
Koalitionsvertrag Wie über einen Atom-Wiedereinstieg diskutiert wird
Vor zwei Jahren ist Deutschland aus der Atomkraft ausgestiegen. Seitdem wird in der Bundespolitik über eine Rückkehr diskutiert. Doch im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot steht dazu nichts.
Es war ein historischer Tag. Vor genau zwei Jahren gingen in Deutschland die letzten Atomkraftwerke vom Netz. Am 15. April 2023 schalteten die Betreiber die AKW Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg ab.
Die richtige Entscheidung? Angesichts der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs geriet das Atom-Aus schnell in die Kritik. Auf Betreiben der Union setzte der Bundestag sogar einen Untersuchungsausschuss ein, der die Hintergründe genau untersuchte. Vor allem die CSU kritisierte den Atomausstieg dort scharf und machte sich für eine Rückkehr stark.
Auch im Wahlkampf trommelte die Union noch fleißig für die Kernenergie. Eine Reaktivierung der Meiler sei "jederzeit möglich", die Kosten wären "auch nicht sehr groß" sagte CSU-Chef Markus Söder noch im Februar. "Wir halten an der Option Kernenergie fest", hieß es dazu im Wahlprogramm der Union.
Unangenehmes Thema für Söder
Inzwischen ist allerdings klar: Mit ihrem Bekenntnis zur Atomkraft ist die Union zunächst gescheitert. Im neuen Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich zur Kernenergie nämlich: nichts.
Vor allem für CSU-Chef Söder ein unangenehmes Thema. Am Tag nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags tritt er in München noch einmal vor die Presse. Knapp eine halbe Stunde lang referiert Söder über die CSU-Erfolge im Koalitionsvertrag. Fazit: "Wir haben das gut gemacht." Und die Atomkraft? Erst als ein Journalist nachfragt, räumt Söder ein: Die Atomenergie "war nicht mehr möglich".
Dabei hatte die Union bis zuletzt für die Atomkraft gekämpft. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios setzten sich CDU und CSU in den Koalitionsverhandlungen vehement für einen Rückbau-Stopp der AKW-Anlagen ein. Während dieser Pause sollte dann eine Prüfung stattfinden, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs "unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand" noch möglich sei. Doch trotz aller Versuche konnte sich die Union mit dieser Forderung bei der SPD nicht durchsetzen.
Eine Rückkehr wird immer unwahrscheinlicher
Die Debatte um eine Rückkehr zur Atomkraft sei damit "politisch wie fachlich erledigt", sagt nun der SPD-Bundestagsabgeordnete Jakob Blankenburg: "Wir als SPD haben uns mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass ein Wiedereinstieg in die Atomkraft ausgeschlossen bleibt." Stattdessen wolle man nun in Erneuerbare Energien, Netze und Speicher investieren.
Auch bei der zukünftigen Opposition sorgt die Entscheidung für Aufsehen. Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner wirft Söder einen "Kurswechsel" vor. "Nun sitzt er in der Regierung und ihm fällt auf einmal auf: Das ist ja gar nicht wirtschaftlich", so Brantner. "Das ist einfach so verlogen."
Auch bei der AfD sorgt die Atom-Wende in der Union für Kritik - allerdings in die andere Richtung. Denn auch die AfD hatte sich im Wahlkampf für eine Rückkehr zur Atomkraft stark gemacht. "Wieder ein gebrochenes Wahlversprechen der Union", heißt es nun in einem Statement der AfD-Fraktion. Die Rechtspopulisten befürchten nun weiter steigende Energiepreise und das "Absinken Deutschlands auf das Niveau eines Zweite-Welt-Landes".
Fest steht: Zur Zeit werden die verbleibenden Anlagen weiter zurückgebaut. Eine Rückkehr zur Atomenergie in Deutschland wird dadurch immer unwahrscheinlicher. Das bestätigt selbst Atom-Anhänger Söder. In vier Jahren sei "der Neustart schon sehr, sehr schwer".