
Niedersachsen Klette-Prozess: Weitere Zeugen schildern Überfall auf Geldtransporter
In Celle sind am Mittwoch im Prozess gegen die mutmaßliche RAF-Terroristin Daniela Klette weitere Zeugen gehört worden. Einer von ihnen war Beifahrer während des Überfalls auf einen Geldtransporter.
Da der Mann inzwischen gestorben ist, wurde am Mittwoch seine polizeiliche Vernehmung verlesen. Demnach hat der Zeuge am Tattag zwei Täter wahrgenommen. "Ich bin mir sicher, dass es Männer waren", sagte der damals 56-Jährige. Sein Kollege habe sehr überlegt gehandelt und alle Türen des Transporters verriegelt. "Ich zitterte am ganzen Körper", sagte er am 6. Juni 2015 aus. Der 56-Jährige habe sich im Laderaum versteckt, auch aus Angst, als Geisel genommen zu werden. Von dort habe er die Schüsse gehört. Die Staatsanwaltschaft wertet die Tat als versuchten Mord.
Zeuge: Viele haben Überfall gar nicht mitbekommen
Auch ein weiterer Zeuge sprach am Mittwoch im Oberlandesgericht Celle (OLG) von mindestens zwei vermummten Tätern. Damals habe er sie für Männer gehalten - er wolle aber nicht ausschließen, dass es auch Frauen gewesen sein könnten, sagte der heute 42 Jahre alte Soldat. Er habe zunächst gedacht, dass es sich um eine Polizeiübung handelt. Viele Supermarkt-Kunden hätten den Überfall gar nicht mitbekommen und weiter Pommes und Wurst gegessen, sagte der Soldat vor Gericht. Andere hätten gestarrt und gefilmt.
War die Panzerfaust nur eine Spielzeugwaffe?
Die zwei Täter waren seiner Aussage zufolge mit einer Maschinenpistole und einer Panzerfaust bewaffnet. Letztere habe der Zeuge unter anderem wegen ihrer Farbe als Spielzeugwaffe wahrgenommen, die von der etwa 1,80 Meter großen Person wackelig getragen wurde. Der Zeuge selbst habe sich in geduckter Haltung über den Parkplatz zum Infotresen des Supermarkts bewegt, um nachzufragen und die Polizei alarmieren zu lassen. Laut Anklage sollen die drei mutmaßlichen RAF-Terroristen einen Jammer, also einen Störsender, benutzt haben, sodass niemand von dem Parkplatz aus per Handy den Notruf wählen konnte.
Geldtransporter-Fahrer: "Habe in Mündungsloch geguckt"
Am Dienstag hatte ein erstes Opfer des Überfalls ausgesagt. Auf den Fahrer des Geldtransporters wurde 2015 geschossen. Der heute 63 Jahre alte Mann schilderte den Überfall vor dem Oberlandesgericht Celle ruhig. Drei Maskierte hätten ihn im Juni vor rund zehn Jahren in Stuhr-Brinkum bedroht. "Ich habe nur gebetet, dass die Scheiben die Kugeln abhalten", sagte der Fahrer im Prozess am Dienstag. "Ich habe wirklich direkt in ein Mündungsloch geguckt." Der 63-Jährige, der im Verfahren Nebenkläger ist, hatte Todesangst, wie er auf Nachfrage vor Gericht aussagte. Die Tat habe sein Leben verändert. Identifizieren konnte er keinen der mutmaßlichen Täter - also auch nicht Daniela Klette. Einer von Klettes Anwälten sagte am Mittwoch, aus Sicht der Verteidigung spreche die Täterbeschreibung gegen eine Tatbeteiligung der heute 66-Jährigen.
Klette-Prozess: Opfer nach Überfall traumatisiert
Die Täter hatten laut Anklage mit einem Gewehr auf die gepanzerte Scheibe des Fahrzeugs geschossen. Eine Kugel durchschlug die Scheibe und blieb in der Rückenlehne des Fahrersitzes stecken. "Mein Mandant war im Anschluss an die Tat sehr traumatisiert", erklärte Rechtsanwalt Steffen Hörning noch vor Prozessbeginn. "Er hat lang gebraucht, um Schritt für Schritt wieder in das normale Leben zurückzufinden." Wie Hörning am Dienstag vor Gericht sagte, war der 63-Jährige nach dem Überfall monatelang arbeitsunfähig, wurde in einer Klinik und in der Reha behandelt. Die angeklagte Daniela Klette hörte dem Zeugen am Dienstag aufmerksam zu und sah ihn direkt an.
Schwere Vorwürfe gegen Daniela Klette vor Gericht
Der erste Prozesstag im Oberlandesgericht Celle hatte Ende März erhebliches Aufsehen erregt: Daniela Klette verlas persönlich eine Erklärung und ihre Verteidiger kritisierten den gesamten Prozess als politisch motiviert. Die heute 66-Jährige war mehr als 30 Jahre untergetaucht und wurde im Februar 2024 festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr versuchten Mord, unerlaubten Waffenbesitz sowie versuchten und vollendeten schweren Raub vor. Der nächste Verhandlungstag ist für den 29. April angesetzt.
Klette, Staub und Garweg sollen Millionen erbeutet haben
Gemeinsam mit Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg, nach denen weiter gefahndet wird, soll Klette insgesamt 13 Überfälle auf Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verübt haben - den Ermittlungen zufolge bewaffnet. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat das Trio in Kauf genommen, Menschen bei den Überfällen tödlich zu verletzen. Insgesamt sollen die drei früheren RAF-Mitglieder 2,7 Millionen Euro erbeutet haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Gruppe damit ihr Leben im Untergrund finanziert hat.
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NDR 1 Niedersachsen | Regional Oldenburg | 16.04.2025 | 09:30 Uhr