Die deutsche Fußball-Nationalspielerin Selina Cerci

Schleswig-Holstein DFB-Frauen: Selina Cerci oder das Schicksal ist eine launische Diva

Stand: 09.04.2025 11:05 Uhr

Selina Cerci war mit ihrem Hattrick die Matchwinnerin beim 6:1-Erfolg der deutschen Fußballerinnen am Dienstagabend in Wolfsburg gegen Schottland. Die gebürtige Kielerin blieb trotz ihrer Gala-Vorstellung in der Nations-League-Partie bescheiden. Das Leben hat die 24-Jährige Demut gelehrt.

Von Hanno Bode

Es ist nicht überliefert, wie die überragende Angreiferin des Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim diesen für sie so besonderen Abend hat ausklingen lassen. Um nach dem Dreierpack in ihrem erst siebten Länderspiel und dem anschließenden Interview-Marathon herunterzukommen und in den Schlaf finden zu können, hat Cerci vielleicht im Mannschaftshotel die Flimmerkiste angestellt und sich noch eine dieser Sendungen angeschaut, in denen Prominente, die eigentlich gar keine sind, für ein paar Euro einen Seelenstriptease machen.

"Trash-TV" nennt sich dieses Genre. Die Nationalstürmerin liebt diese Sendungen. Selbst, so sagte Cerci einst, würde sie allerdings niemals an einer solchen Show teilnehmen. Dabei hätte die 24-Jährige anders als viele der dort vertretenen C-Promis viel zu erzählen. Viel Interessantes wohlgemerkt. Denn trotz ihres jungen Alters blickt die Torjägerin bereits auf ein bewegtes Leben zurück.

Zwei Kreuzbandrisse in jungen Jahren

Dass sie am Dienstagabend nach dem Duell mit am Ende kraftlosen Schottinnen als strahlende Matchwinnerin im Bauch des Wolfsburger Fußball-Tempels verschwinden konnte, gleicht zumindest einem kleinen Wunder. Denn bereits zweimal riss Cercis Kreuzband, sie musste insgesamt fast zwei Jahre pausieren. Nach dieser schweren Verletzung wieder auf ein Top-Level zu kommen, gelingt längst nicht allen Sportlerinnen und Sportlern. Dafür bedarf es schließlich eiserner Disziplin und viel mentaler Stärke.

Cerci macht kein Geheimnis daraus, während der Reha nach ihren Kreuzbandrissen (2022 und 2023) viele emotionale Täler durchschritten zu haben: Es sei "schmerzhaft und herzzerreißend" gewesen. "Aber dann sagt mir mein Kopf, dass sich das am Ende auszahlen wird."

Via Kiel über Umwege in die Bundesliga

Aufgeben, so versicherte die Stürmerin, sei nie eine Option für sie gewesen. Ihr großer Kampfgeist rührt vielleicht auch daher, dass sie schon immer ihre Ellenbogen ausfahren musste, um vorwärts zu kommen.

So beispielsweise damals beim SV Friedrichsort. Dort kickte Cerci mit Jungen zusammen, bevor sie mit 14 Jahren zu Holstein Kiel ging. Zwei Jahre später folgte der Wechsel zum Magdeburger FFC - und damit verbunden der Auszug aus dem Elternhaus.

Angreiferin Selina Cerci im Trikot von Werder Bremen (Foto aus dem Jahr 2020)

Selina Cerci spielte von 2018 bis 2020 für Werder Bremen.

Die Teenagerin Selina Cerci musste in der Fremde alleine rasch erwachsen werden. Zumindest so erwachsen, um kluge Entscheidungen für ihr Privatleben und ihre sportliche Karriere zu treffen. Es gelang der Angreiferin. Fußballerisch ging es für sie Stufe für Stufe nach oben. Bayern München II, Werder Bremen, Turbine Potsdam und 1. FC Köln hießen ihre weiteren Stationen, bevor sie sich im vergangenen Jahr Hoffenheim anschloss.

Cerci Social-Media-Star und Werbefigur

Zu diesem Zeitpunkt war Cerci nach ihrem zweiten Kreuzbandriss wieder topfit - und längst auch abseits des Feldes prominent. Als Managerin der Las Ligas Ladies aus der Kleinfeld-Liga Baller League machte sie ebenso von sich reden wie als Gesicht einer eigenen Modekollektion. Dass die Nationalspielerin ein Social-Media-Star ist, versteht sich fast von selbst. Bei Instagram hat die 24-Jährige 139.000 Follower.

Wück: "Sie hat Stärken, die nicht viele haben"

Es dürften bald noch viel mehr dazukommen, sollte Bundestrainer Christian Wück die TSG-Spielerin in seinen Kader für die EM im Sommer in der Schweiz (2. Juli bis 27. Juli) nominieren. Die Chancen dafür stehen offenbar gut. "Selina hat Fähigkeiten, die nicht viele haben. Sie ist kopfballstark, schnell, geht gern ins Eins-gegen-eins und kann Tore machen", sagte Wück über seinen "Schottinnen-Schreck".

Andererseits hat es dem deutschen Frauenfußball an ausgezeichneten Angreiferinnen noch nie gemangelt. Die Konkurrenz für Cerci ist groß, der Kampf um die begehrten EM-Tickets noch längst nicht entschieden. Das ist auch der 24-Jährigen bewusst. Große Töne oder irgendwelche Kampfansagen waren nach dem Hattrick daher von ihr nicht zu hören.

"Natürlich muss ich mich weiterhin beweisen, egal ob im Verein oder bei den Spielen hier. Ich muss weiter Gas geben und an mir arbeiten, es ist ein großer Traum von mir", erklärte die gebürtige Kielerin. Mit dieser Einstellung und ihren großen Qualitäten sollte sie es unter normalen Umständen zum Turnier in die Schweiz schaffen. Es sei denn, das Schicksal meint es erneut nicht gut mit ihr...

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Aktuell | 08.04.2025 | 23:00 Uhr