Ehemaliger BSI-Präsident Weitere Vorwürfe gegen Schönbohm
Zur umstrittenen Abberufung des ehemaligen BSI-Präsidenten Schönbohm sind weitere Details bekannt geworden. Laut einem Schreiben des Innenministeriums spielte auch sein Führungsverhalten eine Rolle.
Die sofortige Untersagung der "Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 Satz 1 Bundesbeamtengesetz" ist Arne Schönbohm, dem damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) per E-Mail vom Bundesinnenministerium übermittelt worden.
Darin zählt das Bundesinnenministerium (BMI), wie kürzlich die Nachrichtenagentur dpa meldete, mehrere Gründe für seine Entscheidung auf und nennt Beispiele. Über den Inhalt des Schreibens berichtete erstmals ausführlich der "Business Insider" an diesem Mittwoch. Das Schreiben vom 18. Oktober 2022 liegt auch dem ARD-Politikmagazin Kontraste und der Wochenzeitung "Die Zeit" vor. Brisante Details daraus zeigen, wie es zur Absetzung von Schönbohm als BSI-Präsident gekommen zu sein scheint.
Böhmermann-Sendung nur ein Grund von vielen
Öffentlich diskutiert wird bislang hauptsächlich die vom BMI angeführte Begründung eines Vertrauensverlustes gegenüber Schönbohm im Nachgang einer Sendung des "ZDF Magazin Royale" vom Oktober 2022. Der Satiriker Jan Böhmermann hatte damals Schönbohms Nähe zum Vorsitzenden eines IT-Lobbyvereins thematisiert, den Schönbohm selbst mitgegründet hatte. Bereits 2019 hatten Kontraste und "Die Zeit" über die engen Kontakte dieses Vereinsvorsitzenden nach Russland berichtet.
Mit dem Bericht des "ZDF Magazin Royale" sei in der öffentlichen Meinung ein Vertrauensverlust eingetreten, der eine weitere Amtsführung unmöglich mache - unabhängig davon, wie stichhaltig die Vorwürfe tatsächlich seien. Doch wie das BMI-Schreiben an Schönbohm auch deutlich macht, ging die Unzufriedenheit mit dem damaligen BSI-Präsidenten weit über diesen Vorgang hinaus.
Führungsverhalten - "erhebliche Vorwürfe"
Eine Rolle spielten demnach auch Beschwerden einer ehemaligen Abteilungsleiterin des BMI. Sie habe sich im Sommer 2022 beim Ministerium "mit erheblichen Vorwürfen" über Schönbohm hinsichtlich seines "Führungsverhaltens sowie mangelnder Berücksichtigung von Gleichstellungsbelangen" gemeldet. Die weibliche Führungskraft soll später auf eigenen Wunsch die Behörde verlassen und ihre Beamtenlaufbahn aufgegeben haben.
Wie der "Business Insider" berichtet, soll Schönbohm die Vorwürfe damals gegenüber dem BMI zurückgewiesen haben. Sie seien "pauschal und allgemein gehalten und werden nicht mit Fakten unterlegt". Kontraste und "Zeit" haben Schönbohm mit den in dem BMI-Schreiben vorgebrachten Vorwürfen konfrontiert, aber keine Antwort erhalten.
Schönbohms angebliche Alleingänge
Das BMI hält Schönbohm auch eine ganze Reihe von angeblichen Alleingängen vor. So habe Schönbohm sich "entgegen dem ausdrücklichen Willen" des Ministeriums beim Haushaltsausschuss des Bundestags um finanzielle Mittel für eine Außenstelle des BSI im Saarland bemüht. Seit Mitte Juni 2021 unterhält das BSI tatsächlich einen Stützpunkt in Saarbrücken, in dem zum Thema Künstliche Intelligenz gearbeitet wird.
Ein weiterer Vorwurf gegen Schönbohm ist aus Sicht des BMI seine "mangelnde politische Sensibilität". So habe er im Januar 2022, kurz vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, "einen unabgestimmten Bericht" mit Aussagen zu möglichen Folgen einer russischen Invasion auf die Cybersicherheitslage verbreitet. Laut BMI konnte der Bericht zu diesem brisanten Thema als Äußerung der Bundesregierung verstanden werden.
"Ausufernde Pressearbeit"
Das Ministerium benennt in dem Schreiben auch eine "ausufernde Pressearbeit" des BSI unter Schönbohm. Bereits 2020 hatte das Ministerium ihn schriftlich gebeten, "jegliche Äußerungen gegenüber Presseorganen" zu unterlassen, die nicht vorher mit der zuständigen Fachabteilung abgestimmt worden seien, sofern sie nicht den täglichen Betrieb der Behörde beträfen. Als Begründung dafür verwies ein BMI-Abteilungsleiter in einem Schreiben unter anderem darauf, dass sich Schönbohm öffentlich zu Cybersicherheitsbelangen der Bundeswehr geäußert habe, die nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fielen, sondern in den des Verteidigungsministeriums.
Zudem hätte er "das Schüren einer illusorischen Erwartungshaltung" verhindern können, als er öffentlich den Eindruck erweckt haben soll, bis Ende 2020 beim BSI im sächsischen Freital 200 Arbeitsplätze zu schaffen. Offenbar verfehlte das BSI dieses selbst gesteckte Ziel deutlich: Im Februar 2020 beklagte ein BMI-Abteilungsleiter, bis Ende des Jahres würden laut BSI nur zehn Mitarbeitende den Dienst in Freital aufnehmen.
Unzureichende Kooperation mit dem Ministerium
Ein weiterer Vorwurf betrifft eine vermeintlich "unzureichende Kooperation mit der Fachaufsicht", also dem Ministerium selbst. So habe sich Schönbohm im Mai 2021 zunächst geweigert, eine Kooperationsvereinbarung über die Teilnahme von Bayern und Hessen am Cyberabwehrzentrum zu unterzeichnen. Erst nach einer förmlichen Weisung durch den zuständigen Staatssekretär im BMI habe Schönbohm die Vereinbarung für das BSI unterschrieben.
Auch zur Kritik an seiner angeblich "ausufernden Pressearbeit" und der laut BMI unzureichenden Kooperation äußerte sich Schönbohm auf Anfrage von Kontraste und "Zeit" nicht. Ob sämtliche vom Ministerium in dem Schreiben aufgeführten Gründe so zutreffen, bleibt unklar.
Faeser: Schon früher Kritik an Schönbohms Amtsausübung
Schönbohms Abberufung war nun Thema im Innenausschuss des Bundestags. Bundesinnenministerin Nancy Faeser verteidigte ihre Entscheidung. Ein Hauptziel sei es gewesen, Schaden vom BSI abzuwenden. "Bereits deutlich vor meinem Amtsantritt und unter verschiedenen Innenministern der Union gab es immer wieder Beanstandungen der Fachaufsicht hinsichtlich der Amtsausübung durch Herrn Schönbohm", sagte Faeser.
Schönbohm klagt vor dem Kölner Verwaltungsgericht gegen das Bundesinnenministerium auf 5.000 Euro Schadensersatz wegen Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht. Faeser, die derzeit für die SPD als Spitzenkandidatin in Hessen im Wahlkampf ist, steht politisch unter Druck. Die Absetzung Schönbohms sei voreilig gewesen, hieß es heute vonseiten der Opposition. Mitnichten seien alle offenen Fragen geklärt, so der CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Oster.