Weidel und Kanzlerkandidatur Die klare Nummer eins der AfD ist nominiert
Die AfD hat eine Kanzlerkandidatin nominiert: Alice Weidel, in der Partei mächtig wie noch nie. Ihr Ziel: Regierungsverantwortung - obwohl keine andere Partei mit der AfD koalieren möchte.
"Heute ist ein großer Tag für die Partei und ein großer Tag für Deutschland", rief Alice Weidel. Eine Nummer kleiner machte sie es nicht auf dem Podium in der AfD-Bundesgeschäftsstelle. Zum ersten Mal in ihrer elfjährigen Parteigeschichte hat die "Alternative für Deutschland" einen Kanzlerkandidaten nominiert: Alice Weidel, 45 Jahre alt, promovierte Volkswirtin, seit 2015 Mitglied im Bundesvorstand. Die Co-Vorsitzende an der Spitze von Bundestagsfraktion und Partei ist nun die unumstrittene Nummer eins in der AfD.
2017 und 2021 musste sie sich das Rampenlicht im Bundestagswahlkampf noch teilen: 2017 war sie Spitzenkandidatin an der Seite von Alexander Gauland, 2021 an der von Tino Chrupalla. Die Genugtuung ist Weidel deutlich anzusehen, als sie auf dem Podium ihr Regierungsprogramm vorstellt.
Chrupalla - ihr "Sidekick" in der Partei- und Fraktionsführung - sitzt weitgehend stumm daneben. Björn Höcke, mit dem sich Weidel schon vor Jahren arrangiert hat, steht am Rand und applaudiert brav bei Weidels "Krönungsmesse", so wie die anderen Landesvorsitzenden und Mitglieder des Bundesvorstands im Raum. Beide Führungsgremien der AfD hatten Weidel zuvor einstimmig nominiert.
Chrupalla: Bin "sehr fein" mit Entscheidung
Er sei "sehr fein" mit dieser Entscheidung, beteuert Chrupalla, schließlich habe er Weidel vorgeschlagen. Im Wahlkampf solle die AfD als Mannschaft auftreten, mit Weidel als Stürmerin und ihm als Libero.
Weidel kann mit Chrupallas Fußball-Bild sichtbar wenig anfangen. Etwas später wird sie leicht gönnerhaft ankündigen, dass Chrupalla nach der Bundestagswahl als Co-Fraktionschef weitermachen soll. Ob das auch für den Posten des Bundessprechers an der Seite Weidels gilt? Das bleibt an diesem "historischen Tag" - wie ihn Chrupalla nennt - offen.
Führende Stimmen in der AfD wollen mittelfristig eine Einerspitze einführen, die von einem Generalsekretär als Parteimanager unterstützt werden soll. Ein entsprechender Antrag hatte im Sommer auf dem Bundesparteitag in Essen noch keine Mehrheit gefunden. Ein erneuter Anlauf, die AfD weiter zu professionalisieren, ist aber nur eine Frage der Zeit. Wenn sie einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf hinlegt, dürfte diese "Einerspitze" dann Alice Weidel heißen.
Keine Koalitionspartner für die AfD in Sicht
Der ARD-DeutschlandTrend sieht die AfD derzeit bundesweit bei 18 Prozent, auf Platz zwei hinter der Union, vor der Kanzlerpartei SPD und den Grünen. Weidel leitet daraus einen Regierungsanspruch für ihre Partei ab. "Wir wollen Deutschland wieder nach vorne bringen", sagt sie bei ihrer Nominierung nach einem ausführlichen "Bashing" der Großen Koalition und der Ampel-Regierung.
Für einen solchen Regierungsanspruch bräuchte Weidels AfD allerdings mindestens eine Partei, die mit ihr koalieren würde. Das haben alle anderen Parteien bislang ausgeschlossen, aufgrund der "radikalen bis extremen Positionen der AfD sowie ihrem destruktiven Verhalten gegenüber der repräsentativen Demokratie", sagte die Politikwissenschaftlerin Anna-Sophie Heinze von der Universität Trier. Durch die Aufstellung einer Kanzlerkandidatin "inszeniere" sich die AfD als regierungswillig beziehungsweise koalitionsfähig. "Was sie bislang nicht ist", betonte Heinze.
Wahlkampf "für Deutschland" mit Wohnsitz in der Schweiz?
Die AfD will im Bundestagswahlkampf vor allem die Themen Migration und Wirtschaft in den Vordergrund stellen. Der promovierten Volkswirtin Weidel werde wirtschaftspolitische Kompetenz zugeschrieben, sagte Heinze. Vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage Deutschlands könne sich das günstig auswirken. Zu den marktliberalen Positionen Weidels gesellten sich nach Einschätzung der Politikwissenschaftlerin ultrakonservative soziokulturelle Positionen - beispielsweise beim Thema Schwangerschaftsabbrüche.
Weidel lebt in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft mit einer Schweizerin, die beiden gemeinsamen Söhne werden im Nachbarland groß. "Ich lebe nicht in der Schweiz, ich habe dort einen Wohnsitz", unterstrich die AfD-Kanzlerkandidatin bei ihrer Vorstellung, als ein Journalist danach fragte. Dabei klang Weidel recht schmallippig.
Der Wahlkampfslogan der AfD lautet "Zeit für Deutschland". Könnte der Wohnsitz im Ausland für die Kanzlerkandidatin der AfD zum Problem werden? Politikwissenschaftlerin Heinze geht nicht davon aus, dass Weidels persönliche Hintergründe im Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen werden.
So sieht es auch Leif-Erik Holm, AfD-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern und Fraktionsvize im Bundestag. Das könne "hier und da mal Gesprächsthema sein, ohne Frage", so Holm. Im Wahlkampf gehe es aber vor allem um Fragen wie Wirtschaft und Energie. Und da sei der "Zuschauermagnet" Weidel, sagte Holm, "die absolut geeignete Kandidatin".