ARD-Meteorologe Schwarz Jetzt wird es erstmal glatt
Steigende Temperaturen und Regen, der zu glatten Straßen führen kann: Auf dieses Szenario müssen sich die Menschen vielerorts gefasst machen. Richtung Wochenende werden die Temperaturen sogar frühlingshaft, erklärt ARD-Meteorologe Schwarz.
tagesschau.de: Nach dem kalten Winterwetter kommt jetzt wieder mildere und feuchtere Luft nach Deutschland. Wo und ab wann muss man sich jetzt auf Glatteis einstellen?
Peter Schwarz: Das ist heute zunächst im Westen und in der Mitte der Fall. Zum Tagesende verlagert sich die Problematik dann in den Osten des Landes, wo sie bis morgen anhält. Der äußerste Westen hatte bis jetzt Glück. Dort zeigten die Radars zwar Niederschläge, aufgrund der sehr trockenen Luft verdunstete dieser aber bislang fast vollständig und es kam unten wenig bis nichts an. Die Temperaturen steigen dort schon deutlich in den Plusbereich und so kann gehofft werden, dass bis zum Eintreffen weiterer, kräftigerer Niederschläge die Böden an der Oberfläche bereits auftauen.
In der Mitte wird dies länger dauern. Und so gehen wir von Niedersachsen über Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt bis ins nördliche Baden-Württemberg, später dann zwischen Oder und Inn gebietsweise von Glatteis aus.
Peter Schwarz ist Meteorologe im ARD-Wetterkompetenzzentrum in Frankfurt am Main.
"Blitzeis" - in der Meteorologie unbekannt
tagesschau.de: Steigt auch die Gefahr von Glatteisregen - und wie genau kommt der zustande?
Schwarz: Glatteis entsteht, wenn Regen auf eine kalte Oberfläche gelangt und dann gefriert. Das kann "normaler" Regen sein, also Regentropfen, die eine positive Temperatur aufweisen. Diese werden dann nach Auftreffen zum Beispiel auf eine Straße abgekühlt und frieren fest. Wir sprechen dann von "gefrierendem Regen".
Schneller geht das bei unterkühltem Regen, sprich: bei Regentropfen, die negative Temperaturen aufweisen. Das gibt es tatsächlich - ihnen fehlte nur auf dem Weg von der Wolke durch die Luft ein Kondensationskeim. Wir sprechen dann von "Eisregen". Den finden sie aber, sobald sie irgendwo auftreffen. Und dann gefrieren sie blitzartig, da sie ja nicht mehr abkühlen müssen.
Aufgrund dessen entstand in den Medien auch der Begriff "Blitzeis", der in der Meteorologie eigentlich unbekannt ist. Finden die Regentropfen schon vorher einen Kondensationskeim, können auch Eiskörner zur Erde fallen. Die genannte Problematik entsteht, wenn sich warme Luft in der Höhe über bodennahe Kaltluft schiebt. Aus der Wolke fällt Regen statt Schnee, aber unten ist es eben kalt. Ist es umgekehrt (oben kalt und unten warm) fällt übrigens klassischerweise Schneeregen oder sehr nasser Schnee.
Wuppertal: Der Westen ist bislang in Sachen Glatteis gut weggekommen.
"Es kann nicht schaden, vorsichtig zu sein"
tagesschau.de: Wird es so schlimm, dass Autofahrerinnen und Autofahrer ihren Wagen besser stehen lassen beziehungsweise Fußgängerinnen und Fußgänger zu Hause bleiben sollten?
Schwarz: Das kann gebietsweise durchaus für eine begrenzte Zeit passieren. Je weiter östlich, desto eher fällt aber zunächst auch Schnee. Der Deutsche Wetterdienst hat derzeit Unwetterwarnungen bis 17 Uhr für die Westhälfte Deutschlands ausgegeben und Vorwarnungen für die Mitte. Damit hinken die Warnungen aber dem aktuellen Wetterverlauf hinterher und die Problematik ist eher weiter östlich über der Mitte am größten.
Prinzipiell kann dann nur situationsabhängig gewarnt werden. Die Hauptverkehrswege werden sicherlich präventiv gestreut. Genaue Verhaltensanweisungen für Verkehrsteilnehmer (Lkw-Fahrverbote etc.) erfolgen dann gegebenenfalls von anderer Stelle, dafür sind wir Meteorologen nicht zuständig.
Es kann nicht schaden, vorsichtig zu sein, wenn es regnet und gleichzeitig zum Beispiel das Autothermometer Werte unter, bei oder knapp über null Grad anzeigt. Der gesunde Menschenverstand sollte aus meiner Sicht in der Regel ausreichen.
"Die Milderung wird sich durchsetzen"
tagesschau.de: Wann wird sich die Lage den Prognosen zufolge wieder beruhigen?
Schwarz: Bereits morgen haben wir am Rhein zweistellige Pluswerte. Glatteis könnte morgen und eventuell Mittwochfrüh noch im Osten ein Thema sein. Dazu kommt dann überfrierende Nässe, wenn die Schneeflächen tagsüber antauen und es nachts bei Aufklaren wieder friert. Dann kann es durch auf Straßen und Wege laufendes Tauwasser sehr glatt werden. Dann sprechen wir übrigens von Eisglätte. Das wird vor allem in der Mitte und auch in Mittelgebirgslagen der Fall sein.
Im westdeutschen Flachland wird es wohl großteils frostfrei bleiben und in manchen Regionen, etwa im Rheinland, liegt teilweise gar kein Schnee. Dort hat sich die Glättesituation schon im heutigen Tagesverlauf erledigt.
"Höchstwerte bis 18 Grad möglich"
tagesschau.de: Kommt jetzt der Umschwung zurück zum Schmuddelwetter? Hat der kalte Winter mit seinen schönen Seiten noch eine Chance - oder naht der Frühling?
Schwarz: Die Temperaturen werden bis zum nächsten Wochenende tatsächlich frühlingshaft. Denn statt der zu dieser Jahreszeit kältestmöglichen Luftmasse, die wir im Nordosten bislang hatten, erreicht uns nun aus Südwesten das Gegenteil, nämlich die wärmstmögliche. Höchstwerte bis 18 Grad sind durchaus zum Wochenende möglich. Zunächst ist es tatsächlich eher unbeständig und durch tauenden Schnee kann es gebietsweise auch neblig-trübe sein. Im Südwesten gibt es am meisten Sonnenfenster und zum Wochenende könnte es dann zumindest in der Südhälfte nicht nur außerordentlich mild, sondern auch sonnig sein. Also ein ganz anderes Feeling als wir es in der letzten Woche hatten.
Die Kaltluft liegt aber noch "auf Lauer" und mit erneuter Änderung der Wetterlage können Schnee und Frost rasch zurückkommen. Der Nordosten ist dafür prinzipiell anfälliger als der Südwesten. Für anhaltenden landesweiten Dauerfrost wie in der vergangenen Woche wird es freilich mit zunehmender Tageslänge und höherem Sonnenstand immer schwieriger. Aber selbstverständlich sind Eistage - Dauerfrost - bis hinein in den März auch im Flachland jederzeit möglich. Im Bergland noch weitaus länger.
Das E-Mail-Interview führte Jörn Unsöld, tagesschau.de