
Schleswig-Holstein Trumps Zölle: Das empfiehlt der UV-Nord den Unternehmen in SH
Nach dem Zollpaket von US-Präsident Donald Trump herrscht bei den Unternehmen in SH noch keine Krisenstimmung, sagt UV Nord-Geschäftsführer Fröhlich. Er rechnet aber damit, dass Investitionen ausbleiben könnten.
Viele Unternehmen in Europa sind verunsichert. Sie müssen weiter damit rechnen, 20 Prozent Zölle auf Exporte in die USA zu zahlen. Damit setzt US-Präsident Donald Trump seine aggressive Handelspolitik fort. Viele Nicht-EU-Staaten trifft es noch härter. Die EU möchte einen Handelskrieg verhindern, doch Trump lehnt den Vorschlag ab, alle gegenseitigen Zölle auf Industriegüter aufzuheben.
Es droht eine Strafzollspirale, sagt Michael Thomas Fröhlich, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein (UV Nord), im Interview mit NDR Schleswig-Holstein. Auch die Unternehmen im nördlichsten Bundesland bräuchten in nächster Zeit einen längeren Atem. Diese sollten sich im Idealfall auch auf andere Absatzmärkte fokussieren.
NDR Schleswig-Holstein: Auf Importe aus der EU sollen künftig Zölle in Höhe von 20 Prozent erhoben werden, so Trumps Drohung. Wie ist die Stimmungslage der Unternehmen in Schleswig-Holstein?
Michael Thomas Fröhlich: "Durch alle Branchen hinweg ist in Schleswig-Holstein die Sorge groß, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten eine Strafzollspirale erleben werden. Die führt mit Sicherheit dazu, dass einige Unternehmen sich mit Investitionen - auch in Schleswig-Holstein - etwas zurückhalten werden, auch was die Schaffung von Arbeitsplätzen anbetrifft. Und à la longue (auf die Dauer, Anm. d. Red.) auch der Verbraucher an der Ladentheke bei einigen Produkten eine Verteuerung erleben wird.
Was wir nicht sehen, ist, dass wir eine Panik oder eine absolute tiefe Krisenstimmung haben. Die schleswig-holsteinische Wirtschaft ist geprägt durch einen kleineren Mittelstand, der Krisen erprobt ist. Es sind häufig "Local Heroes" und nicht die "Global Player", die standorttreu sind und die durchaus mit ihren Produkten auch nach wie vor in den Weltmärkten unterwegs sein werden und jetzt ein bisschen längeren Arten mitbringen, als in kurzer Schnappatmung zu verharren."

"Die Verlässlichkeit auf die wir in der Vergangenheit gebaut haben, die ist endgültig vorbei", sagt UV-Nord Geschäftsführer Michael Thomas Fröhlich.
Welche Unternehmen betreffen die Zolldrohungen denn überhaupt, welche Branchen sind vor allem betroffen?
Fröhlich: "Besonders in den Fokus der Strafzollspiralen kommen natürlich der Bereich Automobile und der Bereich Chemie. Automobile ist eher unterentwickelt in Schleswig-Holstein, Chemie schon stärker auch in Brunsbüttel. Natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass wir abhängig sind auch vom Wohl und Wehe des Hamburger Hafens. Dieser ist derjenige, der die größten Importe und Exporte abwickelt und eine Versorgungsfunktion für Gesamtdeutschland hat. Dort wird sehr empfindlich und sorgsam geschaut, wie die weitere Entwicklung sein wird. Und möglicherweise wird es aber nicht dazu führen, dass das, was sich Trump erhofft, nämlich dass mehr Unternehmen in den Staaten übersiedeln und dort heimisch werden.
Wir gehen im Moment davon aus, dass mittelfristig das, was die Trump Administration der Welt zumutetet, eher der eigenen Wirtschaft und Gesellschaft schaden wird, als der europäischen oder in diesem Fall der deutschen Wirtschaft."
Was bereitet den Unternehmen aktuell Sorgen, wenn sie in die Zukunft blicken?
Fröhlich: "Die schleswig-holsteinischen Unternehmen wissen, dass die Diagnostik Trumps nicht völlig falsch ist. Es gab in einigen Bereichen Zollschieflagen, die aber jetzt in der Therapie völlig überzogen auf den Kopf gestellt werden. Und der gesamte Welthandel ist im Moment für einige Wochen, wahrscheinlich auch für einige Monate, mit allen Spielregeln, mit allen Abkommen außer Kraft gesetzt. Wir können heute belastbar keine Aussagen machen, a) wie lange es sozusagen noch dauert, b) wann das Pokerspiel von Trump ein Ende hat - und wird sein Deal auch in seinem Sinne kommen? Wir müssen im Moment ein bisschen durchhalten."
"Wir sehen aktuell nicht, dass konkret Arbeitsplätze oder Ausbildungsplätze in Gefahr sind, und wir raten auch den Unternehmen dazu, parallel nicht nur auf eine Einigung zu warten, sondern auf andere Absatzmärkte zu schauen. Das gilt nicht nur für Beton, Zement, Bau, Chemie, Metall. Wir haben auch im Bereich Stahl und im Bereich Medizin über 20 europäische Anrainerländer, die in der Abnahme unserer Produkte sehr gut sind. Wir empfehlen zudem, sich ein weiteres Feld zu suchen. Und das ist für uns in Zukunft ganz eindeutig Indien."
Gibt es auch Profiteure von den Zöllen?
Fröhlich: "Zu den ‘Gewinnern’ auch dieser Entwicklung wird mit Sicherheit die wehrtechnische Industrie in Norddeutschland und in Schleswig-Holstein zählen. Wir haben die klare Ansage, dass wir für Verteidigung, für Resilienz mehr machen müssen, mehr ausgeben müssen, und das wird auch andere treffen. Wir haben eine Exzellenz in der Produktpalette schleswig-holsteinischer wehrtechnischer Unternehmen, die mit Sicherheit nicht nur höhere und größere Auftragsbücher, sondern auch mehr Personal einstellen werden, wie wir es auch in Kiel oder in Flensburg schon hören und realisiert sehen. Und das wird vermutlich auch noch eine Zeit lang anhalten."
Mit Blick in die Zukunft: Sie erwarten eine "Zollspirale". Was raten Sie den Unternehmen in Schleswig-Holstein jetzt?
Fröhlich: "Wir versuchen als Kompass für die schleswig-holsteinischen Betriebe auszugeben: Bitte ruhig bleiben, nicht in Hektik oder Panik verfallen, an das eigene Produkt glauben, auch an die eigenen Beschäftigten. Sie werden auch auf anderen Märkten innerhalb von Europas, in Asien, in Indien, künftig noch vermehrt Absatzmöglichkeiten sehen. Wichtig ist, dass wir uns zunehmend in allen Bereichen, ob es in Wirtschaft, in Forschung, in Wissenschaft, auch in Teilen der Verteidigung und des Katastrophenschutzes, unabhängig von den Staaten machen. Die Verlässlichkeit, die wir in der Vergangenheit gebaut haben, die ist endgültig vorbei."
Das Interview führte Joscha Krone, NDR Schleswig-Holstein.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 08.04.2025 | 17:00 Uhr