
Schlechte Bausubstanz Wenn Heizen zum Luxus wird
Schlechte Isolierung, alte Heizungen und fehlende Sanierung: Die deutschen Wohngebäude stecken im Modernisierungsstau. Gleichzeitig steigen die Energiepreise. Wird Heizen unbezahlbar?
Kevin Krieger und seine Frau Lea Le Yaouanc sind geschockt. 1.900 Euro sollen sie für Heizkosten nachzahlen. Das Ehepaar lebt mit seinen zwei Kindern in einer Saarbrücker Altbauwohnung aus dem Jahr 1932.
Schön renoviert ist die 200 Quadratmeter große Mietwohnung mit hohen Decken, aber warm hatten sie es hier noch nie, seit sie im Juli 2023 eingezogen sind. "An Tagen, wo es kalt war und von draußen noch stürmisch, da war die Wohnung kaum warmzukriegen, egal was wir geheizt haben", erzählt der 39-jährige Familienvater.
Energieberaterin: "Die Wärme ist direkt wieder weg!"
Die Familie holt sich Hilfe bei der Verbraucherzentrale Saarland. Cathrin Becker ist Energieberaterin und schaut sich die Wohnung ganz genau an. Schnell stellt sie fest, die Fenster sind alt und undicht. Die Wohnungstür zum eiskalten Treppenhaus ist ebenfalls älteren Datums, es zieht durch Ritzen und Spalten.
So entsteht ein permanenter Luftzug, der durch alle Räume zieht. "Die Wärme, die sie mit der Heizung in die Räume bringen, ist direkt wieder weg. Sie haben das ganz richtig erfasst. Das verpufft alles", so die Energieberaterin am Ende ihres Rundgangs durch die Wohnung.
Erst ein Drittel aller Bestandsgebäude im Land ist energetisch saniert
Hohe Energiekosten wegen schlechter Bausubstanz: kein Einzelfall. Mehr als die Hälfte aller 19,2 Millionen Wohngebäude in Deutschland wurde vor der 1. Wärmeschutzverordnung von 1977 errichtet, so das Ergebnis einer Untersuchung der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen aus dem Jahr 2022.
Danach weisen vor allem Bauten aus den 1950er bis 1970er Jahren große bauliche Mängel auf. Das sind in Summe 7,2 Millionen Bestandgebäude deutschlandweit. Es herrscht ein immenser Sanierungsbedarf im Land. Das Fazit der Studie: bisher sind rund ein Drittel aller Bauten im Land energetisch saniert.
Verbraucherzentralen überprüfen Heizkostenabrechnungen
Zurück in die Saarbrücker Altbauwohnung. Dort prüft Energieberaterin Becker die Heizkostenabrechnung. Ihr Fazit: "Wenn ich das hochrechne auf das Jahr 2023, hätten sie 45.000 Kilowattstunden verbraucht."
Für Becker ist das viel und heißt: Es wurde viel geheizt, auch wenn Kevin Krieger und Lea Yaouanc das anders empfinden. Die Energieberaterin rät, die alten Fenster und die desolate Haustüre auszutauschen. Doch genau das liegt nicht in der Hand des Ehepaars.
Kein Anspruch auf Modernisierung, aber auf Mietminderung
Auf Nachfrage beim Deutschen Mieterschutzbund wird deutlich, dass Mieter keinen Anspruch auf Modernisierung im Sinne einer energetischen Sanierung haben. Pressesprecherin Jutta Hartmann führt dazu weiter aus: "Ist die Heizung kaputt oder die Fenster undicht, hat der Mieter natürlich einen Anspruch auf Instandhaltung, sprich Reparatur."
Aber: "Zu dessen Durchsetzung stehen ihm im Falle eines Mangels die Gewährleistungsansprüche zu, allen voran das Recht, die Miete zu mindern. Die Höhe der Minderung richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalls. Je gravierender der Mangel, desto höher die Minderungsquote."
"Heizung runterdrehen und Pullover anziehen"
Kevin Krieger und seine Frau sind enttäuscht. Sie können selbst nichts unternehmen, damit es in ihrer Mietwohnung weniger zieht und die Wärme im Wohnraum bleibt. Stattdessen müssen sie für die hohen Kosten aufkommen. Die Familie zahlt eine Kaltmiete in Höhe von 1.900 Euro, dazu kommen 650 Euro Nebenkosten pro Monat.
"Und auch diese Erhöhung wird nicht reichen", vermutet der 39-jährige Familienvater und erzählt, dass sie nur eins selbst in der Hand hätten: "die Heizung runterdrehen und einen Pullover anziehen, anstatt zu heizen, um im Idealfall für 2025 nicht nochmal so eine hohe Nachzahlung zu bekommen."
Gerade für ältere Menschen ein massives Problem
Kalte Wohnungen sind ein Problem, das viele Menschen betrifft. Für Energieberaterin Becker ist das erschreckender Alltag: "Das stelle ich fest, insbesondere bei älteren Menschen mit kleiner Rente, dass die es sich nicht mehr leisten können zu heizen. Solche Menschen sitzen dann in einem Raum und heizen da ein bisschen, und alles andere ist sehr kalt"
Auch eine Analyse von Correctiv.Europa im Februar dieses Jahres macht eins ganz deutlich: In Deutschland fehlt immer mehr Menschen das Geld zum Heizen. 5,2 Millionen Menschen sind es hierzulande. Für die Untersuchung wurden Daten der Europäischen Union aus dem Jahr 2024 ausgewertet.