Haushaltsberatungen im Bundestag Alles andere als entspannt
Der Bundestag berät zurzeit über den Haushaltsentwurf 2025. Der Streit davor war groß, die Lücken darin werden es auch sein. Was heißt das konkret für das kommende Jahr? Ein Blick in die Zukunft.
Damit alle mal etwas entspannter werden in den hitzigen Debatten in Berlin, wünscht sich Kanzler Olaf Scholz eines: eine Zukunftsapp. "Wir gucken mal von 20 Jahren rückwärts, ob wir jetzt gerade die richtigen Entscheidungen treffen", sagt er in einem Dialog mit Bürgern vergangene Woche in Berlin. "Dann wären alle viel entspannter." Zuversicht ausstrahlen, entspannt wirken - das ist das Motto des Kanzlers, was den Haushalt angeht.
Wie der Haushaltsplan aus "den Fugen geraten" ist
Und das scheint nötig. Denn der Bundesrechnungshof schaut weniger optimistisch auf den Haushaltsentwurf. Darin klafft ein Zwölf-Milliarden-Euro-Loch - die größte Lücke in einem Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt in den vergangenen 25 Jahren.
Der Bundesrechnungshof spricht in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Parlaments gar von erheblichen "Mängeln und Risiken", die Konsolidierung des Haushalts sei "aus den Fugen geraten", die Bundesregierung nicht zu einer "finanzpolitische Normalität" zurückgekehrt.
Die Ausgaben würden sogar das Corona-Ausnahme-Jahr übersteigen, also das Jahr, in dem viele Hilfen an die Wirtschaft gezahlt wurden, um Firmen vor der Pleite zu retten. Neben dem Haushaltsentwurf für 2025 hatte die Bundesregierung für das laufende Jahr einen sogenannten Nachtragshaushalt beschlossen, also zusätzliche Ausgaben etwa für das Bürgergeld.
Die Folge, so die Kritik des Bundesrechnungshofs: Die Nettokreditaufnahme habe sich damit verdreifacht im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen der Bundesregierung.
Was heißt das für Förderprogramme?
Auch die Union kritisiert seit Wochen, das alles viel zu optimistisch gerechnet. Beispielsweise "Titelgruppe 01" im Plan des Sozialministeriums. Danach soll das Bürgergeld im nächsten Jahr billiger werden. 5,5 Milliarden Euro weniger will die Regierung dafür im nächsten Jahr ausgeben.
Möglich machen soll das unter anderem ein Wirtschaftsaufschwung durch die sogenannte Wachstumsinitiative der Regierung: 49 Maßnahmen, die die Wirtschaft ankurbeln sollen - und den Haushalt sanieren. Die Regierung ist quasi zum Erfolg verdammt. Sie hat rund sechs Milliarden Steuer-Mehreinnahmen durch die Wachstumsinitiative bereits eingeplant.
Beim Klima- und Transformationsfonds (KTF), der für Förderprogramme im Energiesektor zuständig ist, könnte drohen, dass im Laufe des kommenden Jahres Förderprogramme plötzlich gestoppt werden müssten - vergleichbar etwa mit dem plötzlichen Ende der E-Auto-Prämie im Jahr 2023 oder dem Stopp der Förderprogramme für energetische Sanierung, für die kein Geld mehr da war. Was, wenn das Geld für die Förderung von Wärmepumpen oder für den Heizungsaustausch ausgeht?
Auslaufende Batterieforschung?
Zum Problem könnten die "globalen Minderausgaben" werden. Das ist ein Rechnungsposten von Haushaltspolitikern, den man auch "Prinzip Hoffnung" nennen könnte: Darin verstecken sich Geldreste, die im Laufe des Jahres zusammenkommen sollen, weil verschiedene Ministerien Geld für verschiedene Projekte nicht ausgeben.
Auch im Klima- und Transformationsfonds sind viele Milliarden eingeplant, die der Staat nicht hat. Aus Regierungskreisen hört man, dass man aber optimistisch sei, damit durch das nächste Jahr zu kommen, weil erfahrungsgemäß das Geld für Förderungen teils nicht abgerufen werde.
