Entwurf zur Krankenhausreform Höchstens 40 Minuten bis zur nächsten Klinik
Die Klinikreform in Deutschland wird konkreter. Ein Referentenentwurf sieht unter anderem eine Absenkung der Fallpauschalen vor. Zudem soll eine medizinische Behandlung maximal 40 Fahrminuten entfernt sein.
Das Bundesgesundheitsministerium hat einen Referentenentwurf für eine umfassende Krankenhausreform fertiggestellt. Demnach soll diese unter anderem ein neues Vergütungssystem einführen, das die Kliniken von dem ökonomischen Druck befreien soll, immer mehr Patientinnen und Patienten zu behandeln. Zunächst hatte die "Bild" berichtet. Der Entwurf liegt auch dem ARD-Hauptstadtstudio vor.
Heute bekommen Kliniken pro Behandlungsfall, beziehungsweise Patientin oder Patient, einen pauschalen Euro-Betrag. Diese Fallpauschalen sollen gesenkt werden. Im Gegenzug soll es feste Beträge für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik geben. Künftig sollen die Klinken 60 Prozent der Vergütung allein schon für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen.
Kliniken sollen in Leistungsgruppen eingeteilt werden
Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen genauer definierte Leistungsgruppen sein. Bundesweit soll damit die Qualität der Behandlung durch gleiche Standards sichergestellt werden. Die anfänglichen Leistungsgruppen sowie deren Qualitätskriterien sollen laut Entwurf in einem vierstufigen Verfahren durch Bund und Länder herausgearbeitet werden. Dabei sollen auch medizinische Fachgesellschaften sowie die Selbstverwaltungspartner im Gesundheitswesen beteiligt werden. Auch sollen die Gruppen in diesem Verfahren weiterentwickelt werden.
Zusätzliches Geld für Kliniken ist ab 2027 jährlich vorgesehen etwa für die Bereitstellung von Kindermedizin-Stationen (288 Millionen Euro), Geburtshilfstationen (120 Millionen Euro), Schlaganfallstationen (35 Millionen Euro) und Intensivstationen (30 Millionen Euro). Auch Unikliniken sollen mehr Geld bekommen.
Krankenhäuser auf dem Land sollen zudem erhalten bleiben. "Es werden die jährlichen Förderbeträge für bedarfsnotwendige ländliche Krankenhäuser erhöht", auf bis zu eine Million Euro pro Jahr und Krankenhaus, heißt es in dem Referentenentwurf. Das solle Kliniken in der Fläche retten, die die medizinische Grundversorgung gewährleisten. Bestehende Kliniken können demnach auch in eine "sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung" umgewidmet werden. Dort sollen wohnortnah keine komplizierten Eingriffe mehr gemacht werden, sondern unter anderem Pflege und kleinere Operationen.
Maximal 40 Minuten Fahrtzeit zur Behandlung
Der Entwurf sieht zudem vor, dass Stationen der Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie in höchstens 30 Minuten per Auto erreichbar sein sollen. Für die übrigen Leistungsgruppen soll die Fahrzeit maximal 40 Minuten betragen. Bei der Planung soll aber auch die Zahl der Einwohner berücksichtigt werden, die von längeren Fahrzeiten betroffen wären, falls es in ihrem Nahgebiet keine entsprechenden Leistungen gibt.
Für die Reform soll darüber hinaus ein Transformationsfonds eingerichtet werden mit dem bis 2035 ein Finanzvolumen von bis zu 50 Milliarden Euro bereitgestellt werden soll. Die Hälfte des Geldes kommt laut Entwurf von den Krankenkassen; die andere Hälfte sollen die Bundesländer übernehmen.
Lauterbach: Kliniklandschaft wird deutlich verändert
Zuletzt hatte es geheißen, dass der Gesetzentwurf am 24. April im Kabinett beschlossen werden soll. Nach den Worten von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollen "große Qualitätsdefizite" durch mehr Spezialisierung vermindert werden. So werde heute ein Drittel der Krebsbehandlungen in jenen zwei Dritteln der deutschen Kliniken durchgeführt, die sich darauf mangels Erfahrung gar nicht gut verstünden. Die Folge seien schwere Komplikationen wie Sepsis (Blutvergiftung), sagte Lauterbach Ende Januar. Die Reform werde die Kliniklandschaft deutlich verändern. Bislang gebe es überversorgte Städte und unterversorgte Gebiete in ländlichen Regionen.
"Es fehlt der Blick in die Praxis und auf den Patienten"
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warf Lauterbach vor, seine Reform "am Reißbrett und mit dem Rechenschieber" zu machen. "Es fehlt der Blick in die Praxis und auf den Patienten", teilte er mit. Der Krankenhausalltag gleiche weiterhin einem Dschungel. Es gebe keine Koordination zwischen Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern. Kennzeichnend für diese "Misere" seien fehlende Ansprechpartner, Verschiebungen medizinischer Untersuchungen, lange Wartezeiten und Terminabbrüche. Die Leidtragenden seien Patienten und Angehörige, sagte Brysch.
Brysch nannte es mit Blick auf die Reformpläne fragwürdig, "ob Qualität allein an der Beschäftigtenzahl im Verhältnis zu den Behandlungsfällen, deren Häufigkeit sowie der Komplikations- und Sterblichkeitsrate gemessen werden kann". Es fehle in dem Gesetzentwurf eine verbindliche Vorgabe, jedem Patienten einen Fallmanager zur Seite zu stellen, kritisierte er.