Strommasten führen in Richtung eines Industriegebiets bei Köln.
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Import und Export von Energie Wie ist die deutsche Strom-Handelsbilanz?

Stand: 30.01.2025 12:48 Uhr

Die deutsche Stromwirtschaft hat zuletzt den Großteil der Elektrizität aus Erneuerbaren Quellen gewonnen. Gleichzeitig schwanken die Preise teils stark - und Atomstrom kommt aus dem Ausland.

Der Anteil Erneuerbarer Energien am deutschen Strommix ist so hoch wie nie. Die Bundesnetzagentur gibt den Rekordwert mit 59 Prozent an, das Fraunhofer-Institut nennt 62,7 Prozent. Nicht erfasst sind kleine Selbsterzeuger, die die Produktion ihrer Anlagen selbst verbrauchen.

Wie viel Strom muss zugekauft werden?

Aber der Erfolg führt auch zu Problemen: Sonnenschein für Photovoltaik- und Wind für Windkraftanlagen sind wechselhaft, saisonal und schwer vorhersehbar. Daher steht der Großteil der deutschen Stromproduktion nicht sicher zur Verfügung, wenn er gebraucht wird. Um sicherzugehen, muss immer mehr Strom aus ausländischen Kraftwerken zugekauft werden.

2024 zeigt Deutschlands Strom-Handelsbilanz ein Minus von 31,9 Terawattstunden (TWh) oder 31,9 Millionen Megawattstunden (MWh), "was besonders an den geringeren Stromerzeugungskosten in den europäischen Nachbarländern im Sommer und den hohen Kosten der CO2-Zertifikate lag", erklärt Leonhard Probst vom Fraunhofer- Institut Freiburg.

Insgesamt wurde vergangenes Jahr 1,3 Prozent mehr Strom verbraucht als im Jahr zuvor. Es waren 464,4 TWh, produziert wurden nur 431,7 TWh, das sind 4,2 Prozent weniger als 2023.

Wie viel Atomstrom wird importiert?

Für kritische Aufmerksamkeit sorgt beispielsweise der Anteil des importieren Atomstroms: Angaben der Bundesnetzagentur zeigen, dass Deutschland vergangenes Jahr dreimal so viel Atomstrom importierte als zehn Jahre zuvor. 18,3 TWh ist ein Spitzenwert, der für ein gutes Viertel aller Stromimporte steht. Der Löwenanteil stammt aus Frankreich, gefolgt von der Schweiz, den Niederlanden, Belgien, Schweden und Tschechien.

Vier Prozent des deutschen Stromverbrauchs waren 2024 ausländischer Atomstrom. Als in Deutschland noch Atomkraftwerke betrieben wurden, lag der Kernenergie-Anteil mitunter bei fast einem Drittel.

Warum schwanken die Preise so stark?

In den vergangenen Monaten waren mitunter stark schwankende Preise zu beobachten. Im Großhandel kostete Strom vergangenes Jahr durchschnittlich 78,51 Euro pro MWh. Die Preise schwanken stark. Am teuersten war Elektrizität am Vorabend des 12. Dezember, als 936,28 Euro pro MWh abgerechnet wurden.

In jeder zwanzigsten Stunde des Jahres 2024 gab es mehr Strom als Nachfrage. Produzenten mussten ihre Kunden sogar bezahlen, damit die Strom abnahmen, sonst wären die Generatoren durchgebrannt. Dieser negative Kaufpreis betrug 2024 in der Spitze minus 135,45 Euro pro MWh.

Die schwankenden Großhandelspreise machen ein Problem Erneuerbarer Energien deutlich: Wenn Wind- und Solarparks erst einmal gebaut sind, produzieren sie sagenhaft billigen Strom, es gibt nur noch geringe Betriebskosten. Daher können "grüne" Produzenten sehr billigen Strom anbieten, wenn denn Wind weht oder die Sonne scheint. Dann stehen auch große Mengen Elektrizität zur Verfügung.

Kohle- oder Gaskraftwerke müssen dagegen für jedes Megawatt Strom Kohle oder Gas verfeuern, das diese Energie gebunden hat. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist vor allem Gas sehr teuer geworden. Nur einige wenige Gaskraftwerke können einfach ein- und ausgeschaltet werden, sogenannte Sprinter. Die meisten brauchen Tage und Wochen, um zu produzieren. Viele laufen mit mal mehr, mal weniger Brennstoff durch.

