Berlin Berlin-Konzert von Max Richter: Fühl, jetzt!
Max Richter ist einer der erfolgreichsten Komponisten der Welt. Am Montag hat der in Deutschland geborene Brite sein neues Album "In A Landscape" im Berliner Admiralspalast vorgestellt, für Jakob Bauer war’s ein bisschen zu zuckrig.
Allüren hat der Mann trotz gigantischer Verkaufszahlen keine. Ohne großes Tam-Tam kommt Max Richter mit seinem Streichquintett auf die Bühne des Admiralspalast, bückt sich und hebt das Mikrofon vom Boden auf. Sympathisch. Mit sanfter Stimme und minimalistischem Inhalt – alles ist sanft und minimalistisch an diesem Abend – sagt Max Richter: "Hallo Berlin, schön, wieder hier zu sein." Und dann erzählt er kurz etwas zu seinem neuen Album "In A Landscape", das die erste Hälfte des Konzerts einnimmt. Wir würden in einer polarisierten Welt leben, formuliert er es, und die Musik auf diesem Album suche nach Harmonien in den Gegensätzen.
Diese "Gegensätze", die Max Richter benennt, sind eigentlich nichts Neues für ihn, sondern bewährtes Richter-Rezept: elektronische Elemente, Natur- und Umgebungsaufnahmen, Komponiertes für Streicher und Klavier. Alles sanft miteinander verwoben, mit dem Ziel, Klangräume zu schaffen, in denen sich Richter-Fans verlieren können und in einen Zwischenzustand hineinschweben. Nicht umsonst trägt das am häufigsten gestreamte Richter-Album (genauer gesagt: das meistgestreamte Klassik-Album der Welt) den Namen "Sleep" – Schlaf.
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Anschwellen, abschwellen, anschwellen, abschw…
Und es würde einen in dieser ersten Konzerthälfte auch wirklich nichts davon abhalten, einzuschlafen. Die Stücke sind alle ähnlich aufgebaut: Max Richter oder eine Person aus dem Streichquartett spielt eine Tonfolge oder einen Akkord, Schicht um Schicht gesellen sich mehr Stimmen dazu. Es schwillt an, aber nie sonderlich stark. Die lang gezogenen, melancholisch-süßlichen Melodiebögen umspielen sich und dann schwillt es wieder ab. Umrahmt sind die Kompositionen von meist elektronischen, dezenten Zwischenspielen.
Die Musik ist zwar konzeptuell minimalistisch angelegt, will aber emotional durchaus einen maximalen Effekt erzielen, sagt: Fühl, jetzt! Es ist ein einziger, sehnsuchtsvoll-seufzender Wohlklang, aus dem nichts ausbricht. Die Streicher klingen immer ähnlich, generell ist der Gesamt-Sound immer ähnlich, über allem liegt ein flächiger Hall. Das kann man kontemplativ wahrnehmen, wenn man in einen emotionalen Strudel gerät, sich da verlieren kann. Aber man kann es auch als ziemlich redundant wahrnehmen. Wie, wenn man das gleiche, auf hochglanzpoliertes Foto eines Sonnenuntergangs immer und immer wieder in den Werbekatalogen sieht: Es verliert an Wirkung.
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Wie hältst du’s mit dem Max?
Aber dann kommt doch noch etwas Bewegung rein. "The Blue Notebooks" heißt das zwanzig Jahre alte Richter-Album, das nach der Pause in Gänze gespielt wird. Eine Rezitatorin schließt sich dem Streichquintett und Max Richter an, sie spricht zur Musik Texte von Franz Kafka. Es gehe um Zweifel auf diesem Album, sagt Max Richter,
Er hat es zur Zeit des Irak-Kriegs geschrieben, aus Protest. Und tatsächlich ist diese Musik jetzt auch mal unruhiger, suchender, es gibt Abwechslung zu den immer ähnlich gestalteten, langen Melodiebögen. Elektronik, Natur-Aufnahmen und Instrumente verschmelzen variantenreich, geben sich die musikalischen Elemente behände weiter, wie es im ersten Teil des Abends nicht hörbar war und vor allem: Es gibt eine Dynamik abseits des An- und Abschwellens.
Am Ende bleibt es aber halt eine Grundsatzfrage: Resoniert dieses Richter-Rezept bei einem oder nicht? Für die einen ist dieser Abend eine meditative Klangerfahrung und tatsächlich schallen Standing Ovations durch den Admiralspalast. Für die anderen ist es dann doch eher ein sehr zuckerwattrig-gedämpftes Konzert-Erlebnis.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.11.2024, 6:50 Uhr