Meiler im Saarland am Netz Das Comeback der Steinkohle
Der Essener Stromerzeuger STEAG möchte mit vier seiner Steinkohlekraftwerke zusätzlichen Strom liefern. Dazu gehen sogar zwei Kraftwerke aus der Notreserve zurück ans Netz.
Die Zeiten der Energiekrise sind keine Zeiten für alte Gewissheiten. Seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine sind einige von ihnen schon über Bord gegangen. Zuerst die des billigen Gases aus Russland. Seitdem hat sich viel getan. Nach dem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz laufen etwa die Atomkraftwerke länger als ursprünglich geplant. Im Windschatten davon geht eine weitere bereits tot geglaubte Technologie wieder an den Start: Die Steinkohleverstromung erlebt gerade ein Comeback. Der Stromerzeuger STEAG will mit vier seiner Kraftwerke ein neues 2,3-Gigawatt-Kraftpaket schnüren. Das Vorhaben macht sich vor allem an Standorten im Saarland bemerkbar.
Neue Perspektiven für vier Kraftwerke
Das Steinkohlekraftwerk im saarländischen Bexbach macht heute den Anfang. Seit einiger Zeit war es nur in Notreserve. Jetzt geht es mit seinen 726 Megawatt wieder an den Markt: Bexbach ist das größte STEAG-Kraftwerk in Deutschland. Das Kraftwerk Weiher in der Saar-Gemeinde Quierschied wird am 31. Oktober folgen. Es hat eine Leistung von 656 Megawatt. Darüber hinaus bleiben ein Block des saarländischen Kraftwerks Völklingen-Fenne (211 Megawatt) sowie das Kraftwerk Bergkamen in Nordrhein-Westfalen (717 Megawatt) weiter am Netz. Ursprünglich sollten sie Ende Oktober stillgelegt werden.
Mit dem Wieder- und Weiterbetrieb der Kraftwerke geht ein Versprechen einher: Nach Angaben von STEAG sollen alleine Bexbach und Weiher rein rechnerisch vier Millionen Haushalte mit Strom versorgen können. Nimmt man alle vier Kraftwerke zusammen, seien es sogar 6,5 Millionen Haushalte.
Und so könne man auch Gas sparen: "Wir können als Unternehmen in der aktuellen Krise einen wesentlichen Beitrag zur Einsparung von Erdgas und damit zur Vermeidung einer Erdgasmangellage leisten", sagt der Vorsitzende der STEAG-Geschäftsführung Andreas Reichel. Die offizielle Zahl hat auch der Leiter des Kraftwerks in Bexbach, Michael Lux, parat: "Wir können mit den 2,3 Gigawatt etwa ein Drittel der gesamten Gasverstromungsmenge ersetzen. Das heißt also, wir können da schon nennenswert Gas einsparen, was für die Industrie und die Haushaltskunden dann zur Verfügung steht." Außerdem gehe es darum, die Versorgungssicherheit in den unsicheren Wintermonaten zu gewährleisten.
Politische und logistische Hürden im Vorfeld
Bevor die Kraftwerke wieder an den Start gehen konnten, mussten politische und logistische Hürden genommen werden. Dabei ging es vor allem um die Versorgung der Kohlekraftwerke mit Brennstoffen. Das wurde auch diese Woche beim Ortstermin mit Vertretern von STEAG, der Deutschen Bahn und der Politik deutlich. Der parlamentarische Staatssekretär und Logistik-Beauftragte der Bundesregierung, Oliver Luksic (FDP), verwies darauf, dass der Bund Kohle- und Öl-Transporten auf der Schiene Vorrang eingeräumt habe. Außerdem habe man dafür gesorgt, dass die bisher geltende Vorschrift, Kohle für 30 Tage Volllastbetrieb auf Lager zu haben, gelockert wurde.
Im Saarland hätte das je Kraftwerk einen Vorrat von 180.000 Tonnen Kohle bedeutet. Zurzeit sind in Bexbach rund 130.000 Tonnen auf Lager. Hier kommt die Deutsche Bahn ins Spiel: Für die DB-Cargo ist die Rückkehr zur Steinkohle eine logistische Herausforderung. Alleine für Bexbach und Weiher plant die Bahn mit bis zu 25 Zügen pro Woche. Mehr als 1000 Kohlewaggons würden flott gemacht. "Eigentlich haben wir uns darauf eingestellt, dass der Kohleverkehr der Vergangenheit angehört", so DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta. Doch mit der Energiekrise sei alles anders.
Energieexperte meldet Zweifel an
Nicht alle sind von der Renaissance der Steinkohle begeistert. Der Saarbrücker Energieexperte Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft im Saarland bezweifelt, dass sich mit den Steinkohlekraftwerken Gas in großem Umfang sparen lasse. Zum einen werde das meiste Gas nicht verstromt, sondern gehe an die Industrie und an Privathaushalte. Zum anderen liefere rund die Hälfte der Gaskraftwerke gleichzeitig auch Fernwärme und könne deshalb gar nicht abgeschaltet werden. Aber Leprich hat noch weitere Vorbehalte: "Das sind sehr alte Kraftwerke. Die sind in den 70er- und 80er-Jahren ans Netz gegangen, haben sehr schlechte Wirkungsgrade und einen sehr hohen CO2-Ausstoß."
Leprich geht davon aus, dass vor allem die hohen Strompreise Grund für das Comeback der Steinkohleverstromung sind. Das sei aus Sicht der Unternehmen verständlich. Eine positive Nachricht hat Leprich aber auch: Er macht sich keine Sorgen um die Versorgungssicherheit. Die sei aber auch schon ohne die Rückkehr der Steinkohlekraftwerke ans Netz gewährleistet gewesen. Die STEAG plant nach jetzigem Stand, die vier Kraftwerke bis Frühjahr 2024 am Netz zu lassen.