Auf der einen Seite bieten schwer kalkulierbare Solar- und Windparks also große, billige Mengen, auf der anderen Seite laufen sichere konventionelle Kraftwerke für teures Geld. Hinzu kommt, dass die Kapazität der deutschen konventionellen Kraftwerke nicht reicht, um Spitzenlasten zu bedienen. Dann muss, wie ausgeführt, im Ausland zugekauft werden.

Im Handel wird nicht zwischen "grünem" und konventionellem Strom unterschieden, so dass man nicht sicher sagen kann, welcher Strom teurer gehandelt wird. Der deutsche Energiemix macht es aber plausibel, dass Ökostrom oft billig verkauft wird, während konventioneller Strom aus dem In- und Ausland teuer bezahlt werden muss.

Was ist die Rolle des europäischen Stromhandels?

Nicht nur das Angebot von Elektrizität schwankt, sondern auch die Nachfrage. Beides ist nicht im Gleichtakt. Um das auszugleichen, gibt es einen europäischen Stromhandel und einen europäischen Netzverbund. An der Energiebörse in Leipzig werden lang- und mittelfristige Geschäfte vereinbart, an der Spotmarktbörse in Paris geht es ums Tages- und Stundengeschäft.

Generell ist die Nachfrage im Winter hoch, im Sommer sinkt sie. Auch der Tagesbedarf schwankt. Die Geschäfte werden im Tagesverlauf größer und in der Tendenz deutlich teurer, in der Nacht dagegen sinken Volumen und Preise. Das zeigen Handelsdaten, die die Pariser Spotmarktbörse "EPEX Spot" für tagesschau.de zusammengestellt hat.

Welche Rolle spielt der Staat?

Durch Steuern, Abgaben und Genehmigungen für Kraftwerke und Stromtrassen hat der Staat großen Einfluss auf die Stromwirtschaft, ihre Kosten und ihre Preise. "Die Regierungen gehen über ein Hochseil und müssen Erschwinglichkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit ausbalancieren", sagt Aura Sabadus vom Londoner Datenunternehmen ICIS. "Diese Herausforderungen werden im Jahr 2025 noch stärker."

Strompreise sind in Europa sehr unterschiedlich. In manchen Ländern zahlen Industrie und private Haushalte die Hälfte dessen, was sie in Deutschland für Elektrizität überweisen müssen. "Man muss mit Vergleichen sehr vorsichtig sein", sagt Sebastian Ligewie vom Berliner Beratungsunternehmen Energy Brainpool, "Die nominalen Strompreise allein sind wenig aussagekräftig".

Es sei klar, dass in einem Hochlohnland mit hohen Gesamtkosten Energie teurer sei als andernorts. Wechselkurse, Kaufkraft, Einkommen, Subventionen und Steuern seien sehr verschieden. Das gilt für private Haushalte. Industrieunternehmen können dagegen auf die Kosten achten und dort investieren, wo es billige Energie gibt.

Welchen Nutzen hätten Stromspeicher?

Anders als in Schweden sind in Deutschland feste Strompreistarife üblich. Damit kann die Nachfrage hierzulande in privaten Haushalten meist noch nicht über den Preis gesteuert werden, indem Verbraucher beispielsweise ihre Waschmaschine dann benutzen, wenn der Preis besonders niedrig ist. Um das Angebot besser mit der Nachfrage in Deckung zu bringen, wären deshalb Speicherkapazitäten nötig. Doch ist Sammeln von Elektrizität im großen Stil technisch noch nicht möglich.

In einem aktuellen Arbeitspapier des Internationalen Währungsfonds (WF) zu "Energiesicherheit und grüner Transformation" schlagen drei Volkswirte deshalb vor, den bei viel Wind und Sonne überflüssigen Strom einzusetzen, um künstliches "grünes" Benzin herzustellen. Das ist wegen des hohen Energieeinsatzes eigentlich unwirtschaftlich, könnte bei extrem billigem Strom aber funktionieren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. Januar 2025 um 10:09 Uhr.