Russische Truppen in Donezk und Luhansk Putins zynischer Plan
Die Entsendung russischer Truppen in die Ostukraine folgt einem zynischen Eskalationsplan von Präsident Putin. Es ist zu befürchten, dass Putin weitere Gebiete ins Visier nimmt - im Osten der Ukraine und darüber hinaus.
Nach Wochen einer gezielten Eskalation hat Russlands Präsident Wladimir Putin alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe und Vermutungen bestätigt. Die Anerkennung der zynisch Volksrepubliken genannten Separatistengebiete Donezk und Luhansk sowie die umgehende Entsendung von Truppen folgt brutalem Kalkül und einem exakten Plan - und ist möglicherweise noch lange nicht der letzte Schritt in Putins Versuch, den Herrschaftsbereich der Sowjetunion wieder herzustellen.
Der russische Präsident hat mit Rücksicht auf Chinas Führung das Ende der Olympischen Spiele in Peking abgewartet, um in einer Region auch offiziell einzumarschieren, die er seit 2014 erst destabilisiert und dann der Kontrolle der Ukraine entrissen hatte.
Der Krieg im Nachbarland war von Anfang an auch Putins Krieg. Russland wollte damals eine Annährung der Ukraine an die Europäische Union mit allen Mitteln verhindern und auch nicht zulassen, dass die ukrainische Bevölkerung selbst über ihre Regierung bestimmt - und damit möglicherweise auch die russische Bevölkerung auf Ideen bringt, die Putin zutiefst verachtet und fürchtet.
Gebiete von Russlands Gnaden
Die Regionen Donezk und Luhansk waren seither nie eigenständig, sondern völlig von Moskau und seine jeweiligen Überlegungen abhängig. Russland hat seit Jahren großzügig Pässe in den Gebieten verteilt und damit die Grundlage für das nun vollzogene Szenario geschaffen.
Dass die Duma Putin ausgerechnet am Tag des Vermittlungsversuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz um die Anerkennung der Separatistengebiete bittet, wirkte schon vor einer Woche wie bestellt - und nebenbei wie eine wohl gesetzte Ohrfeige für Scholz, der im Kreml den Statisten für Putins Unschuldsrolle abgeben und daneben stehen durfte, während Putin staatsmännische Skepsis formulierte.
Nur ein Zwischenschritt?
Es steht zu befürchten, dass Putins Hunger nach Land damit noch lange nicht gestillt ist. Für die Menschen im Osten der Ukraine sind das erschütternde Nachrichten, denn der Verdacht ist begründet, dass Russland nun auf ein Szenario hinarbeitet, in dem es weitere Regionen aus der Ukraine herausbricht und zum Beispiel einen Landkorridor zur Krim schafft.
Die Verachtung, mit der Putin gestern in seiner TV-Ansprache über die Staatlichkeit der Ukraine gesprochen hat, lässt vermuten, dass Russland weiter die Stabilität des Landes mit allen Mitteln untergraben und vielleicht sogar versuchen wird, sich auch das Zentrum und den Westen des Landes wieder einzuverleiben. Dass der Langzeitherrscher im Kreml in diesem Zusammenhang der Ukraine Nationalismus und eine von Korruption geprägte Regierungsform vorhielt, in der Oligarchen um die Macht kämpften, ist besonders perfide - welche Beschreibung passte besser auf Putins eigenes System?
Warnung an die Ex-Sowjetrepubliken
Putins Rede war zugleich eine unmissverständliche Warnung an die ehemaligen Sowjetrepubliken, die 1990 den Weg in die Unabhängigkeit gewählt haben. Seine Feststellung, diese Entscheidung sei möglicherweise zu früh gefallen, muss sie in Alarmstimmung versetzen - insbesondere die baltischen Staaten und Georgien, die sich besonders weit von Russland entfernt haben.
Umso wichtiger ist es, dass Russland für seine Expansionspolitik den angekündigten hohen Preis zahlen muss, damit insbesondere Putins Umfeld spürt, was sie diese Politik kostet. Eine Rückkehr zum Minsker Friedensprozess kann es seit dem gestrigen Abend nicht geben, alle diplomatischen Versuche des Westens mit weitreichenden Angeboten sind gescheitert. Nun geht es nur noch um glaubwürdige Gegenmaßnahmen - um die Ukraine zu retten, aber auch um die früheren Staaten des Warschauer Paktes vor Russland zu schützen und die bestehende Ordnung im übrigen Europa zu verteidigen.
Denn die Forderung Putins nach einem Abzug der US-Truppen aus Europa ist ja weiter in der Welt. Der Westen muss sich deshalb auch überlegen, ob es die Ukraine nicht doch viel stärker militärisch unterstützt. Putin, das hat er gestern verdeutlicht, ist an Diplomatie nicht interessiert und verachtet sie als Ausdruck von Schwäche.
Auf Russlands Kosten
Die Leidtragenden sind jetzt schon die Menschen in dem Kriegsgebiet und in Russland. 13.000 Tote hat der Kampf in der Ukraine seit 2014 gekostet, viele weitere werden möglicherweise dazukommen.
Russland, das wegen Putins rückständigem Politik- und Geschichtsverständnis einen dramatischen Modernisierungsrückstand hat, wird unter den sich abzeichnenden Sanktionen des Westens weiter stagnieren und unterdessen seinen Reichtum für Waffen, Kriege und die Herrschaftssicherung von Putins Clique verpulvern. Mag das russische Fernsehen gestern auch von fahnenschwenkenden Menschen in der Ostukraine und in Russland berichtet haben - auch für 144 Millionen Russen war der 21. Februar ein bestürzend schwarzer Tag.