Hessen Welt-Aids-Tag: Kein Schreckgespenst mehr, aber viel Unwissen
Rund 9.000 Menschen in Hessen leben mit HIV. Anders als in den 1980er und 90er Jahren ist das Virus kein Schreckgespenst mehr. Es gibt inzwischen sogar Tabletten zur Vorsorge für Menschen, die einem erhöhten HIV-Risiko ausgesetzt sind. Fragen und Antworten zum Welt-Aids-Tag.
Ein Tisch voller bunter Flyer im Büro der Aids-Hilfe Frankfurt: Jermaine Antoni packt Postkarten, Infobroschüren und Kondome in eine Tasche – die Ausstattung für eine Präventionsaktion. Mit einer schwarzweißen Baseballjacke mit dem Logo des Präventionsteams gekleidet, klären Antoni und die anderen "Love Rebels" über HIV und Aids auf – auf Partys und in Bars.
"Wir bekommen oft Fragen gestellt wie: Kann ich mit einem Menschen, der HIV hat, in einem Haushalt leben, aus einem Glas trinken oder die gleiche Toilette nutzen?", sagt Antoni. "Das sind Fragen, bei denen wir glücklicherweise Entwarnung geben können." Durch eine Therapie führe eine Infektion mit HIV auch nicht mehr zu der Krankheit Aids. Doch noch immer ist das vielen Menschen nicht bewusst. Hier geht es zu unseren Fragen und Antworten.
Wie viele Menschen in Hessen leben mit HIV?
Das Robert-Koch-Institut (RKI) schätzt, dass – Stand Ende 2023 – rund 9.000 Menschen in Hessen mit HIV leben, etwa 8.400 von ihnen mit einer Diagnose.
2023 wurden laut RKI in Hessen 193 Neudiagnosen mit dem Immunschwäche-Virus gestellt, fast ein Viertel davon in Frankfurt. Weil viele Menschen lange nicht wissen, dass sie sich angesteckt haben, ist die Zahl der Neudiagnosen nicht gleich der Zahl der Neuinfektionen. Die Neuinfektionen werden daher vom RKI geschätzt.
Das HI-Virus wird vor allem beim Geschlechtsverkehr übertragen, aber auch über Spritzen beim Drogenkonsum.
Wie kann man sich vor einer Infektion schützen?
"Wir haben bei der Aidshilfe ein Konzept, das nennt sich 'Safer Sex 3.0', weil es sich auf drei Säulen stützt", erklärt Jermaine Antoni. Das sei erstens der Schutz durch ein Kondom beim Vaginal- oder Analsex. Beim Oralverkehr gibt es laut Aidshilfe praktisch kein HIV-Risiko. Zweitens verhindere eine HIV-Therapie, dass HIV-positive Menschen das Virus beim Geschlechtsverkehr auf den Partner oder die Partnerin oder bei einer Geburt auf das Kind übertragen.
Wer ein hohes HIV-Risiko hat, kann die dritte Safer-Sex-Methode "PrEP" nutzen. Das steht für Prä-Expositions-Prophylaxe und heißt, dass Menschen, die keine HIV-Infektion haben, ein Medikament aus der HIV-Therapie einnnehmen, um sich vor einer Ansteckung zu schützen.
Markus Bickel ist Arzt am Infektiologikum in Frankfurt und berät Menschen zur Vorsorge mit "PrEP". "Das ist eine Tablette, die einmal am Tag eingenommen wird. Sie kann verordnet werden für Menschen, die häufig wechselnde Sexualpartner haben oder wenn jemand früher schon einmal eine Geschlechtskrankheit hatte", sagt er.
Die Prophylaxe wird seit 2017 verschrieben, seit 2019 übernehmen die Krankenkassen für Risiko-Patientinnen und -Patienten die Kosten für das Medikament. Deutschlandweit nutzen dem RKI zufolge etwa 40.000 Menschen diese Art des Schutzes vor einer HIV-Infektion.
Markus Bickel ist Arzt am Infektiologikum Frankfurt und behandelt Menschen mit Infektionskrankheiten.
Wie effektiv schützt die Einnahme von "PrEP"-Medikamenten vor einer HIV-Infektion?
"PrEP" schütze "extrem effektiv" vor einer HIV-Infektion, sagt Arzt Markus Bickel. Einzelne Fälle, in denen es trotz der Einnahme zu einer Infektion kommt, seien dadurch begründet, dass das Medikament nicht regelmäßig eingenommen wurde. "Ansonsten ist der Schutz fast hundertprozentig."
Wichtig ist allerdings: Vor anderen Geschlechtskrankheiten schützt "PrEP" nicht. "Deswegen weisen wir auch weiterhin auf Safer Sex und die Benutzung von Kondomen hin", so Bickel.
"PrEP" ist ein Medikament aus der HIV-Therapie.
Wie ist die Versorgung in Bezug auf HIV in Hessen?
Die Aidshilfe Hessen fordert in den ländlichen Regionen ein stärkeres Bewusstsein und eine bessere Aufklärung für die Themen HIV und Aids.
Das Angebot an anonymen, niedrigschwelligen Testangeboten sei nicht groß genug. Und da, wo Testangebote bestehen, seien sie oft ausgebucht. Die Aidshilfe fordert außerdem mobile Testangebote.
In Bezug auf die "PrEP", dem Medikament zum Schutz vor einer HIV-Infektion, brauche es mehr beratende Ärztinnen und Ärzte, so die Aidshilfe. "In den großen Ballungszentren ist die Versorgungslage, denke ich, ausreichend gut", sagt Markus Bickel vom Infektiologikum in Frankfurt.
Auf dem Land sieht es anders aus. "Wir haben einen sehr großen Einzugsbereich. Die Menschen nehmen zum Teil 80, 100 oder 150 Kilometer Anfahrtsweg in Kauf, um diese Prophylaxe für sich wahrnehmen zu können."
Welche Anlaufstellen gibt es?
Aids-Beratung wird in Hessen von Gesundheitsämtern und freien Trägern wie den hessischen Aidshilfen oder der Aids-Aufklärung Frankfurt angeboten. Die Beratung ist vertraulich, anonym und kostenlos. Themen der Beratung können zum Beispiel der HIV-Test, Infektionsrisiken, Infektionsschutz und Infektionsängste sein.
Die Aidshilfe bietet neben Gesprächen bei den örtlichen Beratungsstellen auch eine anonyme Telefonberatung und eine Online-Beratung an.
Beim Verdacht einer HIV-Infektion gibt es die Möglichkeit einen Labortest zu machen oder einen Selbsttest. Der kann eine Infektion allerdings erst zwölf Wochen nach dem Risiko-Kontakt sicher ausschließen.