Israel und Palästina Wie der Nahostkonflikt in die Schulen kommt
Für Lehrer wird die Gewalt in Israel zu einer neuen Herausforderung - wie in Berlin-Neukölln. Der Antisemitismusbeauftragte Klein sieht wachsende anti-israelische Tendenzen. Ein Krisenstab des Berliner Senats soll helfen.
Palästinaflaggen und Gewaltverherrlichung auf dem Pausenhof: Der brutale Terrorangriff der Hamas auf Israel hat auch in deutschen Schulen Auswirkungen.
Desirée Galert von der "Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus" (KIgA) kann davon berichten. In den vergangenen Tagen bekam sie häufiger Anrufe von verzweifelten Lehrkräften: Sie hätten Angst in die Schule zu gehen. An mehreren Schulen soll es zu Konflikten gekommen sein.
Die Organisation bietet seit zwanzig Jahren Beratung und pädagogischen Konzepte für Schulen und in der Erwachsenenbildung, um damit gegen Antisemitismus vorzugehen. Am Montag hatte sie eine Krisensitzung.
Vor allem ein Vorfall in einem Gymnasium in Berlin-Neukölln hat für Aufsehen gesorgt. Ein Schüler brachte eine Palästinaflagge mit zur Schule, der Lehrer wollte das verbieten. Es kam zwischen den beiden und einem weiteren Schüler zu heftigen Handgreiflichkeiten. Ein Video der Auseinandersetzung machte die Runde in sozialen Netzwerken. Wie sie genau ablief, ist noch unklar. Die Untersuchungen laufen.
Klein sieht wachsende anti-israelische Tendenzen
Nach dem Vorfall an dem Neuköllner Gymnasium ist offenbar noch klarer geworden, dass die Schulen mehr Unterstützung brauchen. Viele arabische Familien guckten ausschließlich arabisches Fernsehen und folgten bei Social Media nur bestimmten Kanälen, sagte Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel. Das Problem dabei: So sehen die Schülerinnen und Schüler zuhause nur eine Seite des Konflikts, der zudem emotional hoch aufgeladen ist.
"Wir müssen die Lehrerinnen und Lehrer bewusster machen im Kampf gegen Antisemitismus", forderte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein. Das Thema müsse in der Ausbildung systematisch behandelt werden: "Oftmals geht es ja um Einzelfragen: Wie bewerte ich den Nahostkonflikt? Warum kommt es jetzt hier zu Sympathiebekundungen dafür, dass im Nahen Osten Menschen ermordet werden?" Klein warnt davor, dass der Nahostkonflikt zunehmend in deutsche Schulen getragen wird, und sieht wachsende anti-israelische Tendenzen an Schulen.
Es gibt einige akute Maßnahmen: Die Schule in Neukölln hat wieder einen Wachschutz bekommen. Auch die Polizei ist dort präsent. Der Elternrat hatte für Mittwoch eine Demo angekündigt, in der es grundsätzlich gegen Gewalt gehen sollte. Die Polizei befürchtete allerdings, dass sie von Hamas-Anhänger missbraucht werden würde - und hat sie verboten. Trotz des Verbots versammelten sich einige - auch mit Palästinaflaggen. Es soll auch zu "Free Palestine"-Rufen gekommen sein.
Krisenstab des Berliner Bildungssenats
Der Berliner Bildungssenat hat nun einen Krisenstab eingerichtet. Wenn es wieder zu Vorfällen an den Schulen kommt, haben die Lehrkräfte beim Krisenstab Ansprechpartner, sagte Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner. "Für uns ist wichtig als Senat, dass wir den Schulfrieden in unserer Stadt sicherstellen", so der CDU-Politiker.
Die OFEK, eine Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung, bietet mehr Unterstützung an. Sie hat eine Hotline geschaltet und bietet unter anderem psychologische Hilfe für Opfer antisemitischer Aktionen.
Und KIgA, die Kreuzberger Initiative, hat konkrete Vorschläge für Lehrkräfte, wie sie sich in von der Weltpolitik aufgeladenen Konfliktsituationen verhalten sollen. "Emotionen aufgreifen, darüber reden und versuchen, ein differenziertes Nahostbild zu vermitteln", sagt KIgA-Chef Dervis Hizarci.