Sachsen Unklare politische Lage bringt soziale Projekte in Bedrängnis
Die Koalitionsbildung in Sachsen dauert an und solange keine neue Regierung steht, ist unwahrscheinlich, dass ein neuer Haushalt verabschiedet wird. Zur ohnehin angespannten Haushaltslage könnte also ab dem 1. Januar noch die Nothaushaltsführung kommen. Neue Projekte können dann nicht finanziert werden, mehr Geld für die Kommunen ist auch nicht drin. Gespart wird vielerorts schon jetzt an der Förderung sozialer Projekte.
- Stelle bei Bautzner Rentnerverband läuft aus – eine alternative Finanzierung ist nicht in Sicht.
- 600 Rentner wären betroffen, Angebote würden schmaler und Ortsgruppen müssten schließen.
- Der Freistaat schließt aus, mehr Geld zu geben – Bautzen müsste welches umwidmen und an anderer Stelle sparen, um den Verband zu retten.
Matthias Waniek sitzt über seinen Schreibtisch gebeugt am Rechner. Vor seiner offenen Bürotür schlagen vier Rentnerinnen auf einer Tischtennisplatte den Ball hin und her, hinter einer angrenzenden Tür bewegt eine Tanzgruppe die Hüften, in einem großen geheizten Saal warten schon die ersten bei Kaffee und Kuchen auf die bald startende Handarbeitsgruppe.
Waniek hält alles so ein bisschen zusammen. Der 64-jährige ist der einzige Mitarbeiter des Unabhängigen Seniorenverbandes Bautzen, verwaltet die Vereinsmitglieder, führt Buch, beantragt Fördermittel, schreibt Rechnungen – noch. Denn Anfang 2025 läuft seine Stelle aus, bisher finanziert vom Jobcenter.
Nothaushalt gefährdet Helfer-Stelle
Seit Monaten versucht der Verein daher, eine Förderung über die Kommune oder das Land zu bekommen, sagt Waniek. "Das war absehbar, wir haben ja darauf hingewiesen, deswegen haben wir ja diese Briefe geschrieben, an den Oberbürgermeister, an den Landrat. Aber wenn das Geld nicht da ist, ist es nicht da."
Ohne den Mitarbeiter müsste der Verein wohl seine Angebote zurückfahren, davon wären rund 600 Rentner monatlich betroffen, zudem auch neun Ortsgruppen in den umliegenden Dörfern. Ein schwerer Schlag für die Senioren, die hier im Chor singen, Skat spielen, Englisch oder den Umgang mit dem Computer lernen. "Wenn das jetzt wegfällt, hätten wir keine Möglichkeit mehr, uns irgendwo einzumieten oder Räume zu finden, die wir nutzen können", sagen sie MDR AKTUELL, und dass der Treffpunkt für sie ein wichtiger Ort sei. Falle dieser weg, müssten die Senioren zu Hause bleiben.
Verband fürchtet Kettenreaktion
Fällt der Mitarbeiter weg, könnte das eine Kettenreaktion auslösen. Denn der Verein hat ein ehemaliges Offizierskasino gepachtet, vermietet die Räume an andere Sozialträger wie die Johanniter oder die Diakonie. Und selbst die Stelle finanzieren? Man müsste dann wohl das Haus aufgeben, schildert Vereinsvorsitzende Monika Petrick.
Denn aktuell fließt ein Großteil der Mitgliedsbeiträge und Mieteinnahmen in den Erhalt des Hauses: "Das kostet uns im Monat schon so an die 1.000 Euro. Es kommen immer wieder Spenden, auch von Mitgliedern, aber es langt eben unterm Strich nicht für so eine Stelle." Diese würde ungefähr 14.000 Euro im Jahr kosten, das müsse erst einmal erwirtschaftet werden. Man habe alle Möglichkeiten ausgeschöpft, sagt Vorsitzende Petrick.
Die Entscheidung über eine Förderung liegt jetzt bei der Stadt Bautzen, die eine pauschale Förderung für soziale Projekte vom sächsischen Sozialministerium bekommt.
Freistaat schließt mehr Geld aus
Mehr Geld vom Freistaat stellt Finanzminister Hartmut Vorjohann auch auf Grund des fehlenden Haushaltes nicht in Aussicht: "In der sächsischen Verfassung ist für den Fall, dass man keinen Haushalt hat, die sogenannte vorläufige Haushaltsführung vorgesehen. Man darf nichts Neues anfangen." Nichts Neues heiße: nichts Neues bauen, keine neuen Stellen schaffen, keine neuen Projekte beginnen. So stehe es in Artikel 98 der sächsischen Verfassung. Im Einzelfall könne das erhebliche Probleme verursachen.
Das heißt, wollte Bautzen im kommenden Jahr eine Stelle finanzieren, müsste die Stadt bisherige Mittel umwidmen und an anderer Stelle einsparen.