Fast ein Drittel der Beschäftigten Millionen Babyboomer 2036 im Rentenalter
Die Zahl der Berufstätigen wird in den nächsten Jahren stark zurückgehen. Dann treten die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Die Lage am Arbeitsmarkt dürfte sich dann noch weiter deutlich verschärfen.
Der akute Fachkräftemangel, der derzeit schon Bereiche wie die Pflege oder das Handwerk betrifft, wird sich in den nächsten 15 Jahren weiter verschärfen. Die Wirtschaft blickt mit Sorge auf den Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge aus den Fünzigern und Sechzigern - die zu den sogenannten Babyboomern zählen. Jetzt hat das Statistische Bundesamt neue Zahlen dazu vorgelegt. In den kommenden 15 Jahren werden 12,9 Millionen Erwerbstätige das Renteneintrittsalter überschritten haben. Das sind rund 30 Prozent der derzeit dem Arbeitsmarkt zu Verfügung stehenden Personen, bezogen auf das Jahr 2021.
Während sich schon ein Teil der 60- bis 64-Jährigen in einer Übergangsphase in den Ruhestand befindet, sind die derzeit 50- bis 59-Jährigen noch weitgehend in einer Beschäftigung (86 Prozent). Letztere Gruppe umfasst 11,3 Millionen Erwerbspersonen. Das Problem für die Zukunft: Die jüngeren Alterskohorten können die Älteren zahlenmäßig nicht ersetzen.
Fachkräftemangel schon jetzt akut
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist schon jetzt von einer akuten Mangellage betroffen. Erst vor zwei Tagen meldete das ifo-Institut einen neuen Höchststand beim Fachkräftemangel. In beinahe jedem zweiten Betrieb in Deutschland fehlt es an Arbeitskräften. Immer mehr Unternehmen müssten ihre Geschäfte einschränken, weil sie nicht genug Personal fänden, hieß es. Und weiter: Mittel- und langfrstig dürfte das Problem noch schwerwiegender werden.
In einer Studie zur Erwebstätigkeit aus diesem Jahr schreibt das Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung (KOFA), dass derzeit fast jeder vierte Beschäftigte in Deutschland (22,8 Prozent) über 55 Jahre alt sei. Gerade in den Berufsbereichen mit einem hohen Altersdurchschnitt wird sich daher die Suche nach geeignetem Personal weiter verschärfen.
Ersatzbedarf steigt
Dazu zählen lauf KOFA etwa die Berufsfelder Architektur, Bau und Vermessung. Der Anteil der Beschäftigten über 55 Jahren liegt in diesen Bereichen bei knapp über einem Viertel. Auch in den Bereichen Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit ist mit einem hohen Ersatzbedarf in den nächsten Jahren zu rechnen. Als Ersatzbedarf wird der Anteil der Beschäftigten über 55 Jahren bezeichnet, der in den nächsten zehn Jahren aus der Erwerbstätigkeit ausscheiden dürfte.
Aber auch in den Berufen, die aktuell noch mehr Arbeitslose als offene Stellen aufweisen, könnte sich eine hohe Personalnachfrage entwickeln. Dazu zählen laut KOFA beispielsweise Fachkräfte in der Physiotherapie.
Stärkere Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt
Als einen Lösungsansatz nennt das Statistische Bundesamt die stärkere Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt. Über alle Altersgruppe hinweg sei diese noch immer geringer als die der Männer. Für die Bevölkerung zwischen 30 und 39 Jahren lag die Erwerbsquote der Frauen im vergangenen Jahr rund elf Prozentpunkte niedriger als die der Männer. Bei den 40- bis unter 65-Jährigen waren es im Schnitt etwa gut acht Prozentpunkten weniger. "Eine größere Arbeitsmarktpartizipation von Frauen könnte somit zur Aktivierung eines insgesamt größeren Erwerbspersonenpotenzials beitragen", hieß es.
Die Bundesregierung setzt beim Fachkräftemangel auch auf mehr Zuwanderung und plant dazu eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG). Ziel ist, den Fachkräftezuzug aus dem Ausland zu erleichtern. Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) zufolge braucht es jedes Jahr einen Zuzug von rund 400.000 Arbeitskräften in Deutschland, um die Lücken am Arbeitsmarkt wegen der alternden Bevölkerung zu decken.
Renteneintrittsalter erhöhen?
Zuletzt kochte aber auch wieder die Debatte über ein höheres Rentenalter hoch. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, sagte in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe Anfang der Woche, dass man stufenweise auf das Renteneintrittsalter von 70 Jahren hochgehen müsse - auch weil das Lebensalter immer weiter steige.
Blicke man auf die demografische Entwicklung und die Belastungen der Sozial- und Rentenkassen, dann seien die Reserven aufgebraucht. "Wir werden länger und mehr arbeiten müssen", sagte Wolf. Vertreter der Ampel-Koalition wiesen den Vorstoß jedoch zurück. Eine weitere Anhebung des Rentenalters hatten die Ampel-Parteien bereits im Koalitionsvertrag ausgeschlossen.