Nachtragshaushalt 2021 Eine Umgehung der Schuldenbremse?
2022 hatte die Ampelkoalition Kredite zur Bewältigung der Corona-Pandemie in einen Klimafonds umgewidmet. Die Union sah darin einen Verstoß gegen die Schuldenbremse. Nun verhandelt das Bundesverfassungsgericht.
Man schrieb schon das Jahr 2022, als der Haushalt für das vorherige Jahr noch einmal nachträglich und rückwirkend geändert wurde - mit dem Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021. Ob das verfassungswidrig war, muss nun das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klären. Denn der Zweite Nachtragshaushalt erging nicht nur rückwirkend, mit ihm wurde auch die Möglichkeit verschoben, Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro aufzunehmen. Aus dem Topf zur Bewältigung der Corona-Pandemie wurden diese 60 Milliarden Euro nämlich nicht gebraucht. Und so entschied die Ampel-Koalition, das Geld für den Klimaschutz zu verwenden.
Die Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden flossen in den "Energie- und Klimafonds" - ein Sondervermögen, das mittlerweile den Namen "Klima- und Transformationsfonds" trägt und wirtschaftlich getrennt vom sonstigen Bundesvermögen verwaltet wird. Mit den Geldern sollen vor allem Bürger und Unternehmen bei den Strompreisen entlastet werden. Außerdem sollen die Milliarden in ökologische Gebäudesanierung, Elektromobilität und Wasserstoff-Technologie fließen.
Verstoß gegen die Schuldenbremse?
Die Unionsfraktion im Bundestag sieht in dieser Verschiebung einen Verstoß gegen die im Grundgesetz geregelte Schuldenbremse. Diese wurde 2011 eingeführt. Sie soll dafür sorgen, dass Bund und Länder bei normaler Wirtschaftslage keine neuen Schulden machen. Beim Bund ist dann nur noch eine Verschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zulässig.
Es gibt allerdings Ausnahmen für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen. Der Bundestag kann dann beschließen, die Kreditobergrenze zu überschreiten. So ist es in Artikel 115 Grundgesetz geregelt.
Eine solche "außergewöhnliche Notsituation" stellte der Bundestag in den Jahren 2021 und 2022 wegen der Corona-Pandemie immer wieder fest. Und so konnte die damalige Große Koalition im April 2021 die Kreditermächtigungen für die Bewältigung der Pandemie um die weiteren 60 Milliarden Euro aufstocken, die später in den Klimaschutz-Fonds verschoben wurden.
Unionsfraktion klagt
Die Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag haben beim Bundesverfassungsgericht eine Normenkontrolle beantragt, damit der zweite Nachtragshaushalt 2021 dort überprüft wird. Haushaltsgelder dürften nicht einfach so von der Corona-Krisenpolitik zum Klimaschutz verschoben werden. Mathias Middelberg, Fraktions-Vize der Union, sieht darin ein Grundproblem in der Haushaltspolitik der Bundesregierung. Diese entferne sich zunehmend "von einer ordentlichen Haushaltspolitik, die vor allem auch jährlich arbeitet", sagte Middelberg im Dezember 2022.
Das Bundesverfassungsgericht hatte damals einen Eilantrag der Unionsfraktion abgelehnt, mit dem die Verwendung der 60 Milliarden Euro vorläufig eingeschränkt werden sollte - damit kurzfristig kein Geld im Bundeshaushalt fehlt. Gleichzeitig hatte Karlsruhe aber durchaus angedeutet, das Vorgehen der Ampel-Koalition kritisch zu sehen. Es sei "jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, dass der Zeitpunkt der Verabschiedung" des Zweiten Nachtragshaushalts gegen das Grundgesetz verstoßen könnte - und zwar gegen den Grundsatz der "Vorherigkeit".
Die Bundesregierung hält dem entgegen, eine Zuweisung erst im Haushalt des Jahres 2022 hätte eine mehrmonatige Verzögerung nach sich gezogen.
Kredite auf Vorrat?
Unionsfraktions-Vize Middelberg kritisiert weiter, dass für die Haushaltspolitik der Bundesregierung "auf Vorrat unbestimmte Mengen von Krediten aufgenommen werden, die man dann erst in späteren Jahren zur tatsächlichen Finanzierung braucht".
"Eine Art Vorratswirtschaft" im Bundeshaushalt und alles nur "ein Trick", um dann in kommenden Jahren die Schuldenbremse wieder einzuhalten, so Middelberg. So ein Umgehen der Schuldenbremse habe mit verfassungsgemäßer Haushaltspolitik nichts zu tun. "Darum geht es uns im Kern und nicht darum, dass wir Mittel für die Klimapolitik schmälern wollen, oder nicht bereit sind, Mittel zur Verfügung zu stellen für Gas-, Strompreisbremse oder für Ermäßigung der Energiepreise generell", sagt Middelberg.
Die Bundesregierung argumentiert dagegen: Auch im Energie- und Klimafonds dienten die Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro weiterhin der Bekämpfung der Pandemie-Folgen, denn mit den Mitteln werde die Wirtschaft stabilisiert.
Das Bundesverfassungsgericht wird vor diesem Hintergrund klären müssen, inwieweit die Prinzipien der Jährlichkeit und Jährigkeit im Rahmen der Regeln zur Schuldenbremse gelten und ob sie verletzt worden sind. Es geht dabei darum, dass der Haushaltsplan grundsätzlich nach Jahren getrennt aufzustellen ist und Ausgabe-Ermächtigungen aus einem Haushaltsplan nur für das jeweilige Jahr gelten.
Grundsätzliche Fragen zu klären
Die Karlsruher Richterinnen und Richter wollen das Verfahren nutzen, um sich mit "bisher nicht geklärten grundsätzlichen Rechtsfragen" beim Aussetzen der Schuldenbremse in Notsituationen zu beschäftigen - und außerdem mit allgemeinen Grundsätzen des Haushaltsverfassungsrechts.
Eine Ausnahme von der Schuldenbremse hatte der Bundestag zuletzt im Juni 2022 festgestellt - dieses Mal auch wegen der Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Mit den Krediten sollten auch Hilfen für Unternehmen und Bürger finanziert werden, wie zum Beispiel etwa Steuersenkungen und die Energiepauschalen.
Das Urteil, das erst in ein paar Monaten verkündet werden soll, wird also voraussichtlich von grundsätzlicher Bedeutung auch für die künftige Haushaltspolitik sein.