Interview zu ausländischen Firmen in China "Chinesische Kunden lernen noch"
Ausländische Firmen wie Apple oder VW bekommen in China gerade kräftigen Gegenwind. Dafür gibt es nach Ansicht von Wirtschaftswissenschaftler Markus Taube mehrere Gründe. Im Interview mit tagesschau.de spricht er von staatlich gelenkten Kampagnen und von relativ unreifen Konsumenten.
tagesschau.de: Können Sie die Kritik der Kunden in China nachvollziehen?
Markus Taube: Was wir in China sehen, sind Konsumenten, die noch relativ unreif sind. Sie lernen noch. Marktwirtschaft und Markenprodukte sind in China noch ein recht neues Phänomen. Viele Millionen chinesischer Kunden fangen gerade erst an, die Produkte zu konsumieren und auch die Qualitätsstandards kennenzulernen. Das heißt, auf der einen Seite gibt es Bedürfnisse, aber auf der anderen Seite muss man sagen, dass daraus in Deutschland keine Beschwerde entstanden wäre.
Prof. Dr. Markus Taube studierte Sinologie und Volkswirtschaftslehre in Trier und Wuhan (China). Nach seiner Promotion in Bochum war er zunächst wissenschaftlicher Referent am ifo - Institut für Wirtschaftsforschung in München. Im Jahre 2000 wurde er Professor für Ostasienwissenschaft mit Schwerpunkt China an der Universität Duisburg-Essen.
Seit 2009 ist er Co-Direktor des Konfuzius-Instituts Metropole Ruhr mit Sitz in Duisburg und verantwortlich für die Wirtschaft Chinas.
tagesschau.de: In Umfragen in China sagen 94 Prozent der Befragten, dass deutsche Unternehmen stärker auf chinesische Kundenwünsche eingehen müssten. Das klingt, als ob die deutschen Unternehmen in China ziemlich viel falsch machen?
Taube: Nein, ich glaube nicht, dass deutsche Unternehmen viel falsch machen. Es ist ein gegenseitiges Lernen, sowohl der deutschen Unternehmen, die sich in China positionieren und ihre Produkte in der Vergangenheit sehr erfolgreich an den Mann gebracht haben, aber auch von der chinesischen Seite, wie man mit diesen Produkten umgeht. Es gibt einen latenten Minderwertigkeitskomplex bei chinesischen Konsumenten, wenn es um ausländische Produkte geht. Dazu kommt, dass die jüngsten Fälle, die wir gerade erlebt haben, auch noch politisch verstärkt werden und dadurch eine neue Dimension erhalten haben.
tagesschau.de: Werden ausländische Firmen von den chinesischen Medien anders behandelt als die eigenen?
Taube: Eindeutig ja. Diese großen Kampagnen etwa gegen Apple oder Volkswagen, die wir hier gesehen haben, hatten eindeutig einen wirtschaftspolitischen Hintergrund. Es geht darum, rein chinesische Unternehmen zu unterstützen und ihnen zu helfen, ihre Marktposition zu sichern und auszubauen. Ein deutscher Automobilkonzern, der über alle Marken hinweg 20 Prozent des Marktes beherrscht, ist etwas, was man in der chinesischen Politik durchaus ambivalent sieht. Denn die eigenen Hersteller sollen ihre Marktanteile ausbauen und sich besser positionieren. Man will ja nicht den ganzen Markt an deutsche Unternehmen abgeben.
tagesschau.de: Müssen ausländische Konzern in China mit noch mehr Gegenwehr rechnen?
Taube: Ich gehe davon aus, dass wir in nächster Zeit einige derartige Erscheinungen sehen werden. Der chinesische Markt wird mit Sicherheit nicht leichter zu bearbeiten.
Das Interview führte Simone von Stosch