Berlin Analyse zum BerlinTrend: Schwarz-grüne Zukunft mit vielen Fragezeichen
Kai Wegner kann sich mit seiner CDU im neuesten BerlinTrend zwar behaupten, doch ein Weiter-so mit der SPD ist nicht mehr machbar. Die Sozialdemokraten erreichen einen neuen Umfrage-Tiefpunkt – und damit sind sie nicht die einzigen. Von Thorsten Gabriel
"Wenn am Sonntag Abgeordnetenhauswahl wäre …" - ein Satzanfang, der mindestens bei der Berliner SPD den Stoßseufzer auslösen dürfte: "Zum Glück ist dem nicht so." Denn der Blick auf den jüngsten BerlinTrend von infratest dimap im Auftrag von rbb24 Abendschau und rbb 88.8 zeigt: Es steht nicht gut um die Sozialdemokratie in Berlin. Wenn am nächsten Sonntag gewählt werden würde, käme die SPD auf gerade mal noch zwölf Prozent.
Trotz neuen Personals an der Landesparteispitze ist eine Aufbruchstimmung beim besten Willen aus diesen Zahlen nicht herauszulesen. Seit Jahren eilt die SPD in Wahlen und Umfragen von Tiefpunkt zu Tiefpunkt. Und das ausgerechnet in Berlin, der Stadt, in der sie seit 1989 ununterbrochen regiert und über Jahrzehnte aus jeder Wahl als stärkste Kraft hervorging. Doch das ist lange her.
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Rot-Grün-Rot? Das war einmal
Ganz ähnlich hätte dieser Text auch beginnen können beim Blick auf die Berliner Linke: Bei ihr sieht es noch trostloser aus. Mit sechs Prozent bei der Sonntagsfrage schrammt die Partei haarscharf an der Fünf-Prozent-Hürde und damit nahezu an der Bedeutungslosigkeit vorbei. Waren es bei der SPD minus drei Prozentpunkte gegenüber dem BerlinTrend im April, sind es bei der Linken sogar vier Punkte Verlust.
Vom einstigen rot-grün-roten Bündnis, das sieben Jahre lang die Stadt regierte, ist nur noch ein Häufchen Elend übrig geblieben. Doch halt! Da sind ja noch die Grünen. Sie stehen wie festgetackert bei 20 Prozent – was dem linken Bündnis von einst aber auch nicht zur Mehrheit verhilft.
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Ein Zweierbündnis von CDU und Grünen wäre möglich
Für die Grünen ist das keine schlechte Ausgangssituation – allerdings mit einem entscheidenden Haken. Auf der Habenseite kann die Partei verbuchen, dass sie ausweislich der jüngsten Umfragezahlen tatsächlich eine Regierungsoption hat. Denn die CDU liegt – ebenso festgetackert – bei 27 Prozent als stärkste Kraft vorn. Zusammen reicht das für eine komfortable Regierungsmehrheit, sogar als Zweierbündnis.
Hinzu kommt auch, dass die führenden Köpfe von CDU und Grünen seit geraumer Zeit gut miteinander können. Man ist vertrauensvoll per Du seit den Sondierungsgesprächen im Frühjahr 2023. Das alles sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen für gemeinsames Regieren. Doch das Aber ist groß: Inhaltlich haben sich beide Parteien zuletzt eher voneinander entfernt als zusammengefunden.
Inhaltlich liegen Union und Grüne weit auseinander
Die CDU, die zwischendurch mal das Fahrrad als Großstadtverkehrsmittel für sich entdeckt hatte, stellte bei der letzten Wahl dann doch sicherheitshalber die alte Liebe zum Auto wieder nach vorn – und punktete damit beim Wahlvolk. Auch bei der Inneren Sicherheit liegen die Vorstellungen teils weit auseinander. Ein Bündnis zu schmieden, noch dazu unter Führung der CDU, dürfte an der Basis beider Parteien bei einigen Bauchschmerzen auslösen.
Und doch dürfte der Regierende Bürgermeister und CDU-Landeschef Kai Wegner im Fall des Falles genau dies versuchen. Durch die Schwäche der Sozialdemokratie dürfte sein derzeitiges schwarz-rotes Bündnis dann Geschichte sein und die rechnerisch möglichen Alternativen erscheinen kaum verlockend.
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Wegners Alternative: BSW oder Linke dazuholen?
Mehrheiten gäbe es für die CDU noch mit SPD und BSW und auch mit SPD und Linken. Wegner selbst hatte zuletzt kaum einen Hehl daraus gemacht, dass die CDU im Zweifelsfalle lieber mit den Linken als mit dem BSW koalieren solle – aber beides doch nicht ohne Not. Und warum ein Dreierbündnis eingehen, wenn eine Zweier-Ehe möglich wäre, mag sie auch noch so kompliziert werden.
Unterm Strich bleiben aber all diese Gedankenspiele mit Blick auf die nächste Abgeordnetenhauswahl – voraussichtlich 2026 – Kaffeesatzleserei. Denn offen bleibt, in welche Richtung AfD und BSW in Berlin steuern. Die These, Berlin sei eine strukturell linke Stadt mit eher wenig Potenzial für Parteien rechts von der CDU scheint jedenfalls widerlegt.
Wohin steuern AfD und BSW?
Auch wenn es für die AfD in den vergangenen BerlinTrend-Umfragen immer mal auf und ab ging: Sie hat diesmal wieder um drei Prozentpunkte zugelegt und ist seit langem stabil zweistellig, diesmal bei 15 Prozent. Völlig unberechenbar ist zudem das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Der leichte Zugewinn um einen Prozentpunkt auf sieben Prozent lässt noch keine Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung zu. In jedem Fall aber geht von beiden Parteien das Signal an die anderen Parteien aus, dass bis zum Wahltag noch alles offen – und auf einstige Stammwählerinnen und Stammwähler schon lange kein Verlass mehr ist.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.11.2024, 18:00 Uhr