Nach Rücktrittsforderungen Scholz stellt sich hinter Spiegel
Kanzler Scholz hat mit Verständnis auf die persönliche Erklärung von Ministerin Spiegel reagiert. Diese sei "menschlich sehr beeindruckend" gewesen. NRW-Ministerpräsident Wüst sprach dagegen von einem "Glaubwürdigkeitstest für SPD und Grüne".
Die mit Rücktrittsforderungen konfrontierte Bundesfamilienministerin Anne Spiegel hat Rückendeckung von Bundeskanzler Olaf Scholz erhalten. "Was die Zusammenarbeit in der Regierung angeht, so schätzt der Bundeskanzler die Ministerin und arbeitet mit ihr eng und vertrauensvoll zusammen", sagte Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann.
Spiegel steht unter Druck, weil sie als damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin zehn Tage nach der Flutkatastrophe an der Ahr in einen vierwöchigen Urlaub gefahren war. Am Sonntagabend erläuterte sie sichtlich bewegt und den Tränen nahe die Hintergründe.
Sie nannte neben umfangreichen beruflichen Verpflichtungen auch gesundheitliche Probleme ihres Mannes, der 2019 einen Schlaganfall erlitten hatte. Außerdem hätten die Belastungen der Familie durch die Corona-Pandemie bei ihren vier Kindern Spuren hinterlassen.
Scholz: "Sehr beeindruckender Auftritt"
Scholz habe das kurzfristig anberaumte Statement "natürlich gesehen", sagte Hofmann. Seiner Ansicht nach sei es "ein menschlich sehr beeindruckender Auftritt gewesen". Spiegels Erklärung vor der Presse habe Scholz "persönlich bewegt und betroffen gemacht". Zu konkreten Rücktrittsforderungen äußerte sich Hoffmann nicht.
Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, verwies darauf, dass sich Spiegel während ihres Urlaubs von einem ihrer beiden Staatssekretäre habe vertreten lassen. Ministerinnen und Minister seien für ihren Urlaub nicht auf eine Genehmigung der Staatskanzlei angewiesen, so Dreyer. Sie müssten nur ihre Vertretung durch einen Staatssekretär oder eine Staatssekretärin sicherstellen. Das sei auch erfolgt. Dreyer fügte hinzu: "Insofern war sie vertreten im Kabinett."
Wüst zweifelt an Glaubwürdigkeit
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst sieht in der Causa Spiegel einen Glaubwürdigkeitstest für SPD und Grüne. "SPD und Grüne haben sich hier in Nordrhein-Westfalen in der letzten Woche moralisch sehr hoch aufgeschwungen und über Ursula Heinen-Esser gerichtet", sagte er am Rande eines Termins in Wuppertal. "Die müssen jetzt klarstellen, ob diese Ansprüche unabhängig vom Parteibuch gelten oder nur dem Wahlkampf geschuldet waren."
Heinen-Esser hatte ihr Amt als Umweltministerin am Donnerstag niedergelegt, nachdem bekannt geworden war, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit weiteren Regierungsmitgliedern auf Mallorca den Geburtstag ihres Ehemannes gefeiert hatte.
CSU: Spiegel hat "Unwahrheit gesagt"
CSU-Generalsekretär Mayer sagte im Deutschlandfunk, es sei zwar anerkennenswert, dass Spiegel sich für Fehler entschuldige. Allerdings habe die Ministerin "offenkundig die Unwahrheit gesagt" mit ihrer ursprünglichen Behauptung, sie habe sich im letzten Sommer aus dem Urlaub heraus zu Kabinettssitzungen in Rheinland-Pfalz zugeschaltet. Wenn sie jetzt darauf beharre, im Amt zu bleiben, dann tue sie sich selbst keinen Gefallen.
Der designierte Generalsekretär der FDP, Djir-Sarai, äußerte sich zurückhaltend: Im Sender n-tv sagte er, zunächst seien jetzt die Grünen gefragt. "Sie werden über diese Dinge reden, der Bundeskanzler muss sich mit dieser Frage beschäftigen, wird er auch tun. Das ist nicht etwas, was ich machen muss."
Erneute Rücktrittsforderungen
Am Wochenende hatte es erneut Rücktrittsforderungen gegen Spiegel gegeben, unter anderem von CDU-Chef Friedrich Merz.
Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal waren 134 Menschen ums Leben gekommen.