Ein Polizist steht neben einem Streifenwagen mit Blaulicht.
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"Budapest-Komplex" Linksradikaler wird nicht nach Ungarn ausgeliefert

Stand: 31.01.2025 15:17 Uhr

Johann G., der bis zu seiner Festnahme als einer der meistgesuchten Linksradikalen galt, wird nicht nach Ungarn ausgeliefert. Ihm werden Körperverletzungsdelikte und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

Von Hannes Stepputat, NDR

Der im vergangenen Herbst nach langer Fahndung festgenommene Johann G. wird nicht nach Ungarn ausgeliefert. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Jena entschieden, wie das Gericht dem NDR bestätigte. Die Entscheidung sei gemäß dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Thüringen ergangen, sagte ein Sprecher der Behörde. Zu den Gründen sagte er, dass G. deutscher Staatsbürger ist, gegen den auch im Inland Strafverfahren laufen.

Gegen den Linksradikalen G. ermitteln deutsche und ungarische Behörden wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und wegen Körperverletzungsdelikten. Im November 2024 war G. von Zielfahndern bei Weimar festgenommen worden. Zuvor hatte er bereits länger im Untergrund gelebt.

Mutmaßlicher Anführer bei "Antifa Ost"

In Deutschland soll er zu den mutmaßlichen Rädelsführern im "Antifa-Ost"-Verfahren rund um Lina E. gehören. Der Gruppe werden Angriffe auf Neonazis vor allem in Sachsen und Thüringen vorgeworfen. Lina E., die mit G. zusammen eine Führungsrolle gehabt haben soll, wurde bereits zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe will am 6. Februar über den Fall verhandeln.

In der ungarischen Hauptstadt Budapest waren im Februar 2023 in den Tagen vor dem rechtsradikalen "Tag der Ehre" mehrere mutmaßliche Neonazis angegriffen und teils schwer verletzt worden. Zu den Beschuldigten gehören auch mehrere Deutsche, darunter Johann G. Ungarn hatte deshalb einen Europäischen Haftbefehl erlassen und um die Überstellung von G. nach Ungarn ersucht. Dies hat das OLG Jena nun abgelehnt.

In der vergangenen Woche hatten sich sieben weitere untergetauchte Linksradikale den Behörden gestellt, darunter sechs Deutsche und ein syrischer Staatsbürger. Auch sie wurden wegen der Taten in Budapest von deutschen und ungarischen Behörden gesucht und sitzen in Untersuchungshaft. Für einige der Beschuldigten hat Ungarn Medienberichten zufolge ebenfalls Europäische Haftbefehle erlassen. Über mögliche Auslieferungen ist hier noch nicht entschieden.

Ihre Anwälte hatten wegen der möglichen Haftbedingungen in Ungarn und der für deutsche Verhältnisse sehr langen Haftstrafen dort gefordert, ihre Mandanten in Deutschland vor Gericht zu stellen.

Auslieferung von Maja T.

Eine weitere Person aus dem Kreis der mutmaßlichen Angreifer, Maja T., ist bereits nach Ungarn überstellt worden. Die Umstände waren außergewöhnlich, denn das Bundesverfassungsgericht hatte die Überstellung vorläufig untersagt. Zu diesem Zeitpunkt war Maja T. aber bereits nach Ungarn gebracht worden und nicht mehr in Reichweite deutscher Behörden.

Ungarn steht vor allem wegen der Haftbedingungen in der Kritik von Menschenrechtlern. Der Justizbereich sei unterfinanziert, die Zellen in einem schlechten Zustand. Die Anwälte von Maja T. berichteten von Ungeziefer in der Zelle und teils schimmligen Essen. Auch säße T. de facto in Isolationshaft, habe außer zu den Wärtern keinen Kontakt zu Mitgefangenen und sei 23 Stunden am Tag eingeschlossen.

Der Prozess gegen T. soll im Februar beginnen. Laut ungarischer Anklage drohen T. bis zu 24 Jahre Haft. Sollte T. die Anklagepunkte einräumen und der Prozess so schneller zu Ende gehen, stellte die Staatsanwaltschaft 14 Jahre Haft in Aussicht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR in der Sendung "Panorama 3" am 21. Januar 2025 um 21:15 Uhr.