Baerbock in Moldau "Jeden Tag für Frieden in der Ukraine gearbeitet"
Die innenpolitische Debatte um Friedensgespräche hat auch Außenministerin Baerbock erreicht. Bei einer Konferenz in Moldau betont sie, dass die Bundesregierung jeden Tag für Frieden arbeite - nur Putin wolle nicht.
Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen werfen ihre Schatten bis nach Chisinau. In der Republik Moldau stellt Außenministerin Annalena Baerbock - sonst lautstarke Verfechterin von Waffenlieferungen - klar, wie wichtig ihr Frieden für die Ukraine sei: "Jeden Tag der letzten zweieinhalb Jahre haben wir nichts anderes getan als für Frieden zu arbeiten." Die 43-jährige Grünen-Politikerin setzt andere Akzente und betont Verhandlungsversuche von Deutschland, von internationalen Akteuren, von neutralen Staaten.
Baerbocks Aussagen zeigen, wie sehr sich die Debatte zu Hause verändert hat. Beschimpfungen als "Kriegstreiberin" dürften sie dabei weniger beeinflusst haben als die verheerenden Wahlergebnisse der Ampel-Parteien Grüne, FDP und SPD in Sachsen und Thüringen. Die medial dauerpräsente Sahra Wagenknecht hat ihr neu gegründetes BSW zu einer entscheidenden politischen Kraft gemacht - mit der Erzählung, die Bundesregierung tue diplomatisch zu wenig, um den Krieg in der Ukraine zu lösen.
Innenpolitik weit entfernt
Deutschlands Chefdiplomatin muss das als Angriff auf ihre Politik verstehen. Doch trotz veränderter Rhetorik: Baerbock bleibt im Kern bei ihrer Linie, ist überzeugt, dass sie mit ihrem Kurs richtig liegt.
Alle diplomatischen Versuche habe der russische Präsident immer wieder mit mehr Gewalt beantwortet, sagt Baerbock - und erinnert an die Verbrechen in Butscha und Irpin oder an die Bombardierung eines Kinderkrankenhauses in Kiew mit zwei Toten und mehr als 30 Verletzten. "Der Angriff auf das Kinderkrankenhaus war Putins Antwort auf Selenskyjs Einladung an Putin zur Friedenskonferenz", sagt die Grünen-Politikerin. "Die brutale Realität ist: Wenn Putin nicht bereit ist, endlich den Friedensweg einzuschlagen, dann sterben tagtäglich weiter Menschen in der Ukraine."
Bei ihr ist wenig Empathie zu spüren für die Sorgen und Ängste der Menschen in Pirna in Sachsen oder im thüringischen Greiz. Sie denkt an die Ukrainer, die unter russischem Bombenhagel leiden, an Frauen und Kinder, die von russischen Raketen getötet werden oder an ukrainische Städte, die von einer voranschreitenden russischen Armee in der Ostukraine in Schutt und Asche gebombt werden - und heute auch an die Moldauerinnen und Moldauer, die mehrheitlich in die EU wollen. Innenpolitik ist für Baerbock da weit weg.
"Ich bin Außenministerin", würde sie sagen - und kündigt heute weitere zivile Unterstützung für die Ukraine an. 100 Millionen Euro will das Auswärtige Amt als Energiehilfe für den Winter an die Ukraine geben. Generatoren, Ersatzteile für Kraftwerke oder Ähnliches könnten das sein. Russland zerstört gezielt Kraftwerke und Umspannwerke. Baerbock sagt: "Der hybride Krieg Russlands bedeutet einen Winterkrieg mit dem Ziel, das Leben der Menschen in der Ukraine so furchtbar wie möglich zu machen."
Vierte Reise nach Moldau
Die Ministerin steht heute Morgen vor dem großen Palast der Republik, einem Bau aus der Zeit der Sowjetunion. Selten erfährt ein kleines Land so viel Aufmerksamkeit von der deutschen Diplomatie wie seit zweieinhalb Jahren die Republik Moldau. Es ist Baerbocks vierte Reise in das ärmste Land Europas, eingeklemmt zwischen dem EU-Staat Rumänien und der Ukraine. Russlands Krieg gegen die Ukraine ist Moldaus größte Gefahr, derzeit aber auch eine reale Chance für Entwicklung.
"Was ihr erreicht habt, ist unglaublich", lobt Baerbock Moldaus Präsidentin Maia Sandu. Sie sei mutig gewesen, habe Russlands Krieg getrotzt und somit verhindert, dass sich die moldauische Gesellschaft habe spalten lassen. Sandu mahnt: "Wir sind in einem Rennen gegen die Zeit." Die internationale Hilfe müsse schneller und flexibler sein. "Seien Sie mutig und innovativ", richtet sie sich an die Vertreter von 65 Delegationen in der moldauischen Hauptstadt. Der Wirtschaft geht es schlecht, Reformen im Staatswesen sind dringend nötig.
Es wird deutlich, wie viel Deutschlands Außenministerin von der moldauischen Präsidentin Maia Sandu hält - auch, weil diese ebenfalls eine Frau und Baerbock Verfechterin einer feministischen Außenpolitik ist. Sandu sei eine der stärksten weiblichen Anführerinnen, sie habe eine besondere "weibliche Widerstandskraft" gezeigt. Und dann folgt auch so etwas wie Eigenlob: "In dem Moment, wo Putin Moldau spalten und destabilisieren wollte, sind wir nicht nur solidarisch gewesen, sondern haben die EU-Beitrittsperspektive eröffnet." Seit Juni laufen EU-Beitrittsgespräche mit der Republik Moldau. Baerbock sieht das auch als ihren Verdienst.
Deutschland stellt Moldau zum Beispiel Drohnen zur Grenzsicherung zur Verfügung, berät Behörden beim Thema Rechtsstaatlichkeit und unterstützt das 2,5 Millionen Einwohner-Land im Bereich Cybersicherheit.
"Nicht überzeugt, dass Putin wirklich Frieden will"
Maia Sandu, Moldaus Präsidentin seit 2020, kann Unterstützung gut gebrauchen. Sie ist im Wahlkampf. In einem Monat sind Präsidentschaftswahlen, bei einem gleichzeitigen Referendum soll der EU-Kurs des Landes in die Verfassung geschrieben werden. Doch längst ist nicht alles gut. "Wenn Russland die Schwarzmeerküste bis nach Moldau kontrolliert, dann wird Moldau auf jeden Fall ein russischer Satellitenstaat. Denn niemand, nicht die EU, nicht Rumänien, wird uns retten," erläutert Wladislaw Kulminski, ehemaliger Politiker und jetzt Experte am Moldauer Institute for Strategic Inititives (IPIS). "Moldaus Schicksal hängt völlig davon ab, wie der Krieg in der Ukraine endet."
Und der müsse mit einem nachhaltigen Frieden für die Ukraine enden, sagt die rumänische Außenministerin Luminița Odobescu. Man müsse vor Verhandlungen mit Russland dessen Vorschläge genau prüfen. "Wir sind nicht überzeugt, dass Putin wirklich einen Frieden will." Baerbock dürfte da innerlich nicken.