Schon jetzt zeigt sich, dass nicht für alle ursprünglich geplanten Projekte im Klima- und Transformationsfonds Geld da sein könnte. So könnte zum Beispiel die Förderung für Batterieforschung auslaufen - Geld, mit dem die Automobilbranche bei der Forschung zu E-Autos gerechnet hatte.
Verfassungsrechtliche Zweifel am Etat
Insgesamt gebe es 32 solcher Globalpositionen im Haushalt mit einem Volumen von 50 Milliarden Euro, kritisiert der Heidelberger Juraprofessor Hanno Kube in einem Rechtsgutachten für die Unionsfraktion. Darüber hinaus gebe es vier weitere Positionen in Sondervermögen wie dem Klima- und Transformationsfonds mit einem Volumen von 17 Milliarden Euro.
Der Verfassungsrechtler sieht "Verstöße gegen den Grundsatz der Haushaltsklarheit und -wahrheit" und äußert "erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel" an dem Regierungsentwurf. In dem Gutachten, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, kritisiert Kube insbesondere die geplante Lücke von zwölf Milliarden Euro. Diese sei "sehr deutlich über den Erfahrungswerten der Vergangenheit" und "schon darauf ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken".
Dieses Problem scheint Finanzminister Christian Linder (FDP) aber im Blick zu haben. Im ARD-Interview der Woche sprach er davon, die Lücke bis November noch zu verkleinern. Bestenfalls um 2,4 Milliarden Euro. Vielen Beobachtern ist aber schleierhaft, wie der Bundestag das im Rahmen der Haushaltsdebatten schaffen soll - nachdem Bundeskanzler Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Lindner das Problem in tagelangen Verhandlungen zu dritt nicht lösen konnten.
Hilfen für die Ukraine und der Wehretat
Schaut man in die Zukunft, sieht man auch in der Finanzplanung Probleme: In den kommenden Jahren wird es eng bei den Ausgaben für die Bundeswehr und Rüstungsvorhaben. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wurde während der vergangenen Monate nicht müde zu betonen, dass er mehr Geld für sein Ministerium braucht.
Letztlich ist sein Etat nun rund 53,3 Milliarden groß - und damit der zweitgrößte Etat im Haushaltsentwurf 2025. Das 100-Milliarden-Sondervermögen Bundeswehr ist da noch nicht mitgerechnet. Allerdings ist das Geld aus diesem Sondertopf schon weitgehend verplant und geht 2028 zur Neige. Darum soll bis 2028 der Verteidigungsetat auf 80 Milliarden Euro steigen - doch wie das genau gehen soll, ist noch unklar und eine schwierige Aufgabe für eine zukünftige neue Regierung.
Entspannung lässt auf sich warten
Auch die finanzielle Unterstützung der Ukraine werde permanent ein Thema bleiben. Tatsächlich sieht der Haushaltsentwurf in diesem Jahr mehr als sieben Milliarden und im kommenden Jahr vier Milliarden für die Ukraine vor.
Der Aufschrei war groß, als in der Sommerpause klar wurde, dass die Summe sich erst einmal halbiert hat. Allerdings soll die Hilfe nun umgestellt werden. Genutzt werden soll in Zukunft Zinserträge aus eingefrorenen russischen Staatsvermögen. Auch ein Sonderfonds der G7-Staaten soll die Ukraine finanziell unterstützen.
Die Aufgaben werden nicht kleiner im kommenden Jahr. Mit großen Mehreinnahmen hat die Ampel-Regierung vermutlich nicht zu rechnen. Können also alle entspannter in die Zukunft schauen, wie sich das Kanzler Scholz wünscht? Wenn die Haushaltsverhandlungen im Bundestag heute beginnen, dann ist eins zumindest klar: Angesichts der großen Finanzierungslücke werden die Debatten alles andere als entspannt werden.