Hessen Suche nach Physiotherapeuten in Hessen: Wie sich der Fachkräftemangel auswirkt
Peter Wörmann sucht schon lange Physiotherapeuten für seine Praxis in Hanau. Es lassen sich aber hierzulande keine finden. Fachkräfte aus dem Ausland zu engagieren, ist für ihn die einzige Lösung. Doch es gibt bürokratische Hürden.
Peter Wörmann sitzt am Schreibtisch in seiner Praxis für Physiotherapie in Hanau und schaut sich den Kalender voller Termine an, als das Telefon klingelt. "Es tut mir leid, aber wir nehmen keine neuen Patientinnen und Patienten auf, da wir ein akutes und chronisches Fachkräfteproblem haben", antwortet er dem Anrufer, der sich in seiner Praxis behandeln lassen möchte.
Seit mehr als 30 Jahren betreibt Wörmann das PhysioLymph Centrum Main-Kinzig in Hanau. In den letzten Jahren musste er immer wieder Patienten abweisen, weil seiner Praxis Mitarbeiter fehlen. Vergeblich versuchte er, Fachkräfte zu finden. "Ich habe alles Mögliche gemacht: Anzeigen geschaltet, Plakate aufgehängt, Flyer verteilt, Magnete mit Werbung an Autos geheftet. Es hat aber nicht geklappt", erzählt Wörmann.
330 offene Stellen in der Physiotherapie in Hessen
So wie beim PhysioLymph Centrum Main-Kinzig herrscht auch bei vielen anderen Physiotherapiepraxen in Hessen ein großer Fachkräftemangel, sagt Yvonne Massuger vom Verband Physio Deutschland, der auch für Hessen zuständig ist. "Wir haben zum Teil keine Menschen, die in diesen Beruf einsteigen wollen, die sich ausbilden lassen möchten", sagt sie.
Die ältere Generation geht laut Massuger allmählich in den Ruhestand. "Ein weiteres Problem ist, dass viele Physiotherapeuten aufgrund hoher Arbeitsbelastung frühzeitig aus dem Beruf ausscheiden", so Massuger.
Laut der Bundesagentur für Arbeit waren im Oktober dieses Jahr 330 Stellen im Bereich Physiotherapie in Hessen offen – 50 Stellen mehr als im gleichen Monat 2023. Außerdem zeigt eine neue Studie, dass Fachkräfte insbesondere im Gesundheitswesen fehlen, vor allem aber Physiotherapeuten.
Davon war auch Peter Wörmanns Praxis betroffen. Deshalb entschied er sich, Fachkräfte aus dem Ausland für seine Praxis zu gewinnen. Allerdings verlaufen die Verfahren dazu nicht ganz reibungslos.
Yvonne Massuger - Vorständin von Physio Deutschland
Bürokratische Hürden für ausländische Fachkräfte
Über Bekannte kam Peter Wörmann Ende 2022 auf Nour Thomas, eine studierte Physio- und Lymphtherapeutin aus Ägypten. Die 27-Jährige hatte damals einen Job als Physiotherapeutin in ihrer Heimat. Sie besuchte als Kind in der ägyptischen Hauptstadt Kairo deutsche Schulen und konnte bereits Deutsch.
"Trotzdem musste ich eine Bescheinigung von meinen Schulen holen, dass meine Deutschkenntnisse dem Niveau B2 entsprechen", erzählt Nour. Außerdem seien die Schritte bis zur Visumerteilung zu kompliziert gewesen: von der Übersetzung der Abschlusszeugnisse über deren Beglaubigung und Zusendung bis hin zur Terminbuchung bei der deutschen Botschaft in Kairo. "Das hat viel Zeit und Nerven gekostet", so Nour Thomas.
Damit sie schneller nach Deutschland einreisen konnte, entschied sich Peter Wörmann zum sogenannten "beschleunigten Verfahren" bei der Ausländerbehörde in Hanau.
Beschleunigtes Verfahren für 411 Euro
Trotz des beschleunigten Verfahrens dauerte es bei Nour Thomas mehrere Monate, bis ihr das Visum erteilt wurde. Das beschleunigte Verfahren kostet laut der Ausländerbehörde in Hanau 411 Euro und verkürzt die Bearbeitungszeiten.
"Die Unterschiede zum regulären Verfahren liegen in der Zentralisierung, in verkürzten Bearbeitungszeiten sowie in der Entscheidung über den Antrag durch die Ausländerbehörde innerhalb von drei Wochen nach Einreichung aller Unterlagen", erklärte Stadträtin Isabelle Hemsley. Sie ist die zuständige Dezernentin für die Ausländerbehörde in Hanau.
Nachdem die 27-Jährige ihr Visum erhalten hatte und in Deutschland angekommen war, musste sie eine Prüfung an der Fachschule für Physiotherapie in Darmstadt ablegen, um in Hessen als Physiotherapeutin arbeiten zu können. "Obwohl ich die Prüfung bestanden habe, hat es etwa sechs Wochen gedauert, bis ich die Urkunde erhalten habe", erzählt die ägyptische Physiotherapeutin. In dieser Zeit musste sie jedoch ihr Leben in Deutschland finanzieren. "Ich habe mich da hilflos gefühlt."
Ausländische Fachkräfte sind eine "Zwischenlösung"
Mittlerweile arbeitet Nour Thomas seit knapp sieben Monaten im PhysioLymph Centrum Main-Kinzig. Der Praxisinhaber Wörmann ist gerade dabei, einen weiteren Mitarbeiter aus Vietnam in seine Praxis zu holen. Dem erwarteten Mitarbeiter fehlt allerdings die sprachliche Voraussetzung, nämlich das B2-Niveau in Deutsch.
Teilweise hat ihm Wörmann die Sprachkurse finanziert. "Klar gehe ich ein Risiko ein. Aber ich sehe keine andere Möglichkeit, in Deutschland Physiotherapeuten zu finden, weil es auch keine gibt", so Wörmann.
Physiotherapeuten aus dem Ausland zu holen, um den Fachkräftemangel in diesem Bereich zu bewältigen, hält Yvonne Massuger von Physio Deutschland aber für eine Zwischenlösung.
"Wir müssen weg von diesen alten Strukturen, die wir jetzt haben. Ausländische Physiotherapeuten können sehr gut kurzfristig unterstützen, wenn das Prozedere aber auch schneller und weniger bürokratisch verlaufen würde." Es seien aber weitere Schritte notwendig, etwa die Akademisierung des Berufs, so Massuger.