Briefkopf mit den Zeilen: An die Delegierten der Homburger Turngemeinde 1846, Niederstedter Weg 2, 61348 Bad Homburg

Hessen Homburger Turngemeinde: Rauswurf von Geschäftsführer nach Bereicherungsvorwürfen

Stand: 20.11.2024 22:12 Uhr

Reisen ins Ausland mit der Partnerin auf Kosten des Vereins, Schummeleien bei Baukosten, Fördermittel und Kurzarbeitergeld: Gegen den entlassenen Chef der Homburger Turngemeinde türmen sich die Vorwürfe. Heikel könnte das auch für den Oberbürgermeister der Kurstadt werden.

Von Volker Siefert

Anfang Oktober stellte der ehrenamtliche Aufsichtsrat der Homburger Turngemeinde (HTG) dem Geschäftsführer des Vereins den Stuhl vor die Tür. Mit über 5.000 Mitgliedern gehört die HTG zu den größten Sportvereinen Hessens. Die Gründe für den Rauswurf lagen bislang im Dunkeln.

In einem "vertraulichen Sachstandsbericht" einer auf Compliance spezialisierten Anwaltskanzlei, der dem hr vorliegt, wurden die Teilnehmer einer für Freitag angesetzten außerordentlichen Delegiertenversammlung erstmals informiert. Demnach soll es unter der Führung des Managers zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein.

Umstrittene Reisekosten

Der geschasste Geschäftsführer soll mehrfach private Reisen für sich und seine Partnerin auf Kosten des Vereins abgerechnet haben. Anlass der Reisen waren Judosportevents unter anderem in Glasgow, Marrakesch, Abu Dhabi und Sarajevo, an denen er selbst als Wettkämpfer teilgenommen haben soll. Begleitet wurde er dabei nicht nur von seiner Partnerin, sondern auch von Freunden und Bekannten.

"Einige seiner Mitreisenden leisteten im Anschluss an die Reisen zwar Zahlungen an den Verein, diese jedoch deklariert als Spenden an den Verein", heißt es in dem Bericht. Der Geschäftsführer soll demnach dafür gesorgt haben, dass sie Spendenbescheinigungen von insgesamt rund 16.000 Euro von der HTG ausgestellt bekamen.

Dies könne für den Verein und die Reiseteilnehmer "erhebliche steuerliche und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen", heißt es in der Begründung der Kündigung des Geschäftsführers, die dem hr vorliegt. Von Steuerrückforderungen bis hin zum möglichen Verlust der Gemeinnützigkeit ist die Rede.

Womöglich ungerechtfertigtes Kurzarbeitergeld

Dem Kündigungsschreiben zufolge soll der Mann zwischen März 2020 und März 2021 - also in der Corona-Zeit - mit Unterbrechungen für mehrere Mitarbeiter "unter Angabe von falschen Tatsachen gegenüber der Agentur für Arbeit" die Auszahlung von Kurzarbeitergeld beantragt haben. Die in den Anträgen angegebenen Ausfallstunden seien jedoch nicht angefallen, die Mitarbeiter der Geschäftsstelle und Übungsleiter hätten voll gearbeitet.

Der ehemalige Geschäftsführer soll überdies die Beschäftigten angewiesen haben, falsche Angaben über ihre Arbeitszeiten zu machen. Eine Mitarbeiterin, die sich dagegen gewehrt hat, fühlte sich offenbar von ihm unter Druck gesetzt.

"Mit Androhung von Kündigung bei Nichtunterschreiben habe ich mich hierzu genötigt gesehen", heißt es in ihrer Stellungnahme, die dem hr vorliegt. Ihre Einwände habe der Geschäftsführer mit dem Argument abgetan, sie seien "lächerlich, keiner würde es rausbekommen, und das Geld würde dem Verein zustehen".

Laut dem Bericht für die außerordentliche Delegiertenversammlung ist davon auszugehen, dass dem Verein allein dafür Rückforderungsansprüche in fünfstelliger Höhe drohen.

Trainerstunden sollen falsch abgerechnet worden sein

Als ein weiterer Grund für seinen Rauswurf wird dem Ex-Manager vorgehalten, dass er im Jahr 2023 in zahlreichen Fällen falsche Angaben gegenüber der Stadt Bad Homburg und mittelbar gegenüber dem Landessportbund Hessen gemacht haben soll, "um unrechtmäßig Fördergelder für den Verein zu erlangen".

Demnach soll er Anträge auf Zuschüsse für die Beschäftigung von lizensierten und nicht lizensierten Übungsleitern gestellt haben. Laut dem Bericht soll es um über 1.000 falsch abgerechnete Übungsleiterstunden gehen, wobei nicht alle Fälle untersucht worden seien.

"Dem Verein drohen die Rückforderung erhaltener Leistungen und ein Ausschluss von künftigen Förderungen", steht in dem Resümee. Pikant an dieser Stelle ist, dass Bad Homburgs Oberbürgermeister Alexander Hetjes (CDU) im Aufsichtsrat der HTG sitzt, also die Stadt vertritt, die möglicherweise direkt durch den Geschäftsführer geschädigt wurde.

Vorwurf wegen Abrechnung von Bauaufträgen

Außerdem soll der Geschäftsführer dafür gesorgt haben, dass er selbst von Bauaufträgen des Vereins profitierte. Laut dem Bericht soll es um 115.027 Euro gehen, die er zu seinem persönlichen Vorteil abgerechnet haben soll. Dabei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Untersuchung nicht alle Bauaufträge umfasst. Der Schaden für den Verein kann also noch höher sein. Der Geschäftsführer soll Baufirmen und einem Architekten Leistungen in Rechnung gestellt haben, die er über den Verein längst bezahlt hatte.

Der hr hat den früheren HTG-Geschäftsführer Ende vergangener Woche mit den Vorwürfen konfrontiert. Bislang hat er nicht reagiert.

Einem Bericht der Taunus-Zeitung zufolge hat der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Klaus-Dieter Matschke, am Dienstag Strafanzeige wegen Betrugs gegen den entlassenen Geschäftsführer erstattet. Noch am Montag sagte Matschke dem hr, dass keine Strafanzeige erstattet worden sei.

Oberbürgermeister ist verpflichtet Straftaten zur Anzeige zu bringen

Dies könnte vor allem mit Blick auf Oberbürgermeister und Aufsichtsratsmitglied Hetjes brisant sein. Als Amtsträger ist er gesetzlich verpflichtet, mögliche Straftaten, von denen er Kenntnis bekommt, zur Anzeige zu bringen. "Da es sich bei einem Aufsichtsrat um ein nicht öffentliches Gremium handelt, sieht sich Herr Oberbürgermeister Hetjes allein schon aus rechtlichen Gründen außer Stande, auf Ihre Anfrage zu antworten", sagte ein Sprecher der Stadt dem hr am Mittwochabend.

Die HTG verlor indes nicht nur ihren Geschäftsführer, sondern auch ihren Präsidenten. Denn der Verein besitzt eine in der hessischen Vereinslandschaft wohl einmalige Satzung. Danach ist der hauptamtliche Geschäftsführer in Personalunion auch der gewählte Präsident des Vereins.

Üblicherweise sind diese beiden Funktionen getrennt, damit der den Mitgliedern rechenschaftspflichtige Präsident den festangestellten Manager überwachen kann. Dies dürfte auf der Delegiertenversammlung für reichlich Gesprächsstoff sorgen. Dort soll ein neuer Präsident gewählt werden, damit der Verein wieder handlungsfähig wird.