Nordrhein-Westfalen Ampel-Aus: Wüst für sofortige Neuwahl
Bei einer Sache sind sich alle einig: Es braucht eine Neuwahl. Darüber, wer die Schuld am Ampel-Aus trägt, allerdings nicht. Reaktionen aus NRW.
Nach dem Aus der Berliner Ampel hat sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) für sofortige Neuwahlen des Bundestags ausgesprochen. Deutschland befinde sich in einer Regierungs- und Wirtschaftskrise, betonte Wüst am Donnerstagmittag in Düsseldorf. "Die schlechten Nachrichten auch bei Schlüsselbranchen hier bei uns aus Nordrhein-Westfalen, aus den Grundstoffindustrien, in der Automobilbranche, Bauwirtschaft sind seit langem bekannt und machen vielen Menschen seit langer Zeit auch wieder große Sorgen um ihren persönlichen Arbeitsplatz." Die Ampel habe das lange nicht sehen wollen. "Und die Einsicht, etwas tun zu müssen, kam sehr, sehr spät."
Wüst: "Akt der politischen Vernunft"
Angesichts des Krieges in der Ukraine und des Wahlsiegs von Donald Trump in den USA betonte Wüst: "Die aktuellen Herausforderungen in Deutschland können kaum größer und können kaum zahlreicher sein." Deshalb brauche es nun klare Verhältnisse. "Deutschland braucht eine voll handlungsfähige, eine stabile Regierung mit einer eigenen, verlässlichen Mehrheit im Deutschen Bundestag." Und zwar "so schnell wie möglich", schob er nach. "Sofortige Neuwahlen wären ein Akt der politischen Vernunft."
Ott (SPD): "Brauchen keinen Hasardeur"
Oppositionsführer Jochen Ott (SPD) bezeichnete es hingegen als "unverantwortlich", jetzt die sofortige Auflösung des Bundestages zu fordern. "Ich erwarte von Friedrich Merz und der CDU, dass sie die gleiche staatspolitische Verantwortung, wie sie die Sozialdemokratie in ihrer Geschichte immer bewiesen hat, dass sie die jetzt auch hat", erklärte Ott am Donnerstagnachmittag.
Ott: "Erwarten staatspolitische Verantwortung"
Mit Blick auf in Berlin anstehende Entscheidungen erklärt er: "Es gibt jetzt die historische Chance in den nächsten drei, vier Wochen mit den Stimmen der nordrhein-westfälischen CDU dafür zu sorgen, dass es die Altschuldenregelung im Deutschen Bundestag gibt." Er appelliere deshalb an Wüst, der Wochen und Monate lang von der Allianz der Mitte gesprochen hätte, diese Mitte in NRW nicht im Stich zu lassen - und fragt: "Ist es tatsächlich eine Allianz der Mitte oder ist es einfach nur schnöde CDU-Parteipolitik, wie wir sie von ihm ja immer schon kannten?", so Ott in Richtung des Ministerpräsidenten. "Ein Hasardeur, der die eigene Partei über das Land stellt, ist genug. Davon brauchen wir nicht mehr."
Neubaur (Grüne): "Politisches Erdbeben"
Auch NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) sprach sich gegen eine sofortige Neuwahl aus. Sie appellierte hingegen an die Opposition in Berlin, konstruktiv an Vorschlägen mitzuwirken. "Ab Januar ist dann Zeit für Wahlkampf", so Neubaur.
"Der gestrige Tag war ein politisches Erdbeben", erklärte sie weiter. "Mit der erneuten Wahl von Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten und dem Ende der Ampel auf Bundesebene stehen jetzt herausfordernde Zeiten vor uns."
Neubaur: "Herausfordernde Zeiten stehen vor uns"
Die nächste Bundestagswahl werde auch darüber entscheiden, welches Land wir sein wollen, führte Neubaur weiter aus: "Eins, was vor den Herausforderungen der Zukunft verzagt, oder eines, was bereit ist zu kämpfen und zu investieren - für Freiheit, Sicherheit und Wohlstand für unsere Bürgerinnen und Bürger", so die stellvertretende Ministerpräsidentin.
Höhne (FDP): "Koalitionsbruch nur zweitbeste Lösung"
Höhne: "Lindner hat Rücken gerade gemacht"
"Kein Demokrat kann sich freuen über ein vorzeitiges Ende einer Koalition", erklärte Henning Höhne, Chef der FDP in NRW. Der Bruch einer Koalition könne immer nur "die zweitbeste Lösung" sein. "Aber sie ist immer noch besser als weiterer Stillstand und Abdriften ins wirtschaftspolitische Mittelmaß", so der Liberale. Christian Lindner hätte "den Rücken gerade macht für seine Überzeugungen", so Höhne über den Ex-Finanzminister. Und Bundeskanzler Olaf Scholz habe "offensichtlich weder den Willen noch den Mut, eine echte wirtschaftspolitische Wende herbeizuführen."
