Deutsche Marschflugkörper für Kiew Scholz legt sich in "Taurus"-Debatte nicht fest
Deutsche "Taurus"-Marschflugkörper für Kiew? Kanzler Scholz will sich weiterhin nicht festlegen. SPD-Chefin Esken plädiert für eine abgestimmte Entscheidung. CDU-Vize Kretschmer spricht sich gegen die Lieferung aus.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zurückhaltend zu einer möglichen Abgabe von Marschflugkörpern vom Typ "Taurus" an die Ukraine geäußert. So wie in der Vergangenheit werde die Bundesregierung jede einzelne Entscheidung immer sehr sorgfältig überprüfen - was gehe, was Sinn mache, was der deutsche Beitrag sein könne, sagte der SPD-Politiker im ZDF-"Sommerinterview".
Deutschland werde es sich weiter schwer machen. Sein Eindruck sei, dass die Bürgerinnen und Bürger das in der ganz großen Mehrheit sehr richtig fänden. "Entscheidungen müssen immer sorgfältig gewogen werden", so der Kanzler.
"Können dann was sagen, wenn es etwas zu sagen gibt"
Zuletzt hatten mehrere Politikerinnen und Politiker aus den Reihen von FDP, Union und auch der Grünen von Scholz gefordert, "Taurus"-Marschflugkörper rasch zu liefern. Die Bundesregierung ist laut eines Berichts des "Spiegel" vor allem zurückhaltend, weil die Geschosse auch russisches Territorium fernab der Frontlinie erreichen können. Das Waffensystem kann auf bis zu 500 Kilometer Entfernung Bunker und geschützte Gefechtsstände zerstören.
Scholz will demnach durch technische Modifikationen des "Taurus" ausschließen, dass die Ukraine mit den weitreichenden Waffensystemen Angriffe auf russischem Territorium ausführen kann. In Industriekreisen hieß es, eine solche Einschränkung des Systems sei durchaus möglich, werde aber einige Wochen in Anspruch nehmen. Nach "Spiegel"-Informationen will Scholz die Taurus-Lieferung erst genehmigen, wenn er von der technischen Modifikation überzeugt ist.
Darauf angesprochen, sagte Scholz im ZDF: "Wir beschäftigen uns mit all den Fragen, die an uns herangetragen werden." Er wolle sich dazu aber erst äußern, "wenn es etwas zu sagen gibt".
Esken: "Werden Ukraine auch weiterhin unterstützen"
Deutschland sei das Land, das nach den USA die Ukraine am meisten unterstütze. "Wir machen das vor allem mit Panzern, mit Artillerie", so Scholz. "Wir haben das gemacht mit sehr viel Luftverteidigung." Der Kanzler verwies darauf, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Deutschland für die beiden weiteren Abschussrampen des Flugabwehrsystems "Patriot" gedankt hatte.
SPD-Chefin Saskia Esken sagte dazu im ARD-Sommerinterview: "Wir haben die Ukraine bislang in ihrem Kampf gegen den russischen Aggressor mit allem unterstützt, was notwendig war. Und das werden wir auch weiterhin tun." Sie gehe auch davon, dass die Ukraine in ihrem Kampf das Völkerrecht einhalte.
In der Debatte gehe es nicht darum, Dinge auszuschließen, so Esken, sondern "es geht tatsächlich darum, alles abzuwägen, was für und gegen eine solche Lieferung spricht". Deutschland müsse abgestimmt handeln mit allen Verbündeten, insbesondere den USA.
Kretschmer: Bundesregierung überschreitet rote Linien
Die Debatte um die Lieferung ist auch innerhalb der Parteien offenbar nicht abgeschlossen. CDU-Vize Michael Kretschmer sprach sich vehement gegen eine Lieferung aus. Immer wieder überschreite die Bundesregierung selbst gesetzte rote Linien, sagte der sächsische Ministerpräsident dem "Spiegel". "Erst bei der Lieferung von 'Leopard'-Panzern, nun bei Marschflugkörpern. Was kommt als Nächstes?"
Deutschland müsse seine "verantwortungsvolle, kluge und ausgewogene Außen- und Sicherheitsstrategie" fortsetzen. "Wollen wir wirklich in Kauf nehmen, dass deutsche Raketen in Russland einschlagen könnten?", fragte Kretschmer. Stattdessen forderte er "neue, intensive diplomatische Initiativen des freien Westens."
Kiew wirbt um deutsche "Taurus"
Die Ukraine übt weiter Druck auf die Bundesregierung aus, Kiew die deutschen "Taurus"-Marschflugkörper zu liefern. Die Ukraine brauche diese, "um mehr Leben ukrainischer Soldaten und Zivilisten zu retten und um die Befreiung ihrer Gebiete zu beschleunigen", sagte Außenminister Dmytro Kuleba der "Bild am Sonntag".
Eine größere Reichweite der Raketen bedeute demnach eine "kürzere Dauer des Krieges", sagte Kuleba. Mit der Waffe könne die Ukraine "die russischen Besatzungstruppen auf ukrainischem Boden weit über die Frontlinie hinaus erreichen, ihre Logistik stören und Kommandozentralen und Munitionsdepots zerstören". Die Ukraine hat bereits Marschflugkörper aus Großbritannien und Frankreich erhalten, aus den USA aber nicht.