Vor Bund-Länder-Gesprächen Lauterbach warnt vor "unkontrolliertem Krankenhaussterben"
25 Prozent der Kliniken stehen Gesundheitsminister Lauterbach zufolge ohne die geplante Krankenhausreform wohl vor dem Aus. Der bayerische Ressortchef Holetschek forderte vor den heutigen Bund-Länder-Gesprächen erneut Nachbesserungen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat vor weiteren Beratungen über die umstrittene Krankenhausreform die Dringlichkeit der Pläne betont. "Wir stehen am Beginn eines unkontrollierten Krankenhaussterbens", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Ohne die Reform würden wohl 25 Prozent der Krankenhäuser sterben."
Von der Reform seien deutschlandweit 1719 Kliniken in Deutschland betroffen, ergänzte er im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Wir werden Kliniken verlieren, aber ohne die Reform verlieren wir viel mehr und unsystematisch." Er warb nachdrücklich für die Reform und bekräftigte: "Wir müssen aus dem Hamsterrad heraus, dass Kliniken Fälle über Fälle machen."
Krankenhäuser sollen der Reform nach künftig nicht mehr nur über Fallzahlen finanziert werden, der ökonomische Druck solle fallen. Lauterbach kann sich vorstellen, die Vergütung der Krankenhäuser für die Daseinsvorsorge zu 60 Prozent über Vorhaltepauschalen zu garantieren. Die übrigen Kosten könnten dann abhängig von der Fallmenge finanziert werden, so Lauterbach. Spezialisierung helfe den Kliniken beim Überleben. "Es kann nicht jeder alles machen", sagte Lauterbach. Im ländlichen Raum bedeute das möglicherweise eine längere Anfahrt für eine Knie- oder Hüftoperation, dafür aber ein besseres Ergebnis.
Der Bundesgesundheitsminister kommt heute Mittag in Berlin zu weiteren Gesprächen in der Sache mit seinen Länderkollegen zusammen.
Holetschek warnt vor Verlust der wohnortnahen Versorgung
Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek forderte Lauterbach erneut auf, seine Reformpläne zu überarbeiten. Die Länder müssten selbst entscheiden können, welche Versorgung wo stattfindet, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Alles andere ist verfassungswidrig."
Es dürfe nicht dazu kommen, dass am "grünen Tisch in der Berliner Blase" über die Krankenhäuser vor Ort entschieden werde. "Ich sehe gerade in Flächenländern wie Bayern die wohnortnahe Versorgung durch die aktuellen Vorschläge der Reform gefährdet", warnte er.
Änderungen im Vergütungssystem der Kliniken vorgesehen
Der Bundesminister hatte zuvor deutlich gemacht, dass er über den Sommer konkretere Vorschläge für ein Gesetz anstrebt. Im Kern soll das Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle geändert werden, um die Krankenhäuser von wirtschaftlichem Druck zu lösen. Mit den Ländern diskutiert wird vor allem über die geplante Einstufungen des Kliniknetzes mit einer entsprechenden Finanzierung - von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken.
Geplant sind auch einheitliche Qualitätskriterien, damit Kliniken bestimmte Leistungen erbringen können. Die Branche hatte zuletzt erneut vor akuten Finanznöten vieler Krankenhäuser gewarnt.
Leopoldina betont Bedeutung der Universitätsmedizin
Die Wissenschaftsakademie Leopoldina empfiehlt im Zuge der Krankenhausreform eine bessere Verzahnung von Forschung, Lehre und klinischer Versorgung. Die wissenschaftlich fundierte Patientenversorgung erfordere "eine exzellente Forschung, deren Ergebnisse rasch in der medizinischen Praxis umgesetzt werden", erklärte die Leopoldina. Derzeit bestünden aber Defizite im Versorgungssystem und falsche finanzielle Anreize.
In einer Stellungnahme betonten Experten der Akademie die Bedeutung der Universitätsmedizin, die eine zentrale Rolle bei der Bildung und Koordination von forschungsbasierten Versorgungsnetzwerken einnehmen müsse. Ziel sei es, dass "möglichst viele Patientinnen und Patienten von der Kompetenz des Gesamtsystems profitieren". Dafür seien entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen nötig. Für eine bedarfsgerechte und hochwertige Versorgung komplexer und seltener Fälle, sollten die nötigen Versorgungsleistungen vornehmlich an spezialisierten Zentren angeboten werden. Von der Wissenschaft initiierte klinische Studien seien "zentral für eine zügige Übertragung von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung".
Mit Blick auf das medizinische Personal empfehlen die Experten eine bessere Förderung forschender Ärztinnen und Ärzte sowie anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie sprachen sich zudem dafür aus, Forschungszeiten für die ärztliche Weiterbildung anzuerkennen.