SPD: "Sachfremde Torpedierungsversuche"
Philipp und Post: "Zusammenarbeit massiv belastet"
Zuvor hatten bereits die beiden Vorsitzenden der NRW-SPD, Sarah Philipp und Achim Post, die Kompromissfähigkeit ihrer Partei in der Ampel betont und Lindner scharf kritisiert: "Der FDP-Chef hat die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Regierungskoalition in den letzten Monaten durch zahlreiche sachfremde Torpedierungsversuche massiv belastet."
Spätestens jetzt würden die Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass "seine wirtschaftspolitischen Vorschläge keine solide Grundlage für rasch wirksame Wachstumsimpulse waren, sondern ein Drehbuch für die Flucht aus der Verantwortung", so die NRW-Parteispitze.
Grüne: "Politischer Pokerspieler"
Achtermeyer und Zeybek: "Mit FDP kein Staat zu machen"
Für die Landesvorsitzenden der NRW-Grünen, Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer, ist Lindner ein politischer Poker-Spieler. "Aber das ist kein Spiel. Wer das so sieht, disqualifiziert sich fürs Amt. Wir Grüne stehen auch jetzt in dieser Situation zu unserer Verantwortung, innen- wie außenpolitisch." Als Grüne mache man weiter mit einer "Politik der Zuversicht und des Aufbruchs". Der heutige Tag sei aber kein guter, so die Parteispitze im Land. Es habe sich gezeigt: "Mit der FDP ist kein Staat mehr zu machen."
Erfahrung mit Minderheitsregierung
Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Wibke Brems und Verena Schäffer erklärten: "Trotz aller Schwierigkeiten hat die Ampel, haben die Grünen in Berlin viel erreicht, um unser Land zukunftsfähig, nachhaltiger und gerechter zu machen - diesen Weg werden wir weiter gehen. Aus persönlicher Erfahrung in NRW wissen wir, wie anstrengend, aber auch wie wichtig die Arbeit in einer Minderheitsregierung ist." Die Grünen waren von 2010 bis 2012 zusammen mit der SPD unter Hannelore Kraft an einer Minderheitsregierung in NRW beteiligt.
AfD: Chance in Neuwahlen
Ein NRW-AfD-Sprecher sagte dem WDR: "Das Ampel-Ende war überfällig." Der Abgang der Regierung sei "stillos", da kein "geregeltes Ende" herbeigeführt wurde. Dass Scholz die Vertrauensfrage erst in zwei Monaten stellen will, sei aus Sicht der NRW-AfD politisch unverantwortlich. Als Landesverband freue man sich aber auf die vorgezogenen Wahlen und sei "auf alle Eventualitäten vorbereitet".
Unternehmer NRW: "Keine Zeit zu verlieren"
Die Unternehmer in NRW forderten einen "fundamentalen Neu-Anfang" besonders bei den Themen Energiekosten, Steuern, Sozialversicherung, Bürokratie und Infrastruktur. "Nur so werden wir Wohlstand, Arbeitsplätze und letztlich auch den Sozialstaat sichern können", erklärte Arndt Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände NRW. "Wenn zwei der drei Ampel-Partner hierzu weder den Willen noch die Kraft haben, war das Ende der Regierung folgerichtig. Deutschland hat keine Zeit mehr zu verlieren", so Kirchhoff.
IHK: "Wirtschaft droht Abwärtsspirale"
Die Industrie- und Handelskammern (IHK) in NRW warnten vor einer monatelangen Hängepartie. "Der Ernst der wirtschaftlichen Lage, aber auch die sicherheitspolitischen und außenwirtschaftlichen Unwägbarkeiten erfordern eine handlungsfähige Bundesregierung", so Ralf Stoffels, Präsident der IHK NRW. "Der NRW-Wirtschaft droht eine Abwärtsspirale, die die wichtigen Wertschöpfungsketten Nordrhein-Westfalens im Kern trifft. Unsere Unternehmen brauchen dringend ein echtes Aufbruchssignal, um dagegenhalten und wieder durchstarten zu können."
Unsere Quellen:
- Staatskanzlei NRW
- Pressekonferenz von Hendrik Wüst
- Pressekonferenz von Mona Neubaur
- Pressekonferenz von Jochen Ott und Sarah Philipp
- Gespräch mit Henning Höhne
- Mitteilung der NRW-SPD
- Mitteilung der NRW-Grünen
- Mitteilung der NRW-Grünen-Fraktion
- Telefonat NRW-AfD
- Mitteilung der Unternehmensverbände NRW
- Mitteilung der IHK NRW
Über dieses Thema berichtete der WDR am 07.11.2024 auch im Fernsehen: WDR aktuell um 12:45 Uhr.