Symbolbild: Ein Wahlleiter zeigt eine leere Wahlurne. (Quelle: dpa/Frank Hammerschmidt)

Brandenburg Berlin Was für die Vorbereitung einer Bundestags-Neuwahl nötig ist

Stand: 13.11.2024 16:02 Uhr

Ende Februar wird es nun wohl Neuwahlen geben. Ein Kompromiss, auch im Sinne der Wahlleiterinnen und Wahlleiter, die noch einiges zu tun haben, um eine pannenfreie Wahl zu garantieren. Welche Hürden gibt es und was wird schon vorbereitet?

Was bereiten die Wahlämter nun vor?

Auch ohne einen konkreten Termin zu kennen, mussten die Bezirkswahlleiter nach dem Ende der Ampel-Koalition bereits Orte und Personal für die Wahl suchen. Potenzielle und ehemalige Wahllokale anfragen, das gesammelte Adressbuch von Wahlhelferinnen und Wahlhelfern anschreiben und auf potenzielle Verfügbarkeiten abprüfen. Für Berlin werden beispielsweise rund 30.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer gesucht, für Brandenburg über 27.000.
 
Für die Wahllokale und Wahlhelferinnen und -helfer wäre ein bald feststehender Wahltermin von Vorteil. Denn ohne Datum ließen sich sowohl Räume als auch Personal nicht fest buchen.
 
Auch Gremien müssen gebildet werden, beispielsweise Wahlvorstände. Der Bezirkswahlleiter von Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg, Rolfdieter Bohm, sagte dem rbb, er habe in seinem Bezirk bereits die Parteien angeschrieben, dass sie bis Ende nächster Woche die Beisitzer für das Gremium vorschlagen. Anfang Dezember wolle er erstmals einladen. Immerhin - das sei positiv im Vergleich zu vorherigen Wahlen - gebe es inzwischen in Berlin ein ständiges Wahlamt. Die Kolleginnen und Kollegen dort hätten ihre Arbeit schon "auf 150 Prozent hochgefahren", so Bohm.

Bundeswahlleiterin Ruth Brand. (Quelle: dpa/Thomas Trutschel)
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Was müssen die Parteien bis zur Wahl erledigen?

Bevor Stimmzettel gedruckt werden können, müssen die Parteien Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen - sowohl im Wahlkreis als auch für die Landeslisten (Zweitstimmen). Dafür brauchen aber auch die meisten Parteien einen gewissen Vorlauf, weil sie sich an ihre Satzungen halten müssen, also mitunter Versammlungen oder Videokonferenzen ansetzen und dafür einladen, Personalvorschläge sammeln. Es gibt Vorgaben und vor der Wahl muss geprüft werden, ob die eingehalten wurden. Dann werden die Wahllisten vom Kreis- und Landeswahlausschuss zugelassen.
 
Parteien, die noch nicht im Bundestag oder einem Landtag sitzen, müssen zudem Unterstützungsunterschriften für ihre Wahlvorschläge gewinnen - auch die müssen anschließend vom Wahlamt geprüft werden. All diese Schritte waren beispielsweise bei der Wiederholungswahl in Berlin nicht notwendig, weil hier die Listen der für ungültig erklärten Wahl erneut verwendet wurden.
 
Normalerweise würden die Parteien etwa ein halbes bis dreiviertel Jahr vor der Wahl mit diesem Prozess anfangen, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirkswahlleiter Rolfdieter Bohm. Drei Monate vor der Wahl würden die Listen dann zur Prüfung vorgelegt. Eine Beschleunigung dieses Prozesses ist möglich, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) muss dafür formell bestimmte Fristen verkürzen. Das bedeute allerdings eine zusätzliche Belastung für die Wahlämter, denn die Prüfung der Listen muss dennoch rechtzeitig erfolgen, so Bohm.

So funktioniert die Vertrauensfrage


Welche Vorgaben mussten bei der Terminsuche beachtet werden?

Nach Beratungen haben sich die Fraktionen von CDU und SPD offenbar auf den Wunsch nach einem Wahltermin am 23. Februar geeinigt.
 
Einige gesetzliche Fristen geben den Rahmen bei der Suche nach einem Neuwahl-Termin: Stellt der Bundeskanzler die Vertrauensfrage und bekommt keine Zustimmung, kann er dem Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestags vorschlagen. Der hat anschließend 21 Tage Zeit, das zu tun. Frank-Walter Steinmeier hat allerdings bereits grünes Licht signalisiert, dieser Schritt könnte also schneller gehen. Anschließend müssten innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen durchgeführt werden. Die Fristen müssen allerdings nicht voll ausgeschöpft werden.

