Kriegsschiffe verschiedener Nationen auf der Ostsee.
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Sicherheitspolitik ohne die USA Europa kann sich selbst verteidigen

Stand: 19.02.2025 15:41 Uhr

Auf die USA ist kein Verlass mehr, Europa muss seine Verteidigung selbst in die Hand nehmen, meint Helga Schmidt. Das könne gelingen, wenn die Europäer jetzt einen Kurswechsel beschließen. Und endlich auf nationale Alleingänge verzichten.

Ein Kommentar von Helga Schmidt, ARD Brüssel

Viel ist bei dem europäischen Krisengipfel am Montag nicht herausgekommen - aber das ist keine Überraschung: Historische Wenden gelingen meistens nicht an einem einzigen Konferenzabend. Und um eine historische Wende geht es. Heute steht der zweite Gipfel an.

Jahrzehntelang konnten wir Europäer uns sicher fühlen - im Kalten Krieg und danach. Weil die Abschreckung funktionierte und weil immer eines klar war: Die Amerikaner kommen zur Hilfe, wenn das Unvorstellbare passieren und Russland angreifen würde. Das ist jetzt anders.

Trumps Werte - oder kein Schutz mehr

In der vergangenen Woche haben mehrere Mitglieder der Trump-Regierung einen radikalen Kurswechsel verkündet. Die Amerikaner sind nicht mehr bereit, die Ukraine militärisch wie bisher zu unterstützen, das sollen die Europäer tun.

Die zweite Ansage ist noch beunruhigender. Donald Trumps Stellvertreter, Vizepräsident JD Vance, hat es auf der Münchner Sicherheitskonferenz ausgesprochen. Er dachte laut darüber nach, ob es sich überhaupt noch lohnt, Europa zu beschützen, wenn Europa nicht das neue trumpeske Wertesystem teilt.

Amerikas neue Partner sind autoritäre Herrscher

Kein Wunder, dass die AfD den Kursschwenk feiert. Alice Weidels kühnste Hoffnungen werden Wirklichkeit. Die Trump-Regierung baut nämlich nicht nur zu Hause den Rechtsstaat ab, sie attackiert nicht nur amerikanische Richter und amerikanische Medien.

Die Trump-Regierung macht das alles auch zum Maßstab ihrer Außenpolitik. Internationales Recht spielt keine Rolle mehr, die neuen Partner sind jetzt autoritäre Herrscher. Man verhandelt, wie gestern in Riad, lieber mit dem Kreml als mit Europas gewählten Staats- und Regierungschefs. Obwohl es bei den Verhandlungen um nichts anderes als die Ukraine und Europas Sicherheit gehen soll.

Ausweg aus der Sackgasse?

Die Europäer stecken also in der Sackgasse, der Krisengipfel in Paris hat das deutlich gemacht. Aber es kann auch der erste Schritt für einen Ausweg aus der Sackgasse sein.

Das Gejammer über Trumps Alleingang hilft da überhaupt nicht weiter, und es wird auch nichts bringen, seinem Super-Ego weiter zu schmeicheln - etwa mit dem Kauf von mehr Flüssiggas oder anderen Freundlichkeiten.

Nützlicher ist ein Blick auf die wirtschaftlichen Fakten. Europas Anteil an der Weltwirtschaft ist genau so groß wie der Anteil der USA, und Europas Rüstungsausgaben sind höher als die russischen. Warum sollten die Europäer also nicht in der Lage sein, ihre Verteidigung selbst in die Hand zu nehmen?

EU-Regierungen müssen jetzt Kurswechsel beschließen

Das kann gelingen, wenn die EU-Regierungen jetzt einen Kurswechsel beschließen. Frankreich muss statt Symbolpolitik endlich seine Ukraine-Hilfe massiv erhöhen, genau wie Spanien und Italien. Diese drei großen Länder liegen immer noch weit hinter den Niederlanden, und der Abstand zu Deutschland ist noch viel größer. Allein das zeigt, was falsch läuft in Europas Sicherheitspolitik, die das Ergebnis unkoordinierter Vorlieben von Regierungschefs ist.

Gleichzeitig muss Deutschland aber auch den hochverschuldeten Südeuropäern - also Frankreich, Spanien und Italien - entgegenkommen und die nötige Aufrüstung durch gemeinsame Schulden finanzieren. Anders werden die Investitionen nicht zu stemmen sein.

Und alle zusammen müssen auf nationale Alleingänge verzichten - also: neue Waffensysteme nur noch gemeinsam produzieren. Bis vor kurzem war das alles noch eine Wunschvorstellung. Aber bis vor kurzem waren die Amerikaner auch noch verlässliche Bündnispartner. Das ist jetzt eine Wunschvorstellung.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 15. Februar 2025 um 10:00 Uhr.