Projekte zu unterstützen, indem ihnen das nötige Kapital zu Verfügung gestellt wird. Im Gegenzug erhalten die Anleger Rendite.
Dabei gibt es verschiedene Investitionsmöglichkeiten und Anlageformen wie beispielsweise die Finanzierung von Risikokapital für Unternehmen, die einzelnen Privatanlegern in der Regel nicht zugänglich wären. "Viele Investoren interessieren sich nicht nur für die Renditemöglichkeit, sondern auch für das Produkt hinter der Idee und wünschen sich teils aus eigener Betroffenheit, dass aus dem Projekt etwas wird", sagt Ralf Beck, Crowdinvesting-Experte von der Fachhochschule Dortmund, im Gespräch mit tagesschau.de.
Aktuell gebe es in Deutschland 52 Crowdinvesting-Plattformen für die Bereiche Energie, Unternehmen und Immobilien, teilt die Verbraucherzentrale Bayern auf Anfrage mit. Auf diesen Plattformen im Internet stellen Start-ups und andere Unternehmen ihr Projekt vor. Die Portale selbst verwalten den Prozess. "Crowdinvesting-Plattformen sind eine Art Gatekeeper, die Projekte filtern und damit das Schlimmste verhindern", erläutert Beck. Denn davon hänge ihr Ruf ab.
Alles-oder-nichts-Prinzip
Nun geht jede Investition, die darauf abzielt, Erträge zu erwirtschaften, mit einem Risiko einher. Dabei können die Informationen über das Projekt, die von den Plattformen bereitgestellt werden, unvollständig oder ungenau sein. "Es herrscht wenig Kostentransparenz, und die Angebote sind kaum vergleichbar", so die Verbraucherzentrale Bayern.
Das Projekt wird nur dann durchgeführt, wenn die festgelegte Mindestsumme, die sogenannte Funding-Schwelle, erreicht wird. Andernfalls erhalten alle Anleger ihre Einlagen zurück, und das Projekt wird nicht umgesetzt. Laut der Verbraucherzentrale Bayern scheitern 25 Prozent der Crowdinvesting-Firmen vorzeitig.
Bei dieser Art der Geldanlage ist das Verhältnis von Rendite, Risiko und Aufwand besonders verzerrt, da es sich bei den meisten Angeboten um nachrangige Darlehen handelt. Im Falle einer Insolvenz des Unternehmens stehen die Gläubiger in der Rangliste oft hinten an. Sollte das Projekt also scheitern, tragen die Investoren meist den Verlust komplett mit.
Zwischen Höhenflug und Insolvenz
Welche Risiken Crowdinvesting haben kann, zeigte auch die Insolvenz des Start-ups Protonet im Jahr 2017. Trotz einer erfolgreichen Kampagne, bei der 3,5 Millionen Euro gesammelt wurden, verloren zahlreiche Investoren ihr Investment. Das Unternehmen konnte langfristig nicht genügend Umsatz erzielen, um seine Kosten zu decken. Protonet hatte sich auf sichere und dezentrale Server für Unternehmen und Privatpersonen spezialisiert.
Das Immobilien-Projekt Weißenhaus, bei dem ein historisches Schloss zu einem Luxushotel umgebaut wurde, ist jedoch ein Beispiel dafür, welchen Marketing-Effekt Crowdinvesting haben kann. Anders als Protonet war das Weißenhaus ein erfolgreiches Investment, bei dem Anleger eine Festverzinsung von vier Prozent erzielten und an einer Umsatzbeteiligung und Wertsteigerung der Immobilie teilhatten. "Es ist riskanter, in ein Start-up zu investieren, das bisher nur eine Projektidee hat und noch nicht am Markt ist, als in etablierte Unternehmen wie zum Beispiel in Immobilienprojekte", sagt Beck.
"Enthusiasmus allein reicht nicht aus"
Crowdinvesting bietet im Gegensatz zu Festgeldanlagen keinen garantierten Gewinn und birgt ein höheres Risiko. Die Rendite und der Zinssatz werden vorab definiert, und die Anleger sind oft zwischen fünf und zehn Jahren an das Projekt gebunden.
Für eine Vollfinanzierung spiele auch die Präsentation des Projektes eine entscheidende Rolle. Start-ups seien meist sehr optimistisch. "Anleger sollten sich darüber im Klaren sein, dass ihnen in der Regel der 'best case' präsentiert wird als der Normalfall", erklärt Crowdinvesting-Experte Beck. Enthusiasmus allein reiche nicht aus, um das Projekt zum Erfolg zu führen. Aber einige übertreffen die geplanten Ziele sogar, wie etwa das Start-up Projekt Erdbär, das unter der Marke "Freche Freunde" bekannt ist. Das Unternehmen hat sich auf gesunde Snacks für Kinder spezialisiert.
Außerdem sei es wichtig, dass die Anleger auch das dahinter stehende Team bewerten und sich nicht nur auf die Beurteilung der Idee konzentrieren. "Ein schlechtes Team kann die beste Idee ruinieren", sagt Beck. Für Start-ups sei dies aber nicht selten der einzige Weg, zusätzliches Geld zu erhalten, wenn zum Beispiel die Bank keinen Kredit vergibt und auch andere denkbare Investoren nicht einzusteigen bereit sind, wie etwa Business Angel.