Gebäude- und Verkehrssektor Expertenrat kritisiert lückenhafte Klimapläne
Im Gebäude- und Verkehrssektor werden immer noch zu viele Treibhausgase ausgestoßen. Und die Sofortprogramme dagegen reichen laut Expertenrat nicht aus. Erste Umweltverbände kündigen bereits Konsequenzen an.
Der Expertenrat für Klimafragen hat die Maßnahmen im Verkehrs- und Gebäudesektor zur Einhaltung der Klimaziele scharf kritisiert. Sie dürften nach den Einschätzungen des Rats nicht ausreichen, um die gesetzlich vorgegebenen Klimaziele für den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 einzuhalten.
Hintergrund ist, dass in beiden Sektoren im vergangenen Jahr mehr Treibhausgase ausgestoßen wurden als im Klimaschutzgesetz der Bundesregierung vorgesehen. Daraufhin legten die beiden zuständigen Ministerien - das Verkehrsministerium unter Volker Wissing und das für Klimaschutz und Wirtschaft zuständige Ministerium unter Robert Habeck - sogenannte Sofortprogramme vor. Also Maßnahmen, um weniger Emissionen zu verursachen.
Der Expertenrat für Klimafragen setzt sich aus fünf Sachverständigen zusammen, die für jeweils fünf Jahre von der Bundesregierung berufen werden. Derzeit hat der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Hans-Martin Henning, den Vorsitz inne. In ihrer Arbeit werden die Mitglieder von einem wissenschaftlichen Stab unterstützt.
Der Rat ist nur an den durch das Bundesklimaschutzgesetz begründeten Auftrag gebunden und in seiner Tätigkeit unabhängig. Das Gremium prüft die jährlich durch das Umweltbundesamt erstellten Daten der Treibhausgasemissionen. Werden die Klimaziele in einem der geprüften Sektoren nicht eingehalten, sind die zuständigen Ministerien verpflichtet, Sofortprogramme zu erstellen. Auch diese werden anschließend vom Expertenrat überprüft.
"Ohne hinreichenden Anspruch"
Das Sofortprogramm von Minister Wissing (FDP) und seinem Ressort erntete in der Bewertung des Expertenrats herbe Kritik. Das Fazit: Die Vorschläge seien "schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch", um das für 2030 gesetzte Klimaziel zu erfüllen. Bis dahin sollen die bundesweiten Treibhausgasemissionen um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. Im Verkehrssektor wurden laut Bundesumweltamt im vergangenen Jahr 148 Millionen Tonnen an CO2 und anderen Treibhausgasen ausgestoßen - und damit 1,2 Prozent mehr als 2020. Die Menge für 2021 überschritt die im Klimaschutzgesetz festgeschriebene Höchstmenge um drei Millionen Tonnen.
Dem Prüfbericht des Expertenrates zufolge umfasst das Sofortprogramm für den Verkehrssektor sechs Maßnahmen. Mit denen sollen ab diesem Jahr bis 2030 insgesamt 14 Megatonnen an Treibhausgas-Emissionen eingespart werden. Laut Experten viel zu wenig: Es ergebe sich noch eine Lücke von 261 Megatonnen, die in den kommenden rund acht Jahren eingespart werden müssten.
Der Prüfbericht spricht dem Sofortprogramm des Verkehrsministeriums zwar eine "emissionsmindernde Wirkung" zu. Gleichzeitig kommen die Experten zu dem Schluss, dass mit den Maßnahmen nicht einmal versucht werde, auf den im aktuellen Klimaschutzgesetz vorgesehenen "Zielpfad" für 2030 zu kommen. Dies solle erst mit dem größeren Klimaschutzsofortprogramm geschehen, das voraussichtlich im September beschlossen werden soll, wie Bundeswirtschaftsminister Habeck ankündigte.
Milderes Fazit zum Gebäudesektor
Im Gebäudesektor könnte dem Expertenrat zufolge die Einhaltung der Klimaziele ebenfalls nicht sichergestellt werden. Trotzdem äußerte sich das Gremium deutlich milder über das Sofortprogramm für diesen Sektor. Es könne einen substanziellen Beitrag zur Minderung der Emissionen leisten.
Doch die Experten warnen, bis 2027 würden die Klimaziele auch hier weiter verfehlt. Erst danach könnten sie gegebenenfalls eingehalten werden. Bis 2030 sieht das Programm Treibhauseinsparungen von 137 Megatonnen vor. "Ob die Einsparungen allerdings wirklich in diesem Umfang realisiert werden können, erscheint nach unserer Prüfung fraglich", hieß es vom Vorsitzenden des Expertenrats, Hans-Martin Henning. Unterm Strich sei die Einhaltung der Klimaschutz-Vorgaben auch durch dieses Sofortprogramm nicht sichergestellt
Umwelthilfe kündigt Klage an
Die Deutsche Umwelthilfe reagierte mit harscher Kritik auf das Resümee des Expertenrats. Das Sofortprogramm für den Verkehrssektor sei sogar gesetzeswidrig. Die Umwelthilfe kündigte an, Klage gegen die Pläne von Wissings Ressort einlegen zu wollen.
Die Bundesgeschäftsführerin der Umwelthilfe, Barbara Metz, warf der Bundesregierung vor, notwendige Schritte wie die Umstellung auf klimafreundlicheres Heizen zu verschleppen. Dadurch sei sie mitverantwortlich für übermäßig steigende Heizkosten.
Auch der BUND bemängelte ein unverantwortliches, klimapolitisches Versagen. Die Deutsche Klima-Allianz warf Verkehrsminister Wissing gar "Arbeitsverweigerung in Sachen Klimaschutz" vor und forderte Bundeskanzler Olaf Scholz zum Handeln auf.
Habeck verweist auf Sofortprogramm
Die Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, drängte nach der Stellungnahme des Expertenrats abermals auf das für September angepeilte Klimasofortschutzprogramm, das die Bundesregierung auf den Weg bringen will.
Auch Habeck sieht die Ampel-Koalition und den Bundestag "in der Pflicht", dieses Programm zu beschließen. Der Grünen-Minister betonte, dass alle Bereiche beim Klimaschutz ihren Beitrag leisten müssten. "Dabei geht es nicht um abstrakte Zahlen, sondern darum, dass wir die Grundlage für ein Leben in Freiheit und Wohlstand bewahren", so Habeck.