
Hamburg Niedersachsen Nach Schiffskollision in der Nordsee: Kapitän festgenommen
Nach der Schiffskollision in der Nordsee hat die britische Polizei den Kapitän des Frachters "Solong" festgenommen. Der Vorwurf: Verdacht auf fahrlässige Tötung. Das Schiff gehört der Hamburger Reederei Ernst Russ und hatte am Montag vor der Küste von Hull einen Tanker mit Flugzeugtreibstoff gerammt.
Die britischen Behörden teilten am Dienstag mit, dass die Polizei Ermittlungen eingeleitet und einen Mann festgenommen habe. Bei dem 59-Jährigen handelt es sich um den Kapitän des Frachters aus Hamburg. Das hat die Reederei nach Angaben der BBC bestätigt. Wie mehrere Medien am Mittwoch berichteten, ist der Kapitän des Frachters russischer Staatsbürger. Die weiteren Besatzungsmitglieder stammen demnach aus Russland und von den Philippinen.
Gegen den Mann wird wegen des Verdachts der grob fahrlässigen Tötung im Zusammenhang mit der Kollision ermittelt. "Es wurden bereits umfangreiche Maßnahmen durchgeführt. Wir arbeiten eng mit unseren Partnern zusammen, um zu verstehen, was passiert ist, und um allen Betroffenen Unterstützung zu bieten", hieß es in einer Mitteilung.
"Solong" und "Stena Immaculate" brennen über Stunden
Der Tanker "Stena Immaculate" hatte am Montagmorgen nahe der Hafenstadt Hull vor Anker gelegen, als er von der unter portugiesischer Flagge fahrenden "Solong" aus bislang ungeklärter Ursache gerammt wurde. Ein Sprecher des britischen Premierministers Keir Starmer erklärte, derzeit gebe es keine Hinweise, dass das Unglück böswillig herbeigeführt worden sei. Beide Schiffe brannten über Stunden, es gab große Explosionen. Die "Solong" konnte sich aus eigener Kraft vom Unglücksort entfernen.

Ein riesiges Loch klafft in der Backbord-Seite des Öltankers "Stena Immaculate".
Auf Luftbildern vom Tanker waren - anders als auf der "Solong" - am Dienstag keine Flammen und kein Rauch mehr zu sehen. Auf der Backbord-Seite des stark verbrannten Rumpfs klafft jedoch ein großes Loch, wo das Containerschiff die "Stena Immaculate" gerammt hatte.
Bergungsarbeiten laufen an, Frachter brennt weiter
Mit der Bergung des Tankers wurde das niederländische Bergungsunternehmen Boskalis beauftragt. Die "Solong" war aus eigener Kraft freigekommen und kann laut britischem Verkehrsministerium vertäut und von der Küste weggeschleppt werden. Obwohl der Frachter weiterhin brenne, sei ein Schlepptau angebracht worden. Bergungsarbeiten könnten aufgenommen werden

Auf der "Solong" sind weiterhin Flammen zu sehen.
Britische Regierung: Vermisster Seemann wohl tot
36 Besatzungsmitglieder beider Schiffe waren sicher an Land gebracht worden, ein Mensch wurde medizinisch behandelt. Die Suche nach einem vermissten Crewmitglied der "Solong" wurde in der Nacht zu Dienstag eingestellt. Die britische Regierung geht vom Tod des Vermissten aus. Die Angehörigen des Mannes seien informiert worden.
Britischen Medienberichten zufolge gab es zuletzt Beanstandungen an dem verunglückten Frachter. Demnach stellten Behörden bei einer Inspektion im vergangenen Sommer Mängel fest, die das Schiff allerdings nicht an der Weiterfahrt hinderten. Die Reederei Ernst Russ erklärte, die Mängel seien umgehend behoben worden.
Unterstützung aus Niedersachsen
Am Dienstag war das deutsche Mehrzweckschiff "Mellum" an der Unfallstelle eingetroffen. Es sei unter anderem mit Technik zur Brandbekämpfung sowie zur Aufnahme von Öl ausgerüstet. Rund 20 Menschen seien an Bord, hieß es vom Havariekommando in Cuxhaven, darunter auch ein Fachberater der Feuerwehr Bremerhaven.

Die "Mellum" ist so ausgestattet, dass sie Brände bekämpfen und Öl aufnehmen kann.
Zudem wurde ein Flugzeug vom Typ DO 228 entsandt, das in Nordholz stationiert ist. Die Bundeswehr bezeichnet es als "Öljäger", weil es mit leistungsstarken Kameras und Sensoren dabei helfen könne, Schadstoffe im Wasser zu finden.
Kerosin an Bord
Nach Angaben des US-Schifffahrtsunternehmens Crowley waren 220.000 Barrel (knapp 35 Millionen Liter) Kerosin an Bord der "Stena Immaculate". Der Treibstoff war demnach auf 16 Tanks verteilt, von denen mindestens einer bei dem Zusammenstoß beschädigt wurde.
Noch ist unklar, wie viel Treibstoff ins Meer gelangt sein könnte. Crowley teilte mit, eine erste Überprüfung habe ergeben, dass das Kerosin wegen der Brände verdampft sei. Ein Sprecher der britischen Küstenwache sagte, die Bedrohung durch die gefährliche Ladung sei inzwischen erheblich reduziert. Es würden aber weiterhin Vorbereitungen für eine mögliche Verschmutzung getroffen.
Befürchtet worden war, dass Schiffsdiesel austreten könnte, sollte das Schiff sinken oder auf Grund laufen. Dieses Risiko sei nun reduziert worden, hieß es in der Mitteilung des Verkehrsministeriums. Zuvor war berichtet worden, dass die "Solong" Container mit giftigem Natriumcyanid geladen haben soll. Die Hamburger Reederei stellte in einer Mitteilung klar, dass dies nicht stimme. In vier aktuell leeren Containern sei zuvor Natriumcyanid transportiert worden.
Umweltschützer "extrem besorgt"
Auch wenn bislang noch vieles unklar ist, ist die Sorge vor einer Umweltkatastrophe groß. Greenpeace-Wissenschaftler Paul Johnston sagte: "Das Schweröl, mit dem Schiffe betrieben werden, ist das große Problem. Wenn das an Land kommt, wird es Strände verschmutzen und schwer zu beseitigen sein."
Delfine und Schweinswale seien in der Region unterwegs und zahlreiche Vögel, erklärte auch Tammy Smalley von der Tierschutzorganisation Wildlife Trust. Und südlich der Unfallstelle befinde sich ein einzigartiger Tunnel auf dem Seeboden, wo zahlreiche Meerestiere leben und viele Fische. Das Gebiet ziehe viele Meeresvögel an - deshalb sei man sehr besorgt.
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NDR Info | Aktuell | 12.03.2025 | 00:00 Uhr