Kanada-Reise des Kanzlers Endlich einmal Politik mit Weitsicht
Die Kanada-Reise von Kanzler Scholz und Vize Habeck endet abgesehen vom Wasserstoffabkommen mit wenig greifbaren Ergebnissen. War sie deshalb ein Flop? Mitnichten, denn es ging vielmehr um weitsichtiges Handeln.
Drei Tage lang sind der Bundeskanzler und sein Vize durch Kanada gereist. Begleitet von Firmenchefs aus der deutschen Wirtschaft. Kanadas Premierminister Justin Trudeau hatte die Hälfte seines Kabinetts im Schlepptau. So viele Begegnungen zwischen deutschen und kanadischen Regierenden und Wirtschaftsvertretern hat es vermutlich noch nie gegeben.
Doch schon regt sich Kritik: Bis auf ein Abkommen über "grünen" Wasserstoff und bilaterale Vereinbarungen deutscher Autohersteller, die sich wichtige Mineralien aus Kanada für Batterien und Elektroautos sichern wollen, bringen Scholz und Habeck nur wenige greifbare Ergebnisse mit nach Hause.
Reise ein aufwändiger Flop?
Ob uns Kanada schon kurzfristig mit Flüssiggas durch den Winter helfen kann, bleibt unwahrscheinlich. Noch gibt es kein LNG-Exportterminal an Kanadas Ostküste. Und der mit Windkraft aus Neufundland und Nova Scotia produzierte "grüne" Wasserstoff wird frühestens 2025 nach Deutschland verschifft.
War die Reise nach Kanada also ein aufwendiger Flop? Ich finde: Nein! Diese Kritik träfe nur dann zu, wenn sich Scholz und Habeck in erster Linie als oberste Gaseinkäufer der Nation verstünden. Das aber war nicht Ziel ihrer Kanada-Reise.
Von Beginn an ging es Scholz und Habeck nicht um kurzfristige Erfolge, sondern um eine mittel- und langfristige Weichenstellung. Jahrzehntelang profitierte Deutschland von billiger Energie aus Russland und dem riesigen Markt China. Zu beiden Ländern entstand eine gefährliche Abhängigkeit. Sich daraus zu lösen, die deutsche Wirtschaft zu diversifizieren, ist das Gebot der Stunde. Und das geht nicht von heute auf morgen. Aber je eher damit begonnen wird, umso besser.
Ausbau der Energiepartnerschaft war überfällig
"Kanada hat alles, was Russland hat!", warb Justin Trudeau für sein Land, ein enormes Potenzial für alternative Energien, wichtige Rohstoffe für eine klimaneutrale Zukunft und - so Trudeau weiter: "Anders als Russland ist Kanada eine Demokratie mit gleichen Wertevorstellungen wie Deutschland." Beide Länder wollen ihre Wirtschaft klimaneutral umgestalten.
Der Ausbau der Energiepartnerschaft mit Kanada war überfällig und hat seit der Zeitenwende neue Dynamik gewonnen. Die enormen Ressourcen Kanadas und deutsches Know-how - eine Win-Win-Situation für die kommenden Jahrzehnte.
Kanada eine vielversprechende Alternative zu Russland
Dennoch wird Kanada für Deutschland nicht das neue Russland. Eine solch große Abhängigkeit von einem Land als Energielieferant darf nie wieder entstehen. Unter den vielen denkbaren Alternativen zu Russland ist Kanada jedoch eine der vielversprechendsten. Dass sich Scholz und Habeck intensiv darum kümmern, ist genau das, was wir sonst oft in der Politik vermissen: weitsichtiges Handeln.
Und so war es richtig, dass die Grünen ihren Widerstand gegen das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA aufgegeben haben. Es gibt kaum zwei Regionen in der Welt, die ähnliche Werte, Sozial- und Umweltstandards teilen wie Kanada und die EU. Zumal ein solch großer Freihandelsraum gute Chancen hat, weltweite Standards zu schaffen.
Wenn dies den westlichen Staaten nicht gelingt, dann wird China die Regeln des Welthandels bestimmen. Und daran kann niemand ein Interesse haben.
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