
Schleswig-Holstein Prozessbeginn in Rendsburg: Schrottschiff in Indien entsorgt
Am Mittwoch hat ein Prozess am Amtsgericht in Rendsburg begonnen. Zum ersten Mal müssen sich in Deutschland zwei Reeder vor Gericht verantworten, weil sie ein schrottreifes Schiff illegal nach Indien gebracht haben sollen.
Der erste Prozesstag in Rendsburg ist vorbei - und die Verteidigung hat Argumente hervorgebracht, warum die zwei Reeder aus ihrer Sicht nicht illegal gehandelt haben. Laut Anklage hat die Reederei gegen europäisches Recht verstoßen und das 180 Meter lange Schiff in Indien verschrotten lassen. Das hätte aber in der Türkei oder in der EU passieren müssen.
Verteidigung: Schiff fuhr nicht direkt nach Indien
Die Verteidigung sagte vor Gericht nun stattdessen, dass es keine illegale Abfallverbringung gewesen sei. Das Schiff hätte im Herbst 2016 Bremerhaven verlassen und noch Güter zum Beispiel in Richtung Ägypten transportiert. Es sei also nicht direkt nach Indien gefahren. So war es laut Verteidigung bereits nicht mehr in europäischen Gewässern, als das Schiff final zur Verschrottung gebracht wurde.
"Westerhamm" landete am Strand
Die Reise der "Westerhamm" endete schon vor über acht Jahren: Damals, Ende Dezember 2016, wurde das Containerschiff im indischen Alang mit Vollgas auf den Strand gefahren. Anfang 2017 haben es dann Arbeiter über Monate hinweg auseinandergenommen. Der Stahl, aus dem das Schiff besteht, ist wertvoll, doch der Export eines Schrottschiffes aus der EU ist illegal. Vor dem Amtsgericht in Rendsburg (Kreis Rendsburg-Eckernförde) müssen sich nun eine Frau und ein Mann verantworten, erklärt Gerichtssprecher Markus Richter. "Die Angeklagten sind Geschäftsführer einer Gesellschaft, die Eigentümerin eines Containerschiffs war. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie im Jahr 2016 das Schiff veräußerten und dann dafür sorgten, dass das Schiff in Indien an einen Strand gefahren und dort zerlegt wird."

Haben der Reeder und die Reederin illegal gehandelt? Das wird nun vor Gericht in Rendsburg geklärt.
Wurde gegen Abfallrecht verstoßen?
Der Vorwurf: Verstöße gegen das europäische und deutsche Abfallrecht. Denn wenn klar ist, dass ein altes Schiff verschrottet werden soll, darf es nur auf von der EU zugelassenen Werften zerlegt werden - denn es besteht nicht nur aus Stahl, sondern ist auch voller Giftstoffe wie Asbest oder Schwermetallen. Solche Werften gibt es aber nur innerhalb der EU und in der Türkei. Nach NDR Informationen soll im Fall der Westerhamm schon früh klar gewesen sein, dass das Schiff in Indien als Schrott verkauft werden soll. "Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten sich dadurch der illegalen Verbringung von gefährlichen Abfällen schuldig gemacht haben. Dafür sieht das Gesetz eine Geldstrafe vor oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren", sagt Markus Richter. Der NDR hat die Angeklagten mehrmals angefragt, sie wollten sich nach Angaben Ihres Anwalts nicht äußern. Die Vorwürfe weisen sie jedoch zurück.
Prozess startet verzögert
Bereits 2022 hatten NDR und "Süddeutsche Zeitung" ausführlich über die Ermittlungen gegen deutsche Reeder berichtet. Dass der Prozess erst jetzt beginnt, hat verschiedene Gründe: Corona, ein Hin und Her zwischen Land- und Amtsgericht, Wechsel von Richterinnen und Richter und wohl auch, dass das Thema zumindest für deutsche Gerichte eine Premiere ist. Die Umweltaktivistin Ingvild Jenssen von der Nichtregierungsorganisation "Shipbreaking Platform" beschäftigt sich schon länger mit dem Zerlegen alter Schiffe: "Ähnliche Fälle wurden bereits vor Gerichten in anderen europäischen Ländern verhandelt, und die Urteile dort beinhalteten hohe Geldstrafen für die Reederei, hohe Geldstrafen für die Verantwortlichen und sogar eine Gefängnisstrafe." Dabei seien es eben auch viele deutsche Schiffe gewesen, die in Alang verschrottet wurden.
Fragwürdige Arbeitsbedingungen
Die illegale Verschrottung ist nicht nur eine Gefahr für die Umwelt. In Alang, dem größten Schiffsfriedhof der Welt, zerlegen zehntausende Wanderarbeiter unter nicht selten fragwürdigen Bedingungen die Schrottschiffe dieser Welt. Unfälle sind häufig. Vor einiger Zeit traf der NDR vor Ort einen Arbeiter, der die damalige Situation als riskant beschrieb: "Es ist eine sehr gefährliche Arbeit. Vor zwei Tagen ereignete sich auf der Werft V1 ein großer Unfall. Eine Gasflasche ist geplatzt. Zwei Männer wurden getötet, einer brach sich dabei sein Genick. Während er schnitt, gab es plötzlich eine Explosion und sein Kopf wurde auf die eine Seite gerissen und sein Körper auf die andere."
Urteil am 30. April erwartet
Ein Urteil am Amtsgericht Rendsburg könnte richtungsweisend sein, wenn es um den künftigen Umgang mit illegaler Verschrottung deutscher Schiffe geht. Der Prozess ist derzeit mit drei Verhandlungstagen angesetzt. Am 30. April wird ein Urteil erwartet.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 09.04.2025 | 08:00 Uhr