EuGH-Verhandlung Datenschutz auf Umwegen
Missbraucht Facebook eine marktbeherrschende Stellung durch die Art, wie es die Daten seiner Nutzer verwendet? Und: Können Kartellbehörden dagegen vorgehen? Mit diesen Fragen befasst sich heute der Europäische Gerichtshof.
Es geht um Datenschutz und mögliche missbräuchliches Vorgehen durch den Facebook-Konzern Meta. Soweit nichts Neues. Doch neu ist, wer auf der Gegenseite agiert: Es sind weder Datenschutzbehörden noch Verbrauchervereine - es ist das Bundeskartellamt. Doch noch ist unklar, ob dieser Ansatz erfolgreich sein wird. Heute verhandelt die Große Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) darüber.
Der Gedanke dahinter: Persönliche Daten sind die Währung, mit der Nutzer ein Konto bei sozialen Netzwerken bezahlen. Die Daten haben eine wirtschaftliche Bedeutung auf dem Markt, insbesondere dann, wenn sie zu persönlichen Profilen verbunden werden können. Deshalb ist die Art des Umgangs aus Sicht des Bundeskartellamts mit Daten auch für einen funktionierenden Wettbewerb relevant.
Meta-Datensammlung im Visier des Kartellamts
Die Bonner Behörde nahm sich deshalb die Datensammlung von Meta vor. Das US-Unternehmen sammelt Daten seiner Nutzer einerseits auf Facebook selbst, andererseits auch überall sonst im Netz aus sogenannten Drittquellen. Das können die zu Meta gehörenden Tochterfirmen sein wie Instagram oder WhatsApp sowie sämtliche Webseiten und Apps, die eine Schnittstelle mit Facebook haben, zum Beispiel der "Gefällt-mir"-Button. Aus diesen Daten erstellt Meta Profile seiner Nutzer. Wer Facebook nutzen will, muss einer solchen Zusammenführung seiner Daten zustimmen.
Aus Sicht des Bundeskartellamts missbraucht Meta damit seine marktbeherrschende Stellung, die der Konzern hat, da er auch durch seine Tochterunternehmen Instagram und WhatsApp auf sehr hohe Marktanteile kommt. Das Kartellamt ging bei seiner ursprünglichen Entscheidung 2019 von einem Marktanteil von über 95 Prozent bei den täglich aktiven Nutzern aus.
Die Behörde ordnete deshalb im Februar 2019 an: Der Konzern darf die Daten, die er in Diensten von Tochterunternehmen wie WhatsApp und Instagram sammelt, nicht mehr ohne weiteres dem Facebook-Konto eines Nutzers zuordnen. Nutzer müssen damit einverstanden sein, dass ihre Daten zu einem Profil kombiniert werden - und dafür eine freiwillige Einwilligung abgeben. Das Gleiche soll für die Zuordnung von Daten gelten, die Facebook auf den Internetseiten von Dritten gesammelt hat, etwa über seine Mess- und Analysetools.
BGH gibt Wettbewerbshütern Recht
Das US-Unternehmen geht vor Gericht gegen diese Anordnung vor. Im Eilverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) argumentierte es unter anderem damit, dass die Datenzusammenführung für Nutzer "vorteilhaft" sei. Warum sollte Facebook nicht einen "bestmöglichen" Dienst anbieten dürfen?
Doch ohne Erfolg. Auch aus Sicht des Kartellsenats nutzt der Konzern seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich aus. Er lässt Verbrauchern nämlich keine Wahl: Sie können sich nicht gegen eine Zusammenführung ihrer Daten entscheiden und Facebook - mit weniger personalisierter Werbung - nutzen. Wer das Netzwerk nutzen will, muss vielmehr auch einer Zusammenführung seiner Daten zustimmen.
Der Bundesgerichtshof hatte damit zum ersten Mal die wirtschaftliche Bedeutung von Daten auf dem Markt für soziale Netzwerke hervorgehoben.
Allerdings ist die Entscheidung vorläufig. Im Hauptsacheverfahren muss nun zunächst das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in erster Instanz entscheiden. Und das hatte die Sache schon im Eilverfahren anders gesehen als der BGH. Es sucht nun Schützenhilfe beim EuGH.
EuGH muss Zuständigkeit klären.
Das ist möglich, weil der Datenschutz europaweit einheitlich in der Datenschutz-Grundverordnung geregelt ist. Damit ist die Auslegung dieser Verordnung Sache des EuGH. Das OLG will nun, dass Luxemburg klärt, ob das Bundeskartellamt überhaupt zuständig ist und nicht allein die Datenschutzbehörden.
Die Bonner Behörde sieht das so: Sie sei dann zuständig, wenn die Sammlung und Verwertung von Daten "zum wesentlichen Faktor" für die Stellung eines Unternehmens im Wettbewerb werde. Im Übrigen arbeite man eng mit den Datenschutzbehörden zusammen. "Daten sind heute ein entscheidender Faktor im Wettbewerb", sagte der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, 2019. "Gerade für Facebook sind sie sogar der wesentliche Faktor für die Dominanz des Unternehmens."
Weitere Fragen an den Gerichtshof
Außerdem soll der EuGH klären, ob gegenüber einem marktbeherrschenden Unternehmen wie Facebook überhaupt eine freiwillige Einwilligung abgeben werden kann.
Und: Kann Facebook die Zusammenführung der Daten mit anderen "berechtigten Interessen" rechtfertigen - etwa der Bereitstellung von Analysen an Werbekunden, Marketing oder Forschung und Innovation für soziale Zwecke?
Das Bundeskartellamt lässt sich von dem laufenden Gerichtsverfahren nicht abhalten, auch auf anderen Wegen gegen Meta vorzugehen: Erst vergangene Woche hatte es den Konzern als Unternehmen mit "überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb" eingestuft und damit einer strengeren Wettbewerbskontrolle unterworfen.