Pro-palästinensische Äußerungen Wie weit geht die Meinungsfreiheit?
Parolen wie "From the river to the sea - Palestine will be free" sind derzeit häufig auf Pro-Palästina-Demos zu hören. Sind sie strafbar? Wie weit geht die Meinungsfreiheit - und was gilt im Arbeitsrecht?
Der FSV Mainz 05 hat seinen Spieler Anwar El Ghazi wegen eines - mittlerweile gelöschten - Postings mit der Parole "From the river to the sea - Palestine will be free" freigestellt. Beim FC Bayern München muss sich Noussair Mazraoui rechtfertigen. Aber Probleme wegen öffentlicher Äußerungen können auch "normale" Arbeitnehmer bekommen - jedenfalls unter bestimmten Umständen.
Gilt für politische Äußerungen immer die Meinungsfreiheit?
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und wesentliches Grundrecht unserer Verfassung. Sie steht in Artikel 5 des Grundgesetzes und gibt allen Menschen in Deutschland das Recht, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese auch öffentlich kundzutun.
Allerdings sagt der zweite Absatz dieses Artikels ausdrücklich, dass es auch Grenzen für die Meinungsfreiheit gibt: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." Wenn also eine Aussage gegen ein Strafgesetz verstößt, gilt dafür nicht mehr der Schutz der Meinungsfreiheit.
Genau das könnte nach Meinung einiger Juristen bei dem Satz "From the river to the sea - Palestine will be free" der Fall sein. In Frage käme eine verbotene "Billigung von Straftaten" (§ 140 StGB). Die sei vor allem denkbar, wenn die Aussage in unmittelbarem Zusammenhang zu den jüngsten Terrorattacken der Hamas getätigt werde. Weil dann klar der Eindruck vermittelt werde, dass das Gebiet "vom Fluss" (Jordan) "bis zum (Mittel-) Meer" frei von Juden und vom Staat Israel sein solle. Und damit würde dann auch gleichzeitig der Massenmord der Hamas an Juden legitimiert.
Die Staatsanwaltschaft in Berlin sieht bei dieser Äußerung sogar einen Anfangsverdacht der Volksverhetzung (§ 130 StGB) und ermittelt aktuell, weil dieser Satz dort auf Demos gerufen wurde. Da die aktuellen Ereignisse aber noch sehr "frisch" sind, gibt es in diesem Kontext noch keine Urteile.
Wie dürfen Arbeitgeber in solchen Fällen reagieren?
"Arbeitnehmer geben ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nicht ab, wenn sie einen Arbeitsvertrag unterschreiben", sagt der Mannheimer Jura-Professor Philipp Fischinger von der Uni Mannheim. Auch Arbeitnehmer können sich natürlich auf die Meinungsfreiheit berufen. Das gilt umso mehr, wenn es um Äußerungen im privaten Umfeld geht, die keinen direkten Bezug zur Arbeit haben. Das Privatleben ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht die Arbeitgeber eigentlich nichts an.
Wenn aber öffentliche Aussagen dem Arbeitgeber schaden, weil sie zum Beispiel den Betriebsfrieden stören, dann können sie doch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Das kann so sein, wenn Arbeitnehmer mit ihren Aussagen Straftaten begehen. Dabei spielt es laut Arbeitsrechtsexperte Fischinger eine entscheidende Rolle, ob die Äußerungen auf den Arbeitgeber "rückstrahlen", etwa indem sie ihn in ein schlechtes Licht setzen, oder anderweitig das Arbeitsverhältnis oder den gesamten Betriebsfrieden belasten.
Es kann also bestimmte Straftaten im Privatleben geben, die den Arbeitgeber in manchen Fällen nichts angehen, in anderen aber schon. Ob eine Sanktion eines Arbeitgebers, wie Freistellung, Abmahnung oder Kündigung, rechtmäßig ist, müssen im Zweifel die Gerichte entscheiden. Gerade im Arbeitsrecht kommt es immer auf den konkreten Einzelfall an.
Was gilt im Arbeitsrecht für Aussagen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind?
Selbst Äußerungen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, können unter Umständen problematisch werden. "Auch Äußerungen, die nicht strafbar sind, können den Betriebsfrieden stören und deswegen sanktioniert werden. Das ist nicht per se ausgeschlossen", sagt Fischinger.
Man stelle sich etwa vor, ein Arbeitnehmer macht ständig öffentlich die Produkte schlecht, die der eigene Arbeitgeber herstellt. Das ist in aller Regel eine zulässige Meinungsäußerung und nicht strafbar, kann aber arbeitsrechtlich trotzdem problematisch werden - schließlich können Arbeitgeber erwarten, dass ihre Mitarbeiter nicht das eigene Unternehmen in Misskredit bringen.
Gelten für Prominente andere Regeln als für den "einfachen Bürger"?
Natürlich gelten für alle Menschen in Deutschland die gleichen Gesetze. Aber da es im Arbeitsrecht immer um den konkreten Einzelfall geht, können diese schon unterschiedlich beurteilt werden.
Gerade bekannte Profisportler haben mit ihren Social-Media-Kanälen oft eine hohe Reichweite. Wenn sie dort etwas posten oder teilen, erreicht es viel mehr Menschen und kann unter Umständen viel stärker auf den Arbeitgeber zurückstrahlen.
Bei den meisten "normalen" Arbeitnehmern hingegen wissen Fremde schlicht nicht, für wen sie arbeiten. Äußerungen im Privatleben - etwa online oder auf Demos - werden so nicht mit dem Arbeitgeber in Verbindung gebracht und damit auch nicht arbeitsrechtlich relevant.
Zudem haben Fußballprofis in der Regel zeitlich befristete Arbeitsverträge, die meist nicht mit einer ordentlichen Kündigung aufgelöst werden können, sondern nur außerordentlich. Für so eine Kündigung muss aber ein ganz erheblicher Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vorliegen.
In allen Fällen, egal ob Fußballprofi oder normaler Angestellter, gilt: die Kündigung ist immer das äußerste Mittel. Wenn andere Sanktionen, wie eine Abmahnung oder eine Freistellung, ausreichen, gehen diese vor.
Besteht die Gefahr, dass Kritik an Israel generell unterdrückt wird?
Grundsätzlich ist Kritik an der Politik des Staates Israel möglich, ohne dass dadurch gleich arbeitsrechtliche oder gar strafrechtliche Konsequenzen drohen würden. Das gleiche gilt für Sympathie- oder Mitleidsbekundungen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen, die unter den momentanen militärischen Aktionen Israels leidet. Auch darüber, ob diese völkerrechtlich zulässig sind, darf man öffentlich diskutieren - und das durchaus auch kontrovers.
Die Meinungsfreiheit schützt auch abseitige Meinungen, die von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt werden, denn Grundrechte sind immer auch die Rechte von Minderheiten. Die Gesellschaft muss nach der Auffassung des Grundgesetzes auch Meinungen von Minderheiten aushalten, solange sie nicht gegen Gesetze verstoßen.
Rechtlich relevant werden öffentliche Äußerungen aber jedenfalls dann, wenn sie schwere Straftaten gutheißen - oder zu Hass oder Gewalt aufstacheln. Generell gilt: Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass alle anderen diese Meinung auch gutheißen oder gar teilen müssen. Kritik an bestimmten Äußerungen, entschiedener Widerspruch und scharfe Gegenrede schränken die Meinungsfreiheit nicht unzulässig ein.