US-Präsident besucht Hannover Schöne Bilder als Geschenk für die "Freundin"
Obama und Merkel. Diese Beziehung begann mit Spannungen ums Brandenburger Tor, doch nun sind sich die beiden ungewohnt einig. Vor seinem Hannover-Besuch nannte der US-Präsident die Kanzlerin eine "Freundin" und untermauert das mit Taten.
Obamas Besuch auf der Hannover Messe ist die letzte Chance für die deutsche Bundeskanzlerin und den US-Präsidenten, ihre gewachsene Partnerschaft zu zelebrieren. So viel ist sicher: Diese Gelegenheit wollen die beiden nutzen.
Der Gast aus den USA hat in dieser Hinsicht bereits viel Vorarbeit geleistet: Angela Merkel sei eine der wenigen Staats- und Regierungschefs, die Barack Obama respektiere. So schreibt es der Autor Jeffrey Goldberg in der März-Ausgabe der Zeitschrift "The Atlantic". Und auch im Interview mit der "Bild"-Zeitung, dem einzigen Interview, das der US-Präsident vor seiner Deutschlandreise gegeben hat, lobt Obama die Kanzlerin in den höchsten Tönen. "Ich schätze die Partnerschaft mit ihr außerordentlich und ich bin stolz darauf, dass Angela meine Freundin ist", wird er zitiert.
Ähnlicher Politikstil
Wer hätte das zu Beginn von Obamas Amtszeit gedacht? Schließlich war es Merkel, die Obama skeptisch gegenüberstand und dem Präsidentschaftskandidaten den spektakulären Wahlkampfauftritt am Brandenburger Tor nicht ermöglichen wollte.
Doch im Laufe von Obamas Amtszeit haben die beiden immer mehr zueinander gefunden. Der Grund dafür ist nach Ansicht von Johannes Thimm von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), dass die beiden einen ähnlichen Politikstil pflegen: Lange abwägen, dann entscheiden. Besonnen agieren, nicht emotional. Persönliches hinten anstellen.
Tiefpunkt NSA-Affäre
Das mag auch geholfen haben, die NSA-Affäre zu verdauen. Vermutlich der Tiefpunkt in der Partnerschaft der beiden. Die Nachricht im Herbst 2013 schlug mit Wucht ein: US-Geheimdienste sollen Merkels Handy abgehört haben. Ausspähen unter Freunden ginge gar nicht, ärgerte sich Merkel öffentlichkeitswirksam. Zwar versprach Obama, das Handy der Kanzlerin müsse für US-Geheimdienste tabu sein, doch ein später an die Öffentlichkeit gelangter vertraulicher Mailverkehr zwischen den Regierungen der USA und Deutschland zeigte ein ganz anderes Bild: Die USA hatten und haben nicht das leiseste Interesse an einem No-Spy-Abkommen. Die deutsche Regierung akzeptiert diese Haltung - in einem fast schon erschreckend unterwürfigen Ton.
Die Aufregung in Deutschland kam vielen in den USA heuchlerisch vor, meint Thimm. Im Gegensatz zu den beiden Regierungschefs müsse den Geheimdiensten der beiden Länder klar gewesen sein, dass ausgespäht wird - und zwar auf beiden Seiten.
Herausforderung TTIP
Die NSA-Affäre mag einen entscheidenden Teil dazu beigetragen haben, dass die Deutschen das Vertrauen in die USA verloren haben. Und das macht es jetzt umso schwerer, das eigentliche Anliegen des Obama-Besuchs erfolgreich umzusetzen: Werben für TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU. Die Stimmung dafür könnte ungünstiger kaum sein.
Tausende Demonstranten in Hannover haben schon vor Obamas Ankunft klar gemacht: Bloß kein Abkommen in der Amtszeit von Obama. SWP-Experte Thimm spricht von einer Angst, von den Amerikanern "über den Tisch gezogen" zu werden. Es gebe etwa den Mythos, die Regulierungs- und Sicherheitsstandards seien in den USA grundsätzlich niedriger als in der EU. So viele begründete Argumente gegen TTIP es geben mag, die Diskussion wird in Deutschland ungewöhnlich emotional geführt. Die Befürworter gehen im Lärm der TTIP-Gegner fast unter. Und mit ihnen ihre Argumente: Etwa, dass die Amerikaner bei Bankenregulierung, Verbraucherschutz und Bio-Produkten höhere Standards als wir in Europa haben.
Wie viel Anti-Amerikanismus steckt also hinter der Debatte? Thimm verweist auf einen anderen Fall: Beim Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan habe es keine vergleichbaren Debatten gegeben.
Mini-Gipfel für schöne Bilder
Bei einer Werbeveranstaltung für TTIP wollen es Obama und Merkel allerdings nicht belassen. Die Kanzlerin hat am Montag zu einem Mini-Gipfel geladen. Die Regierungschefs aus Großbritannien, Frankreich und Italien sind eingeladen, mit Obama und Merkel über die großen Krisen dieser Welt zu sprechen. Die Themen Krieg in Syrien, Flüchtlingskrise und internationaler Terrorismus sind gesetzt. Dass dieser kleine Gipfel in Deutschland und nicht etwa in Großbritannien stattfindet, zeigt auch: Obama gönnt seiner "Freundin" die große Bühne. Ein Zeichen der Anerkennung, die in den vergangenen Jahren gewachsen ist.
Das zeigt sich vor allem in der Ukraine-Krise. Obama überließ es Merkel, die schwierigen Verhandlungen mit Putin zu führen. Auch beim Thema Libyen findet er offenbar immer mehr Sympathien für ihre Position. Zunächst hatte sich Obama auf die Seite der Briten und Franzosen geschlagen: Intervention - ohne ein Szenario für die Zeit nach Diktator Muammar al-Gaddafi zu haben. Das nennt der US-Präsident inzwischen den "schlimmsten Fehler" seiner Amtszeit. Die deutsche Regierung hatte sich der Allianz nicht anschließen wollen.
Anerkennung für deutsche Führungsrolle
Dass der Gipfel Ergebnisse bei der Lösung der Krisen mit sich bringen könnte, scheint unwahrscheinlich. Zu groß, zu kompliziert sind die internationalen Probleme. Und doch könnte das Treffen schöne Bilder liefern, die vor allem Merkel gut gebrauchen kann.
Der US-Botschafter John B. Emerson formuliert es so: "Mit seinem Besuch in Hannover bringt der Präsident seine Anerkennung für die Führungsrolle zum Ausdruck, die Deutschland - der deutschen Regierung, seiner dynamischen Wirtschaft, der engagierten Zivilgesellschaft und insbesondere seinen Bürgerinnen und Bürgern - bei den transatlantischen Beziehungen und auf globaler Ebene zukommt." Wer auch immer im Weißen Haus auf Obama folgen wird: Bis die Kanzlerin wieder so ausgiebig gebauchpinselt wird, wird es vermutlich eine Weile dauern.