Blick über die Baustelle am Oberbecken des Pumpspeicherkraftwerks Happurg

Bayern Baggern für die Energiewende: Das wird Bayerns größter Akku

Stand: 19.04.2025 08:00 Uhr

Der Pumpspeicher Happurg steht seit Jahren still. Das Becken hat ein Leck. Doch jetzt soll das Kraftwerk zum wichtigsten Energiespeicher Bayerns werden. Womit die Ingenieure kämpfen und welche Rolle dabei die Nazi-Vergangenheit des Orts spielt.

Von Michael Reiner, Julia Demel

Auf der Baustelle nennen sie ihn den "Weißen Riesen": fast 1.000 PS leistet der Mega-Bagger. Wo harter Fels im Weg ist, hilft nur seine brachiale Kraft. Dann kommen seine 128 Tonnen Eigengewicht schon mal ins Wanken. Der "Weiße Reise" baggert für die Energiewende. Oberhalb von Happurg, 30 Kilometer östlich von Nürnberg, entsteht gerade Bayerns wichtigster Energiespeicher. Das Pumpspeicherkraftwerk dort soll wieder in Betrieb gehen, eine der größten Baustellen der Energiewende in Bayern.

Plötzlich war Wasser weg

Das obere Becken des Pumpspeicherkraftwerks liegt auf dem Deckersberg in rund 580 Metern Höhe. Es ist so groß wie 28 Fußballfelder. 50 Jahre lang war es in Betrieb. Seit 2011 ist es leer. Damals war plötzlich eine Million Kubikmeter Wasser verschwunden. Bis heute wurde die undichte Stelle nicht gefunden. Vor einem Jahr entschied der Energiekonzern Uniper, das Werk wieder in Betrieb zu nehmen und dafür rund 250 Millionen Euro zu investieren.

Voraussetzung war, dass das Oberbecken wieder dicht wird. Daran arbeiten Andreas Bauer und sein Team. Er ist Staudamm-Chef bei Uniper. Das Becken wurde Ende der 1950er-Jahre gebaut. "Damals hat man noch viel mit Naturmaterialien zur Abdichtung gearbeitet", sagt er. Doch das hat nicht dauerhaft gehalten. Das poröse Karstgestein mit seinen vielen Rissen machte immer wieder Probleme. Obwohl das gesamte Becken schon einmal in den 1960er-Jahren saniert wurde.

17.000 Löcher sollen für Stabilität sorgen

Künftig sollen eine Kunststofffolie und mehrere Asphaltschichten das Becken abdichten. Zusätzlich werden Glasfaserleitungen verlegt, die Alarm schlagen, wenn Wasser austreten sollte. "Wir wollen ganz auf Nummer sicher gehen", sagt Bauer. Deshalb bohren Spezialmaschinen derzeit rund 17.000 Löcher. Sie sind bis zu zwölf Meter tief und werden mit Kies und Beton aufgefüllt und verdichtet. Diese sogenannten Rüttelstopfsäulen bilden die Basis für das neue Dichtungssystem.

Der Mega-Bagger "Weißer Reise" im Einsatz auf der Baustelle

128 Tonnen Gewicht und fast 1.000 PS. Der "Weiße Reise" ist der größte Bagger des Oberpfälzer Bauunternehmens Josef Rädlinger.

Mechanik fast für die Ewigkeit

Im Maschinenhaus des Kraftwerks, 206 Meter unterhalb des Oberbeckens, wird auch gearbeitet. Die Generatoren und die Elektronik sind veraltet und werden komplett erneuert. Die mechanischen Komponenten jedoch bleiben, sie werden zerlegt und überholt. "Sie sind zwar schon 60 Jahre in Betrieb gewesen. Doch sie können noch weitere 30, 40 Jahre laufen", sagt Bernd Stöcker, Gesamtprojektleiter bei Uniper.

Pumpspeicherkraftwerke sind wichtig für die Energiewende. Sie funktionieren wie ein großer Akku. Scheint die Sonne und weht viel Wind, wird mehr Strom erzeugt, als benötigt. Mit diesem wird dann Wasser vom Unter- ins Oberbecken gepumpt. Wenn Strom gebraucht wird, aber Sonne und Wind fehlen, treibt das Wasser aus dem Oberbecken Turbinen an. Fehlen solche Speicher, müssen Solaranlagen und Windräder regelmäßig vom Netz genommen werden, der Ökostrom ist futsch.

Freizeitparadies bald mit Ebbe und Flut

Das Kraftwerk gehört zu Happurg "wie die Kirche im Dorf", sagt Bürgermeister Bernd Bogner (FWG). Protest gegen das Großprojekt gebe es bei den rund 1.700 Einwohnern kaum. "Es hat Unverständnis geherrscht, dass das Kraftwerk jetzt über zehn Jahre stillgelegen ist", sagt er. In dieser Zeit hat sich der Stausee im Tal zu einem beliebten Freizeitparadies entwickelt. Baden ist zwar gar nicht erlaubt. Aber es wird geduldet. Läuft das Werk wieder, wird der Wasserspiegel um bis zu vier Meter schwanken. Dann gibt es Strömungen und das schlammige Ufer kommt zum Vorschein – mit dem Freizeitvergnügen könnte es schnell vorbei sein.

Im Video: In Happurg im Nürnberger Land entsteht ein riesiger Stromspeicher

BR24 VO Pumpspeicherkraftwerk

KZ-Außenlager ging im Stausee unter

2028 soll das Kraftwerk wieder ans Netz gehen. Davor möchte Architekt und Künstler Ferdinand Rosenbauer ein dunkles Geheimnis aus der Nazi-Vergangenheit ans Licht holen, das unter dem See verborgen liegt. In Happurg mussten Häftlinge des KZ Hersbruck ein unterirdisches Werk für Flugzeugmotoren bauen. Es wurde niemals fertig. Tausende starben. Die Zwangsarbeiter lebten in Baracken, die untergingen, als das Tal nach dem Krieg für den Stausee geflutet wurde.

Rosenbauer will das Lager mit einer temporären Kunstinstallation wieder sichtbar machen. Dabei sollen unter anderem die Umrisse der verschwundenen Baracken unter Wasser beleuchtet werden. "Ich will den Menschen den Freizeitspaß nicht vergraulen", sagt er. Ihm gehe es darum, "die Mehrschichtigkeit des Ortes" wahrnehmbar zu machen.

Dieser Artikel ist erstmals am 16. April 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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Quelle: BR24 im Radio 16.04.2025 - 13:00 Uhr