
Initiative legt Bericht vor Wie der Staat handlungsfähiger werden soll
Die "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" will herausfinden, wie der Staat effektiver werden kann. Es geht um das große Ganze: Wie kommt das Land wieder in Bewegung?
Es wirkt erstmal unspektakulär: Vier Menschen steigen am Dienstag aus einem Taxi. Ort: Bellevue. Termin bei Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Nicht öffentlich. Es sind keine Unbekannten, die hier aus dem Wagen steigen - sie sind, wie man so schön sagt, Personen des öffentlichen Lebens.
Zuerst steigen die ehemaligen Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) aus dem Taxi, es folgen Andreas Voßkuhle, der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, und die Medienmanagerin Julia Jäkel.
Ergebnisse der "Initiative für einen handlungsfähigen Staat"
Während die politischen Parteien sondieren, über Sondervermögen diskutieren und im Fokus der Öffentlichkeit stehen, haben diese vier Menschen seit Monaten im Hintergrund gearbeitet. Nicht, um Inhalte der Politik zu bestimmen, sondern um Strukturen zu schaffen, die das Gelingen von Politik überhaupt erst ermöglichen sollen. Es geht um die "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" - ein Name, der zunächst so sperrig klingt, wie die Probleme selbst.
"Es geht darum, wie bekommen wir eine andere Mentalität hin, dass etwas gelingen kann, und nicht, dass die Bedenkenträger Oberhand gewinnen", sagt de Maizière. Die Beteiligten sehen dafür ein Zeitfenster. Voßkuhle spricht von einer "Schicksalsfrage für unser Land".
Es geht also um das große Ganze: Wie kommt das Land wieder in Bewegung? Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung, funktionierende Bahnen - ein Antrag statt unzähliger Anträge. Die Liste lässt sich stetig weiter ergänzen. Die vier Initiatoren sollen also ein Gefühl vertreiben, was sich bei vielen Bürgern breitgemacht hat: Rien ne va plus. Nichts geht mehr in diesem Land. Stillstand. Mehltau, wohin man schaut.
In der Tasche haben die vier einen Zwischenbericht. Bundespräsident Steinmeier soll ihn zu Gesicht bekommen, noch bevor er der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Steinmeier ist der Schirmherr der Initiative, die von mehreren Stiftungen unterstützt wird. Zum Startschuss der Initiative vor ein paar Monaten hatte er gefordert, den deutschen Staat durch eine grundlegende Reform schneller handlungsfähig zu machen, um Schaden von der Demokratie abzuwenden.
30 Vorschläge für einen handlungsfähigen Staat
Der Zwischenbericht enthält 30 Vorschläge zu verschiedenen Bereichen. Ein zentraler Punkt ist die Gesetzgebung. So heißt es in dem Bericht: "Auf gute Gesetze kommt es an", denn ein gutes Gesetz sei entscheidend für eine schnelle und effiziente Verwaltung.
Doch während sich die Zeit für die Erarbeitung von Gesetzen halbiert habe, sei die Zahl der verabschiedeten Gesetze stark gestiegen. Die Initiative fordert daher: weniger, aber bessere Gesetze. Ein konkreter Vorschlag ist, sogenannte "Praxistauglichkeitstests" bereits während der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durchzuführen - nicht erst danach, wie es bisher der Fall ist.
Ein weiteres Kapitel ist die Digitalisierung. Der Bericht fordert ein schlankes, eigenständiges Digitalministerium. Zudem kritisieren die Initiatoren, die in den Behörden weit verbreitete "Absicherungsmentalität" und den übertriebenen "Perfektionsanspruch", die Innovation und schnelles Handeln blockieren. Eine Lösung könnte darin bestehen, die Verwaltung stärker für Seiteneinsteiger zu öffnen, "zur Deckung des Personalbedarfs und zur Erweiterung der Perspektiven", heißt es im Bericht.
Auch das Thema Sicherheit spielt eine Rolle. Die Initiative fordert eine abgestimmte Gesamtstrategie der deutschen Sicherheitspolitik und eine bessere Verzahnung zwischen Schlüsselressorts: "Es ist schwer zu glauben, aber bislang gibt es niemanden, der für die Bundesregierung systematisch ein gemeinsames Bild der Bedrohungslagen erstellt." Ein Vorschlag: die Schaffung eines nationalen Sicherheitsrats als ständiges, ressortübergreifendes Gremium - etwa nach dem Vorbild des britischen Modells.
Auch in der Rüstungspolitik gibt es Reformvorschläge. So soll die Zulassung von Rüstungsgütern in einem EU-Staat künftig automatisch für alle anderen Mitgliedsländer gelten. Darüber hinaus nimmt die Initiative zentrale Themen wie Wirtschaft, Klima, Soziales und Migration in den Blick. Zum Thema irreguläre Migration heißt es: "Bei allem Bemühen der Beteiligten können Abschiebungen so nicht funktionieren." Das Netz der Zuständigkeiten sei zu kompliziert und verflochten. Die Zuständigkeiten für Abschiebungen sollten deshalb beim Bund gebündelt werden.
Unterstützung von 50 Experten und Expertinnen
Für ihre Arbeit haben sich die vier Initiatoren Unterstützung von 50 Experten und Expertinnen geholt - darunter Bürgermeister, Schulleiter, Unternehmer und IT-Experten. Schon während des Prozesses stellte Julia Jäkel fest: "Es mangelt uns nicht an Ideen. Es gibt eine Vielzahl eklatanter Dysfunktionalitäten. Man fragt sich wirklich: Mein Gott, warum machen wir das nicht anders?"
Den Beteiligten war es wichtig, dass erste Lösungsvorschläge noch während der Koalitionsgespräche auf den Tisch kommen und am besten Teil des Koalitionsvertrages werden. "Wir erwarten, dass unsere Vorschläge sehr ernst genommen werden", stellt Peer Steinbrück klar. Die nächste Bundesregierung müsse sich dieser Fragen annehmen, um das Vertrauen der Bürger in die staatliche Handlungsfähigkeit nicht weiter zu gefährden.
Zum Schluss heißt es im Bericht: Das Gelingen hängt davon ab, dass die Gesellschaft bereit ist, sich auf Veränderungen einzulassen - und dass die Politik fähig ist, Reformen durchzusetzen. Das klingt einfach. Und doch dürfte genau das der schwierige Kern sein, um den Staat wieder handlungsfähig zu machen.