Auf welchen Tag die Wahl fallen muss, ist nur durch eine Maßgabe im Bundeswahlgesetz festgelegt: sonntags oder feiertags wird gewählt. Allerdings hatten die Bundesländer und Bundestagsfraktionen bei der Terminsuche für den regulären Wahltermin, im September 2025, auch noch die Ferienzeiten berücksichtigt. Eine Art ungeschriebene Regel.
 
Sich an die zu halten, war im Frühjahr 2025 kaum möglich: Zwischen dem 27. Januar und 21. März hat immer mindestens ein Bundesland am Wochenende Ferien oder Ferienstart beziehungsweise -ende. Der nun favorisierte Wahltermin am 23. Februar liegt mitten in den Winterferien in Sachsen, zudem starten an diesem Wochenende die Ferien im Saarland. In den übrigen Bundesländern sind zu dieser Zeit aber keine Ferien.
 
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird die Vertrauensfrage also frühestens Anfang Dezember stellen, stellt er sie beispielsweise am 2. Dezember, würden bis zum 23. Februar alle Fristen maximal ausgereizt. Er kann sich aber auch noch etwas länger Zeit lassen, im Gespräch ist dem Vernehmen nach der 16. Dezember. Der neue Termin ist ein Kompromiss: Scholz hatte ursprünglich einen Termin Ende März vorgeschlagen, Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) auf eine Wahl im Januar gedrängt.

Archivbild: Eine Hand steckt am 17.09.2013 einen Stimmzettel für die Bundestagswahl 2013 in einen Stimmzettelumschlag. (Quelle: dpa-Bildfunk/Karl-Josef Hildenbrand)
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Was denken die Verantwortlichen über eine schnelle Neuwahl?

Die Bundeswahlleiterin Ruth Brand formulierte es am drastischsten. Sie warnte in einem Brief an Bundeskanzler Scholz vor "unabwägbaren Risiken" bei einer zu kurzen Frist. Auch der Berliner Landeswahlleiter Stephan Böchler sagte am Freitag in der rbb24 Abendschau, ein Termin im Januar wäre ein "echtes Problem". Er würde den März bevorzugen. Der Bezirkswahlleiter von Friedrichshain-Kreuzberg, Rolfdieter Bohm, sagte dem rbb: "Ab Ende Februar kriegen wir es einigermaßen zuverlässig hin, so, dass das Risiko von Fehlern überschaubar ist." Anfang März wäre seiner Meinung nach allerdings noch besser.
 
Wichtig sei aber vor allem eine schnelle Entscheidung. "Es wäre uns sehr geholfen, wenn wir den Termin wüssten", sagte Bohm. Zumindest einen sehr genauen Zeitraum könne man errechnen, sobald feststünde, wann Kanzler Scholz die Vertrauensfrage stellt. "Dann können wir anfangen, Räume zu buchen und Wahlhelferinnen und -helfern Bescheid geben", so Bohm. Derzeit sei es - insbesondere beim Personal aufgrund der Ferien im Frühjahr teilweise schwierig, feste Zu- oder Absagen zu bekommen.

Wäre eine schnelle Neuwahl tatsächlich am Papier gescheitert?

Wohl eher nicht. Die Bundeswahlleiterin hatte das als ein mögliches Problem bei einer zu schnellen Neuwahl genannt. Die Papierindustrie sagte allerdings, es gebe genug Papier und Druckaufträge könnten ausreichend schnell bearbeitet werden. Allerdings mit dem Zusatz: "bei rechtzeitiger Bestellung".
 
Der Berliner Bezirkswahlleiter Bohm sagte dem rbb, er glaube zwar nicht, dass es am Papier scheitern würde, aber "was passieren kann, wenn wichtige Güter knapp werden, haben wir ja während Corona gesehen. Das sind Sachen - wenn die sich mit einer oder zwei Wochen mehr Frist vermeiden lassen - bei denen würde ich sagen: Die vermeide ich", so Bohm. Zudem würden Papier oder Druck bei einem engen Zeitplan gegebenenfalls teurer.

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Welchen politischen Nachteil hätte eine späte Neuwahl Ende März gehabt?

Da die CDU um Fraktionschef Merz bereits verlauten lassen hat, dass sie es auf schnelle Neuwahlen anlegt, könnte die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen kaum noch gestalten. Sie ist auf Zustimmung aus der Opposition angewiesen, die sie höchstwahrscheinlich nicht bekommen wird. Die Regierung wäre gelähmt.
 
Das kann zum einen Auswirkungen in der Außenpolitik haben - wer nimmt Kanzler und Außenministerin noch ernst, die keine Mehrheit mehr im eigenen Parlament haben - als auch im Inneren. So ist es wahrscheinlich, dass kein Haushalt für 2025 verabschiedet wird.
 
