Der Bundestag leuchtet hinter dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

Holocaust-Gedenken im Bundestag "Den Schmerz in Worte gefasst"

Stand: 29.01.2025 06:22 Uhr

Vor der Regierungserklärung von Olaf Scholz und den Unionsanträgen zur Migration Migration wird es im Bundestag nachdenkliche Momente geben: das Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 80 Jahren.

Von Uwe Jahn, ARD-Hauptstadtstudio

Im Bundestag wird es ruhiger, wenn die Abgeordneten zur Gedenkstunde im Plenarsaal sind. Diesmal wird Roman Schwarzman, ein Holocaust-Überlebender aus der Ukraine, sprechen. Er kommt aus Odessa, wo es noch Überlebende gibt, zu denen er Kontakt hält und mit denen er auch über seine Rede gesprochen hat: "Die einen sagten, schreib dies auf. Die anderen, das. Wir haben unseren Schmerz in Worte gefasst, die Bitten derer, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben." Und die sollen im Bundestag Gehör finden.

Unter Schwarzmans Zuhörern sind auch die 80 Jugendlichen der Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages. Jedes Jahr lädt das Parlament junge Menschen dazu ein. Diesmal waren die Teilnehmer zuvor in Auschwitz, erzählt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas: "Das merken wir immer wieder auch in der Diskussion mit jungen Leuten, dass es wichtig ist, dass Zeitzeugen ihre Erlebnisse erzählen. Und er hat ja das Ghetto in Bershad überlebt und kümmert sich heute noch sehr stark um Erinnerungsarbeit auch in der Ukraine."

Die Gedenkstätte an ein Massaker in Odessa, dem etwa 25.000 Juden zum Opfer fielen, hat Schwarzman maßgeblich vorbereitet. Der Grundstein ist gelegt. Doch seit dem russischen Angriff auf sein Land ruhen alle Vorbereitungsmaßnahmen. Der Krieg wirkt sich auch auf die Erinnerungsarbeit aus.

"Das Gedenken an die Millionen Menschen zu erhalten, die davon nicht mehr berichten können", Roman Schwarzman, Holocaust-Überlebender

tagesthemen, 27.01.2025 22:15 Uhr

Leben im Dienst der Erinnerungsarbeit

Nach den Reden und einigen Stücken Instrumentalmusik im Plenarsaal gibt es ein Gespräch der Jugendlichen mit Bärbel Bas und Roman Schwarzman. Dabei wird Schwarzman mehr davon erzählen können, wie er das Ghetto überlebte, warum es erst nach der Sowjetzeit möglich war Gedenkorte einzurichten und wie die Überlebenden heute unter den russischen Bomben leiden.

Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck kennt Roman Schwarzman gut. Mit ihrer Stiftung "Zentrum Liberale Moderne" engagiert sie sich in der Ukraine und unterstützt seine Anliegen. Sie schildert, wie Roman Schwarzman sich darum kümmert, dass andere Überlebende ausreichend Renten oder Entschädigungen erhalten. Er hat sein Leben ganz in den Dienst der Erinnerungsarbeit und der Unterstützung für andere Überlebende gestellt. Auch davon wird er erzählen.

Bas will auch über Situation im Nahen Osten sprechen

In der Gedenkstunde des Bundestages werden außerdem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsiden Bärbel Bas reden. Dabei wird es auch um Verantwortung in der Gegenwart gehen. So kündigt Bärbel Bas an, dass sie die Situation im Nahen Osten seit den Hamas-Anschlägen ansprechen will.

Dabei denkt sie auch an die Herausforderungen hierzulande: "Wir haben jetzt eine Resolution verabschiedet gegen Antisemitismus, die jetzt auch mit Leben erfüllt werden muss, weil Jüdinnen und Juden zunehmend ein Unsicherheitsgefühl haben. Das müssen wir ihnen nehmen, sonst bleiben wir wirklich im Floskelhaften."  

"Ihr hattet Angst vor Putin und dass er gewinnt"

Und auch das ist eine Gefahr für das Gedenken 80 Jahre nach Auschwitz. Roman Schwarzman will in seiner Rede nicht nur über die Vergangenheit sprechen, sondern auch über die Gegenwart in der Ukraine, die sich seit drei Jahren gegen russische Angreifer zur Wehr setzen muss: "Ihr habt Fehler gemacht. Ändert das schnell. Ihr habt uns drei Jahre lang nicht so geholfen, wie es nötig war. Wir hätten sie direkt zu Beginn besiegen können. Aber ihr hattet Angst vor Putin und dass er gewinnt." Unbequeme Worte eines Überlebenden - zu erwarten in der Gedenkstunde des Bundestages heute ab 12 Uhr. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 27. Januar 2025 um 22:15 Uhr.