Souk in Tetouan/Marokko
FAQ

Bundesrat hat Vorbehalte Keine Mehrheit für sichere Herkunftsstaaten

Stand: 21.09.2018 17:17 Uhr

Im Bundesrat ist keine Mehrheit in Sicht für den neuen Anlauf der Bundesregierung, die Liste der sicheren Herkunftsländer zu erweitern. Das Gesetz droht am Widerstand der Grünen zu scheitern.

Die Bundesregierung unternimmt einen neuen Vorstoß, die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären - ebenso wie Georgien. Im Bundesrat stoßen die Vorschläge auf Vorbehalte. In der Länderkammer fand die Empfehlung des Innenausschusses, die Bundesregierung zu Verhandlungen mit den vier Staaten aufzufordern, keine Mehrheit. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung soll weiter beraten werden. Eine Abstimmung ist erst vorgesehen, wenn der Bundestag das Vorhaben billigt. Das Gesetz könnte am Widerstand der Bundesländer scheitern, bei denen die Grünen mitregieren. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Um welche Länder geht es?

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Bei den Maghreb-Staaten ist es bereits der zweite Anlauf. Die Große Koalition scheiterte 2016/2017 durch das Nein der Grünen im Bundesrat. Im Fall von Georgien ist es der erste Versuch, das Land auf die Liste zu setzen. Darauf stehen bislang acht Länder: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien.

Wie viele Schutzsuchende kommen aus diesen vier Ländern?

Im vergangenen Jahr kamen aus den vier Ländern knapp vier Prozent der Asylsuchenden. In absoluten Zahlen: Von insgesamt rund 200.000 Asylanträgen in Deutschland wurden 557 von Tunesiern, 2349 von Algeriern, 2367 von Marokkanern und 3462 von Georgiern gestellt.

Was sind die Voraussetzungen für die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat?

Ausschlaggebend für die Einstufung als sicheres Herkunftsland ist meist die sogenannte Schutzquote. Bislang wurden vor allem die Länder in den Blick genommen, bei denen weniger als ein Prozent der Asylanträge positiv beschieden wurde. Mittlerweile geht es um eine Schutzquote von unter fünf Prozent.

Diese Quote wurden im vergangenen Jahr bei den vier Ländern unterschritten: Die Anerkennungsquote von Asylanträgen aus Tunesien betrug 2,7 Prozent, aus Algerien 2,0 Prozent, aus Marokko 4,1 und aus Georgien lediglich 0,6 Prozent.

Kritiker bemängeln, dass es sich dabei um unbereinigte Zahlen handelt. Das heißt: Viele Anträge wurden nur formell entschieden - also ohne inhaltliche Prüfung. Dies war zum Beispiel der Fall, wenn ein Asylantrag zurückgezogen wurde oder ein anderes EU-Land zuständig war. Im Koalitionsvertrag ist die Art der Schutzquote nicht näher definiert.

Das katholische Hilfswerk Misereor argumentiert, dass die bereinigte Schutzquote beispielsweise für marokkanische Asylbewerber im vergangenen Jahr bei 10,6 Prozent gelegen habe - also deutlich über der Grenze von fünf Prozent.

Was erhofft sich die Bundesregierung von ihrem Vorstoß?

Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten haben in der Regel kein Recht auf Asyl in Deutschland. Denn es wird davon ausgegangen, dass in ihren Ländern meist keine Gefahr der Verfolgung besteht. Flüchtlinge, die einen Asylantrag stellen, müssen daher beweisen, dass sie individuell verfolgt werden.

Die Bundesregierung hofft, dass die Asylverfahren für Flüchtlinge aus den vier Ländern beschleunigt werden können. Denn diverse Verfahren, Klage- und Ausreisepflichten würden sich verkürzen, Rechtsmittel hätten keine aufschiebende Wirkung. Die Bundesregierung begründet ihren Schritt damit, dass Asylverfahren für Bürger der vier Staaten fast immer mit einer Ablehnung enden.

Beschleunigen sich die Verfahren dadurch tatsächlich?

Nicht unbedingt. Zwar sind zuletzt die Asylverfahren allgemein kürzer geworden, doch das hängt wohl vor allem von der gesunkenen Zahl von Neuankömmlingen ab. Die Zahlen, die das Bundesinnenministerium Ende August vorgelegt hat, zeigen aber auch, dass die Verfahren von Antragstellern aus sicheren Herkunftsländern durch das 2016 beschlossene "Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren" nicht deutlich kürzer geworden sind.

Sie sollen im Idealfall nicht länger als eine Woche dauern. Die Praxis sieht aber anders aus. Erstens werden diese Verfahren nur in den beiden Asylzentren Manching und Bamberg durchgeführt. Zweitens wurden im vergangenen Quartal lediglich 15 von 155 Anträgen, die dort als beschleunigte Verfahren bearbeitet wurden, innerhalb von sieben Tagen abgeschlossen.

Sicherheitskräfte und Polizei bewachen das Eingangstor am Transitzentrum für Asylsuchende in Manching

Über die beschleunigten Asylverfahren wird nur an zwei Orten entschieden: Hier in Manching und in Bamberg.

Wie stehen die Chancen, dass das Gesetz verabschiedet wird?

Die Bundesregierung ist im Bundesrat auf die Zustimmung von mindestens zwei Bundesländern angewiesen, in denen die Grünen an der Regierung beteiligt sind. Bis die Länderkammer sich positionieren muss, dauert es noch. Nach Einschätzung von Beobachtern würde das Gesetz derzeit wohl am Widerstand der Grünen scheitern - mit der denkbar knappsten Mehrheit von einer Stimme. Denn das grün regierte Baden-Württemberg hat Zustimmung signalisiert.

Allerdings stößt der Vorstoß auch bei einigen Sozialdemokraten auf Widerstand. So hat sich der Berliner SPD-Landesvorstand mit großer Mehrheit gegen die Einstufung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten ausgesprochen - die rot-rot-grüne Koalition wird sicherlich gegen den Gesetzentwurf stimmen. Zur Abstimmung wird es erst nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen kommen - dann könnten die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat andere sein.

Warum lehnen die Grünen die Einstufung mehrheitlich ab?

Die Grünen bemängeln vor allem die Menschenrechtslage in den nordafrikanischen Maghreb-Staaten. Nach Einschätzung von Parteichef Robert Habeck entspricht sie nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, wonach alle Gruppen vor Verfolgung sicher sein müssen. In den meisten Maghreb-Staaten würden religiöse und sexuelle Minderheiten diskriminiert und verfolgt. Außerdem gehe dort Inhaftierung "mit Folter oder erniedrigender Behandlung einher", sagte Habeck dem NDR.

Auch Georgien halten die Grünen nicht für sicher. Sie kritisieren Defizite in Bezug auf die Versammlungsfreiheit und durch Polizisten begangene Menschenrechtsverletzungen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 21. September 2018 um 10:00 Uhr.