Arbeitsmarkt für Ukrainer Mit Pragmatismus in den "Job-Turbo"
Vor knapp einem Jahr hat Arbeitsminister Heil den sogenannten "Job-Turbo" ausgerufen: Geflüchtete, insbesondere Ukrainer, sollen schneller in Arbeit kommen - und dabei Deutsch lernen. Nun gibt es eine erste Zwischenbilanz.
Hubertus Heil ist seit fast einem Jahr in Sachen "Job-Turbo" unterwegs. Mal besucht der Arbeitsminister einen Friseursalon, in dem eine Ukrainerin einen Job gefunden hat, mal setzt er sich im Supermarkt mit an die Kasse.
Arbeit sei "der beste Weg, um sich schneller in die deutsche Gesellschaft zu integrieren", so die Frau, die dort arbeitet. "Wie reagieren die Kunden", fragt der Minister. "Sie sind immer nett", antwortet sie. "Okay … - und das in Deutschland", entgegnet Heil.
Scholz: "Brauchen Pragmatismus - auf allen Seiten"
So positiv die Erfahrungen mit den Ukrainern sind, die jetzt in Arbeit sind - der Anstoß für den "Job-Turbo" kam aus einer negativen Erfahrung heraus: Geflüchtete haben in Deutschland seltener einen Job als in anderen Ländern. Heil zog zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit die Konsequenz: Geflüchtete sollen bereits dann in Arbeit vermittelt werden, wenn sie noch nicht gut Deutsch sprechen.
"Deutsch ist eine wichtige Voraussetzung", sagt Heil. "Aber ich kann mal ganz offen sagen: Deutsch kann man auch berufsbegleitend und in Arbeit lernen - das ist ein wichtiges Signal, und hier sind kluge Arbeitgeber, die das erkannt haben." Bundeskanzler Olaf Scholz stellt sich ausdrücklich hinter dieses Konzept: "Mein Credo ist: Wir brauchen maximalen Pragmatismus auf allen Seiten."
Bei den Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern seien Scholz zufolge 704.000 in Beschäftigung, was ebenfalls ein Plus von 71.000 im Vergleich zum Vorjahr ausmache.
Scholz appelliert an Wachstum von Erwerbsbevölkerung
Unter anderem liegt das an den gesellschaftlichen Debatten über den Bezug von Bürgergeld. "Natürlich spielt dabei auch der Gedanke eine Rolle, dass wir Nichtstun nicht mit Steuergeldern unterstützen wollen", sagt der Kanzler. "Das ist niemandem vermittelbar, das schadet der Akzeptanz von Geflüchteten und insgesamt auch den ganz vielen Fleißigen, die hier ja mit anpacken", so Scholz.
Die schnelle Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt sei aber auch im eigenen Interesse Deutschlands. In Zeiten von Arbeits- und Fachkräftemangel könne man es sich gar nicht leisten, hier Zeit zu verlieren. Es gebe "kein Land der Erde, dessen Wirtschaft auf Dauer wächst und das dabei eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung hat", sagt der SPD-Politiker. "Deshalb müssen wir alles wirklich alles dran setzen, diejenigen, die bereits hier sind, möglichst schnell in Arbeit zu bringen."
Deutschland mangelt es an Fachkräften
Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sprechen laut Scholz eine klare Sprache: Ohne die zusätzlichen ausländischen Arbeitskräfte wäre die Zahl der Erwerbstätigen in den vergangenen zwölf Monaten in Deutschland gesunken. Seit der Einführung des "Job-Turbos" seien beispielsweise etwa 140.000 Geflüchtete zusätzlich in Arbeit gekommen, die Hälfte davon aus der Ukraine, die andere Hälfte aus anderen Staaten.
Unter anderem in einem Kindergarten in der bayerischen Gemeinde Eichenau im Westen von München. Peter Münster ist hier Bürgermeister. "Wir haben - wie alle Kindertagesstätten bundesweit - notorisch das Problem, dass die Zahl der Fachkräfte einfach zu gering ist und haben da in der Vergangenheit schon versucht, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu qualifizieren, die zu uns gestoßen sind", sagt Münster. Da seien auch einige Geflüchtete dabei gewesen. Man habe sich sehr gefreut, dass der "Job-Turbo" dabei unterstützen konnte, das weiter voranzubringen.
"Ich bin sehr froh, im Kindergarten zu arbeiten", sagt eine ukrainische Pädagogin. "Die Arbeit mit den Kindern macht mir viel Spaß." Sie nutzt den Moment während einer Veranstaltung im Kanzleramt nicht nur, um die Arbeit mit den Kindern zu loben, sondern auch für eine politische Botschaft. Sie sei Deutschland sehr dankbar für Schutz, Sicherheit, umfassende Unterstützung - und die militärische Hilfe der Ukraine.