
Niedersachsen FAQ: Was bedeutet der Koalitionsvertrag für Niedersachsen?
Union und SPD haben am Mittwoch in Berlin ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Doch was bedeuten die Pläne für Niedersachsen? Ein Überblick über die wichtigsten Themenfelder.
Auf 146 Seiten haben Union und SPD ihre Pläne für die kommenden vier Jahre ihrer gemeinsamen Regierung zusammengefasst. Das gesetzte Ziel: Die Wirtschaft ankurbeln und die Zahl der Geflüchteten regulieren. Für die Pläne der neuen Koalition gibt es sowohl Zuspruch als auch deutliche Kritik.
Die Koalitionspartner bekennen sich zum Automobilstandort Deutschland und den dazugehörigen Arbeitsplätzen. Konkret wollen sie sich dafür einsetzen, dass Unternehmen wie der Wolfsburger Autobauer Volkswagen keine Strafe zahlen müssen, wenn sie die Flottengrenzwerte nicht erreichen. Denn alle Autohersteller in der Europäischen Union dürfen pro Jahr bestimmte CO2-Grenzwerte nicht überschreiten. Dabei wird der durchschnittliche CO2-Ausstoß aller verkauften Autos zusammengerechnet. Außerdem wollen Union und SPD mehr Ladesäulen schaffen. Um die Nachfrage nach E-Autos und hybriden Fahrzeugen zu steigern, wollen die Koalitionspartner Kaufanreize setzen. Bis zum Jahr 2035 sollen E-Autos außerdem von der KFZ-Steuer befreit werden. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, spricht von einer guten Basis für Niedersachsen und Volkswagen. Der Wolfsburger Autobauer könne so wieder "festen Boden unter den Füßen" bekommen.
Unternehmen und Verbraucher in Deutschland und Niedersachsen sollen dauerhaft bei den Strompreisen entlastet werden, konkret geht es beim Strom um bis zu fünf Cent pro Kilowattstunde. Laut dem Oldenburger Energieversorger EWE eine Maßnahme, durch die Verbraucherinnen und Verbraucher in Summe bis zu 25 Milliarden Euro sparen können. Doch die Gegenfinanzierung sei noch unklar. Kurzfristig planen Union und SPD, die Stromsteuer zu senken und die Umlagen und Netzentgelte zu reduzieren. Energieintensive Unternehmen sollen außerdem durch einen vergünstigten Industriestrompreis entlastet werden. Stefan Dohler, Vorstandsvorsitzender der EWE, verweist darauf, dass der Industriestrompreis nur eine Zwischenlösung sein könne. Langfristig brauche es unabhängige Energieproduktion, bei der gerade der Windenergiesektor in Niedersachsen eine große Rolle spiele. Dohler ist überzeugt, der Koalitionsvertrag setze "wichtige und richtige Impulse". Aber der EWE-Vorstandsvorsitzende macht auch deutlich: "Der große Wurf ist das nicht."
Landwirtinnen und Landwirte in Niedersachsen sollen laut Koalitionsvertrag Geld für Stallumbauten bekommen. Das Baurecht soll vereinfacht werden und Stallneu- und -umbauten bekommen einen 20-jährigen Bestandsschutz. Außerdem soll die Agrardiesel-Förderung wieder eingeführt werden. Aus Sicht des Landvolks die richtige Entscheidung. Negativ sieht das Agrar- und Ernährungsforum Nord-West (AEF) dagegen den Mindestlohn von 15 Euro. "Für die Obst- und Gemüseerzeuger in der Region ist das ein Sargnagel", sagt der AEF-Vorsitzende Sven Guericke. Gerade die Spargel- und Heidelbeerernte sei lohnintensiv. Auch beim Tierhaltungskennzeichnungsgesetz bleibe der Koalitionsvertrag laut AEF zu unkonkret.
Niedersachsen CDU-Chef Sebastian Lechner spricht von einer Migrationswende. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert dagegen, dass es sich beim Versprechen einer fairen Asylpolitik nur um Lippenbekenntnisse handele. Das Asylrecht werde faktisch eingeschränkt. Muzaffer Öztürkyilmaz vom Flüchtlingsrat kritisiert im Gespräch mit dem NDR Niedersachsen vor allem die geplante Rückkehroffensive: "Wir befürchten, dass noch mehr Menschen, die in Lohn und Brot stehen, abgeschoben werden." Es drohe eine unverhältnismäßige Abschiebewelle, "in dem Wahn zu demonstrieren, dass der Staat handlungsfähig ist". Nicht der einzige Kritikpunkt: Auch das geplante Ende des Familiennachzugs wirke sich auf die Menschen in Niedersachsen aus. Es schade der Integration der bereits anerkannten Menschen, ist Öztürkyilmaz überzeugt. Darüber hinaus planen Union und SPD, die Migration aus dem Westbalkan nach Deutschland zu reduzieren. Statt 50.000 Menschen sollen nur noch 25.000 Menschen pro Jahr kommen dürfen. Öztürkyilmaz ist überzeugt: Diese Menschen werden auf dem niedersächsischen Arbeitsmarkt fehlen.
Aus Sicht des niedersächsischen Sozialverbandes Deutschland (SoVD) wurden bei der Rente gute Kompromisse gefunden. Wichtig sei, dass nun auch neue Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Eine Sprecherin sagt aber auch: "Wir hätten uns mehr Mut gewünscht." Nach Auffassung des SoVD brauche es dringend niedrigere Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung. Ein stabilerer Beitrag sei im Koalitionsvertrag lediglich eine Absichtserklärung. Mit Blick auf die angekündigte Pflegereform sagt die Sprecherin: "Es werden keine inhaltlichen Zusagen getroffen." Grundsätzlich ist der SoVD überzeugt: "Im Hinblick auf eine solide Finanzierung des Sozialstaats zeigen sich Lichtblicke, aber auch einige Schattenseiten." Greta Garlichs, Landesvorsitzende der Grünen, sagt: "Es fehlt an einer sozialdemokratischen Handschrift."
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen | Hallo Niedersachsen | 10.04.2025 | 19:30 Uhr