Demonstrierende der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" fordern auf einem Transparent eine sogenannte Remigration
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Gesichert rechtsextrem Ist ein Verbot der "Jungen Alternative" möglich?

Stand: 06.02.2024 11:36 Uhr

Der Verfassungsschutz darf die AfD-Nachwuchsorganisation einer Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts zufolge als "gesichert extremistische Bestrebung" einstufen. Was bedeutet das für ein mögliches Verbotsverfahren?

Von Kolja Schwartz, ARD-Rechtsredaktion

Ein Verbot der "Jungen Alternative" (JA) wäre ein wirksamer Schlag des Rechtsstaats gegen extremistische Strukturen, sagte der Bundesvorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, im Januar. Vereine wie die "Junge Alternative" arbeiteten offen gegen die Demokratie und müssten deshalb verboten werden. Was bedeutet die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln für die Debatte? Ein Überblick.

Sind die Voraussetzungen für ein Verbot der JA gegeben?

Vom Bundesamt für Verfassungsschutz wird die "Junge Alternative" als sogenannter Verdachtsfall eingestuft und beobachtet. Eine Klage dagegen vor dem Verwaltungsgericht Köln scheiterte im März 2022. Unter anderem führte das Gericht aus: In der JA sei ein ethnisch verstandener Volksbegriff ein zentrales Politikziel. Danach müsse das deutsche Volk in seinem ethnischen Bestand erhalten und sollten "Fremde" möglichst ausgeschlossen werden. Das Berufungsverfahren in dieser Sache verhandelt das Oberverwaltungsgericht Münster am 12. und 13. März 2024.

Im April 2023 stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz die "Junge Alternative" sogar als gesichert rechtsextremistisch ein. "Die Positionen der Jugendorganisation der AfD, Junge Alternative, sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar", erklärte damals Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang. Es bestünden keine Zweifel mehr, dass die JA "verfassungsfeindliche Bestrebungen" verfolge.

Auch dagegen klagen AfD und JA. Nun hat das Verwaltungsgericht Köln allerdings entschieden: Der Eilantrag gegen die Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch" hatte keinen Erfolg. In der Sache sei die Einstufung in Ordnung. Die JA vertrete einen völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff, der nicht mit der Menschenwürde und dem Grundgesetz vereinbar sei. Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde möglich, über die dann ebenfalls das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.

"Noch nicht rechtskräftig", Kolja Schwartz, SWR, zu Beschluss über Einstufung der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative"

tagesschau24, 06.02.2024 14:00 Uhr

Liefe ein Verbot anders ab als bei der AfD?

Ja, denn bei der Jugendorganisation der AfD, der "Jungen Alternative" (JA), handelt es sich laut Satzung um einen Verein. Für ein Vereinsverbot gelten andere Regeln als für ein Parteiverbot. Ein solches Verbot könnte wesentlich schneller und einfacher vonstattengehen als ein Verbot der AfD. Juristisch ist das allerdings nicht ganz unumstritten.

Wann kann man einen Verein verbieten?

Im Grundgesetz findet sich in Artikel 9 die sogenannte Vereinigungsfreiheit. Danach darf man sich mit anderen Menschen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck zusammenschließen, also Vereine gründen oder Mitglied in einem Verein werden. Den Zweck der Vereinigung darf man, genau wie den Namen und die Rechtsform der Vereinigung frei wählen.

Die Grenzen dieses Grundrechts stehen in Absatz 2: "Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten."

Das Grundgesetz besagt also, dass solche Vereine verboten "sind". Das Vereinsgesetz präzisiert allerdings, dass ein Verein erst dann als verboten behandelt werden darf, wenn die zuständige Verbotsbehörde festgestellt hat, dass die Voraussetzungen vorliegen.

Wer ist für die Verbotsentscheidung zuständig?

Für das Verbot eines Vereins ist das Bundesinnenministerium zuständig, wenn sich Organisation oder Tätigkeit des Vereins über ein Bundesland hinaus erstrecken. Bundesinnenministerin Nancy Faeser muss also über ein Verbot entscheiden. Wenn sie die Voraussetzungen als gegeben ansieht, kann sie das Verbot durch einen Verwaltungsakt aussprechen.

Im Gegensatz zum Parteiverbot ist das Verfahren also wesentlich einfacher. Eine Partei kann nur vom Bundesverfassungsgericht verboten werden. Und: Diese Prüfung macht das Gericht nicht von sich aus, sondern nur, wenn Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat einen Antrag in Karlsruhe stellen. Auch ein Vereinsverbot kann natürlich juristisch überprüft werden, allerdings erst im Nachhinein.

Was sagt das Bundesinnenministerium dazu?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat sich bisher nicht öffentlich dazu geäußert, ob aus Ihrer Sicht die Voraussetzungen für ein Verbot vorliegen. Das ist allerdings nicht ungewöhnlich: Vereinsverbote wurden auch in der Vergangenheit in der Regel vom Ministerium erst im Nachhinein der Öffentlichkeit mitgeteilt und nicht vorher diskutiert.

Gut möglich, dass die Ministerin die Gerichtsverfahren zur Einstufung der "Jungen Alternative" durch den Verfassungsschutz abwarten will. Eine umfangreiche Materialliste zu den Zielen der JA liegt dadurch auf jeden Fall schon vor.

Wie können sich Vereine gegen ein Verbot wehren?

Das Vereinsverbot ist ein sogenannter Verwaltungsakt, gegen den man sich zunächst vor den Verwaltungsgerichten wehren kann. Zuständig für Vereinsverbote des Bundesinnenministeriums ist immer das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht prüft hier also in erster und gleichzeitig letzter Instanz, ob der Verein tatsächlich verboten werden durfte.

Wenn es zur Überprüfung kommt, muss das Bundesinnenministerium entsprechende Belege vorlegen, also beweisen, dass die Vereinszwecke oder die Tätigkeit des Vereins den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Ein Verbot kann also nicht ins Blaue hinein geschehen, sondern bedarf klarer Belege.

Wenn das Bundesverwaltungsgericht das Vereinsverbot bestätigt, ist es auch noch möglich, nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Mit dem Argument, dass das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit verletzt sei.

Müssten auch hier die Regeln zum Parteiverbot gelten?

Unter Juristen wird dies zumindest diskutiert. Sind Jugendorganisationen von Parteien tatsächlich selbstständige Organisationen, die man mit einem Vereinsverbot belegen kann? Oder sind sie Teil der Partei mit der Folge, dass man sie nur durch ein Parteiverbot mitverbieten kann? Dann wäre das Bundesinnenministerium gar nicht befugt, die JA zu verbieten. Die ausgeführten Regeln aus dem Vereinsgesetz würden nicht gelten.

Da es einen vergleichbaren Fall noch nicht gab, gibt es dazu auch keine Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht. Wenn die Bundesinnenministerin die "Junge Alternative" verbieten sollte, kann man aber davon ausgehen, dass die Frage am Ende in Karlsruhe geklärt wird.

Welche Wirkungen hat ein Vereinsverbot?

Mit dem Verbot gehen in der Regel Durchsuchungen bei dem Verein einher - auch, um das Vereinsvermögen zu beschlagnahmen. Das Verbot bezieht sich auch auf Teilorganisationen des Vereins.

Kennzeichen und Symbole, Wappen, Wimpel, Flaggen und Kleidungsstücke sind vom Verbot ebenfalls betroffen. Und den Mitgliedern ist es untersagt, sogenannte Ersatzorganisationen zu gründen.

Björn Dake, ARD Berlin, tagesschau, 06.02.2024 13:01 Uhr