Ein angezündetes Grablicht auf einem Grab.

Niedersachsen Schock am Grab: Friedhofsdiebe werden immer dreister

Stand: 09.04.2025 10:45 Uhr

Auf Friedhöfen wird immer mehr gestohlen. Das sagen die Pastorinnen der Kirchengemeinde Ohmstede. Blumensträuße, Gestecke, Kerzen - sogar die Kupferbuchstaben von Grabsteinen werden geklaut. Was ist da los?

Von Elske Burkert-Beermann

Zack, weg. Innerhalb von ein paar Minuten. "Ich war geschockt. Erst habe ich gedacht, ich habe mich in der Reihe geirrt, aber es war wirklich alles gestohlen", sagt Bärbel Weilert. Sie ist 82 Jahre alt, pflegt seit 25 Jahren das Grab ihres Mannes auf dem Ohmsteder Friedhof in dem Oldenburger Stadtteil. Sie kommt mindestens einmal in der Woche vorbei, im Frühjahr und Sommer auch öfter. Sie mag den Ort. Gärtnert einfach oder hält ein Schwätzchen. Vor drei Wochen auch: ein sonniger Samstagnachmittag, alles so wie immer. Sie lässt ihren Eimer mit Schaufel, Gabel, Reiniger und Harke am Grab liegen. Geht Wasser holen und ist nach nicht mal zehn Minuten zurück - doch alles ist weg. Gestohlen! Sogar der uralte Schrubber, der dort auch lag und sogar die Schale mit Stiefmütterchen.

Ein Ort der Trauer und des Schutzes wird zum Tatort

Es ist für Bärbel Weilert ein riesiger Schock. Denn der Friedhof war bisher ein sicherer und friedlicher Ort. Pastorin Ines Heinke tröstet. Sie ist an dem Tag zufällig vor Ort. "Ich war unglaublich erschrocken und es tat mir wahnsinnig leid für Frau Weilert, diese Erfahrung zu machen. Wenn Menschen auf dem Friedhof bestohlen werden, hat es noch mal eine andere Qualität, die Menschen trauern ja. Sie verbinden etwas Emotionales mit dem Friedhof. Und dann diese Erfahrung zu machen, dass sich andere so darüber hinwegsetzen und auf ihrem Grab Sachen klauen, das ist wahnsinnig verletzend." Heinkes Kollegin, Pastorin Andrea Burfeind, ergänzt: "Ich habe das Gefühl, dass die Hemmschwelle auf dem Friedhof sinkt. Diese natürliche Scheu und der Respekt vor den Toten und deren Familien, das wird weniger. Viele haben nicht mehr diesen Bezug zum Friedhof oder auch dazu, wie sich Menschen fühlen, die trauern."

Bärbel Weilert gibt ein Interview.

Bärbel Weilert pflegt seit 25 Jahren das Grab ihres Ehemannes. Nun ist auch sie Opfer von Dieben auf dem Friedhof geworden.

Diebstahl auf dem Friedhof: Besonders schlimm für trauernde Eltern

Gestohlen wird alles. Blumensträuße, Grabgestecke, frisch Gepflanztes, weil man es so einfach aus der Erde ziehen kann, Kerzen, Lampen, Figuren, Deko. Friedhofsgärtner Ralf Mohrmann bestätigt das. Oft gibt es "Klauphasen": Vor dem Muttertag zu Beispiel werden oft Blumensträuße gestohlen. Und er hat schon erlebt, wie sein Kollege gerade ein Grab frisch bepflanzt hatte, dann auf der anderen Seite des Friedhofs ein weiteres Grab bepflanzt - und das erste in der Zwischenzeit komplett abgeräumt wurde. Alle Pflanzen rausgerissen und geklaut. Innerhalb von einer Stunde. Mohrmann ist erschüttert über die Dreistigkeit, obwohl er den Job seit über 30 Jahren macht. "Besonders schlimm ist es für Eltern, deren Kinder gestorben sind und die ganz liebevoll das Grab ihres Kindes geschmückt haben."

Friedhofsgärtner Ralf Mohrmann.

Friedhofsgärtner Ralf Mohrmann spricht von "Klauzeiten". Besonders vor Muttertag werden oft Blumensträuße gestohlen.

Polizei rät: Jeden Diebstahl anzeigen

Angezeigt werden solche Diebstähle meist nicht. Der Schmerz sei groß, aber der materielle Wert klein. Deshalb gebe es kaum Anzeigen, sagt Isabell Schoolmann, Oldenburger Polizeisprecherin. Angezeigt werden meist nur die "teureren" Dinge: Kupferlaternen und Messing-Buchstaben zum Beispiel - die werden oft in einer Art "Plünderaktion" von Friedhöfen gestohlen. Isabell Schoolmann rät, jeden Diebstahl zur Anzeige zu bringen, um damit die Chancen zu erhöhen, die Täter zu fassen und umfassender aufklären zu können.

Isabell Schoolmann, Pressesprecherin der Polizei Oldenburg.

Isabell Schoolmann ist Pressesprecherin der Polizei Oldenburg. Sie rät dazu, jeden Diebstahl anzuzeigen - sei er auch noch so klein.

Kann eine Kamera Diebstählen entgegenwirken?

Auch Ines Heinke überlegt gemeinsam mit Andrea Burfeind, was man machen kann. Ein Pastor in der Gemeinde, in der sie vor 20 Jahren arbeitete, hatte damals schon die Idee, eine Kamera auf dem Friedhof zu installieren. "Es sorgte für Furore und war nett gemeint, um zu verhindern, dass Menschen dort klauen. Andererseits greift es in die Privatsphäre von Menschen ein, die dort trauern. Deswegen ging es doch nicht", so Ines Heinke. Ihre Idee ist, ein "bisschen miteinander zu gucken. Was passiert da zwei Reihen weiter? Wenn da gerade jemand einen Blumenstrauß hingestellt hat, sich umdreht, geht, und dann kommt jemand anderes und nimmt den raus; wenn ich das bemerke, dann sollten wir aufeinander achten, und uns trauen denjenigen anzusprechen: Sind das wirklich Ihre Sachen?"

Ines Heinke und Andrea Burfeind, Pastorinnen der Kirchengemeinde Ohmstede.

Pastorin Andrea Burfeind (r.) und Ines Heinke kritisieren die Diebstähle scharf. Friedhöfe sollten ein Ort der Sicherheit und der Ruhe sein.

Friedhöfe sollten sicherer Ort sein

Ines Heinke seufzt: "Friedhöfe sind so wichtig. Wenn städtebaulich alles verdichtet wird, sind sie Orte, an denen man mal runterfahren kann, Ruhe findet. Das wird auch genutzt, auch von Menschen, die nicht trauern. Der Friedhof muss ein sicherer Ort sein, wo Menschen sich wohlfühlen und keine Angst haben." Bärbel Weilert geht zwar noch immer oft und genauso gern auf den Friedhof. Aber ein bisschen mulmiger ist ihr. Sie behält ihre Sachen jetzt immer im Auge, oder schleppt sie mit zum Wasser holen.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 08.04.2025 | 19:30 Uhr