Geschieht das nicht mehr rechtzeitig in diesem Jahr, gibt es eine "vorläufige Haushaltsführung". Bei der dürfte die Regierung nur noch gesetzlich verpflichtende Ausgaben tätigen - also um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten, Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen oder solche, die bereits im laufenden Haushalt für den kommenden eingestellt wurden (beispielsweise bei Bauprojekten).

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Gibt es Neuerungen im Vergleich zur letzten Bundestagswahl?

Ja, denn künftig soll der Bundestag kleiner werden: Maximal 630 Sitze wird der neue Bundestag haben. Das geht aus einer teilweisen Reform des Wahlrechts hervor. Derzeit hat der Bundestag aufgrund von dem Zusammenspiel aus Erst- und Zweitstimmen sowie Direkt- und Listenmandaten über 730 Sitze. Bislang war es so: Erhielt eine Partei über Direktmandate mehr Sitze, als ihr nach Zweitstimmen eigentlich zustünden, wuchs der Bundestag - und zwar gleich erheblich, weil die anderen Parteien als Ausgleich ebenfalls zusätzliche Sitze bekamen, um die Verhältnisse beizubehalten.
 
Nach der Reform soll es bei der nächsten Wahl keine sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben. Trotzdem können auch Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, in den Bundestag einziehen [tagesschau.de]. Nämlich dann, wenn sie mindestens drei Direktmandate erringen. Die Zahl ihrer Sitze im Parlament richtet sich dann nach dem Zweitstimmenergebnis.

Findet die Bundestagswahl jetzt immer im Winter statt?

Die reguläre Wahlperiode des Deutschen Bundestages beträgt nach Artikel 39 des Grundgesetzes [bundestag.de] vier Jahre. Der neu gewählte Bundestag muss demnach spätestens 30 Tage nach der Wahl zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten. Dann beginnt die neue Wahlperiode.
 
Laut Gesetzestext findet die nächste Bundestagswahl dann frühestens 46 und spätestens 48 Monate nach dem Beginn der Wahlperiode statt. Ausgehend von einer konstituierenden Sitzung Ende März 2025 würde der Zeitrahmen für die nächste reguläre Bundestagswahl also zwischen Ende Januar und Ende März 2029 liegen. Auch danach würde es dann, sollten die Wahlperioden nicht wieder verkürzt werden, bei einem Wahltermin am Anfang des Jahres bleiben. Der Termin kann über die Wahlperioden hinweg aber immer später ins Jahr verschoben werden. Seit 1949 wurde meistens im Spätsommer oder Frühherbst gewählt.

Wie oft wurde die Vertrauensfrage schon gestellt?

Fünf Mal wurde von einem Bundeskanzler die Vertrauensfrage gestellt. Gleich zweimal vom SPD-Kanzler Gerhard Schröder: Im November 2001 verknüpfte er die Abstimmung über den umstrittenen Bundeswehreinsatz in Afghanistan mit der Vertrauensfrage. Im Juli 2005 stellte er diese in der Absicht, sie zu verlieren, um damit den Weg zu Neuwahlen freizumachen.
 
Die erste Vertrauensfrage in der bundesdeutschen Geschichte stellte Willy Brandt (SPD) im September 1972. Vorausgegangen war ein Streit um die Ostverträge der Bundesrepublik - Abgeordnete waren von SPD und FDP zur CDU/CSU-Opposition übergelaufen, die Regierung hatte keine Mehrheit für den Haushaltsplan mehr. In der dann folgenden Wahl im November 1972 wurde Brandts SPD/FDP-Koalition aber deutlich bestätigt.
 
Helmut Schmidt stellte im Februar 1982 die Vertrauensfrage nach Diskussionen um die Sozialpolitik und den Nato-Doppelbeschluss. Zwar gewann er diese, die Diskussionen ebbten aber nicht ab. Schließlich verließ die FDP im Herbst 1982 die Koalition und lief zur CDU/CSU über. Das neue Bündnis brachte Kanzler Schmidt dann mit einem konstruktiven Misstrauensvorum zu Fall.
 
Der neue Kanzler Helmut Kohl wollte aber eine eigene Legitimation und stellte im Dezember 1982 die Vetrauensfrage mit der Absicht, sie zu verlieren. Die folgende Bundestagswahl konnte die Union klar für sich entscheiden.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, Parteien könnten ihre Wahlvorschläge auch digital einreichen. Das stimmt nicht. Nach Paragraph 27, Absatz 1, Satz 2 des Bundeswahlgesetzes müssen Landeslisten bei Einreichung persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Die ordnungsgemäß unterzeichneten Landeslisten sind den Landeswahlleitungen im Original vorzulegen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 11.11.2024, 19:30 Uhr
 
 
 
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