Zigarettenkonsum bei Jugendlichen Wenn Rauchen "irgendwie cool" ist
Die Zahl junger Raucher in Deutschland ist hoch. Vor allem während der Corona-Pandemie stieg sie rapide an. Kritiker werfen dem Bund vor, nicht genug für Prävention zu unternehmen.
Ein Alltag ohne Zigarette? Für den Jurastudenten Loui aus Berlin unvorstellbar. Schon mit 14 Jahren griff er zum ersten Mal zum Tabak: "Ich habe angefangen, weil auch meine älteren Freunde damals geraucht haben", erzählt der 19-Jährige. In seinem jetzigen Freundeskreis rauchten fast alle. Für ihn hat Rauchen irgendwie etwas "cooles".
Diese Einstellung spiegelt sich auch in Umfragen wider: Im Dezember zeigte die Deutsche Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA), dass Rauchen wieder beliebter geworden ist. Dabei war in den vergangenen Jahren ein deutlicher Abwärtstrend erkennbar.
Erschreckend sind die Zahlen bei den 14- bis 17-Jährigen: Obwohl diese Altersgruppe noch gar keine Tabakprodukte kaufen darf, stieg hier der Anteil von 8,7 Prozent (2021) auf 15,9 Prozent (2022), also fast eine Verdopplung.
Bei den 18- bis 24-Jährigen gibt es seit Jahren den höchsten Anteil Raucher - mittlerweile sind es mehr als 40 Prozent. Warum sich dieser Trend aktuell abzeichnet, ist unklar. Mögliche Gründe könnten die Corona-Pandemie und der daraus resultierende Stress für junge Menschen oder auch Alternativprodukte wie Vapes und E-Zigaretten sein.
Ekelbilder und Werbeverbote
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in Sachen Tabakkontrolle in Deutschland grundsätzlich etwas verändert. Tabakwerbung in Fernsehen, Radio und Internet ist verboten - 2022 wurde sie auch von Plakatwänden, Litfaßsäulen und Haltestellen verbannt. Zigarettenschachteln zieren mittlerweile nicht nur abschreckende Texte, wie "Rauchen verursacht 9 von 10 Lungenkarzinomen", sondern auch teils sehr explizite Bilder, die die gesundheitlichen Folgen des Rauchens zeigen.
Der 19-jährige Loui klebt diese Bilder aber meistens ab: "Ich finde die eklig - ich will mir das nicht vor Augen führen." Dabei ist sich Loui der Schädlichkeit von Zigarettenrauch durchaus bewusst. Wenn er sich nach einer gerauchten Zigarette den stark verfärbten Filter anschaut, überkommt ihn schon ein ungutes Gefühl.
WHO empfiehlt sechs Maßnahmen
Für den Leiter der DEBRA-Studie, Daniel Kotz vom Universitätsklinikum Düsseldorf, ist klar: Deutschland tut nicht genug, um Menschen vom Rauchen abzuhalten. "Es gibt wirksame Maßnahmen der Weltgesundheitsorganisation, um insbesondere junge Menschen vor dem Konsum und den schädlichen Folgen von Tabak- und Nikotinprodukten zu schützen." Es brauche nur den Willen und den Mut, diese Maßnahmen umzusetzen, sagt der Forscher. Gerade junge Leute müssten geschützt werden, damit sie erst gar nicht zur Zigarette greifen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt insgesamt sechs Maßnahmen, um das Rauchen unattraktiv zu machen. Dazu gehört zum Beispiel ein umfassendes Werbeverbot, das auch Sponsoring ausschließt. Hier könnte Deutschland laut Kritikern nachjustieren - der Deutsche Nichtraucherschutzbund befürchtet zum Beispiel, dass Tabakfirmen mit Social-Media-Influencern verdeckte Kooperationen eingehen, damit diese Nikotinprodukte positiv darstellen.
Auch Angebote für den Rauchstopp und Aufklärung über die Schädlichkeit sollen laut WHO bereitgestellt werden. Am wirksamsten sei aber eine hohe Tabaksteuer - da die von der Industrie an den Verbraucher weitergegeben wird. Dadurch würde Rauchen für viele Menschen teurer werden, eventuell zu teuer.
Tabaksteuer vergleichsweise gering
Eine Schachtel mit 20 Zigaretten kostet in Deutschland im Schnitt acht Euro. Darauf entfielen zuletzt etwa 3,40 Euro Steuern. Zum Vergleich: In Frankreich ist die Steuer doppelt so hoch. Die mangelnden Maßnahmen werden auch durch die "Tobacco Control Scale" deutlich - ein Überwachungsprogramm, das unter anderem vom Gesundheitsprogramm der Europäischen Union gefördert wird. Deutschland landet abgeschlagen auf Platz 34 von 37.
Spitzenreiter bei der Tabakregulierung sind Irland, das Vereinigte Königreich und Frankreich. Eine Schachtel mit 20 Zigaretten kostet in Frankreich mindestens zehn Euro, in Großbritannien mehr als 13 Euro und in Irland um die 14 Euro. Außerdem dürfen Zigaretten in diesen Ländern nur noch in neutralen Schachteln und ohne Markenlogos verkauft werden. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) fordert neutrale Verpackungen auch für Tabakprodukte in Deutschland, denn solche Maßnahmen scheinen zu wirken.
In Irland sind die neutralen Verpackungen seit September 2018 Pflicht. Seitdem ging die Zahl der Rauchenden stetig zurück. Während der Corona-Pandemie kam es zwar auch hier wieder zu einem leichten Anstieg. Zuletzt rauchten in Irland aber nur 1,7 Prozent der 15- bis 17-Jährigen und 16,3 Prozent der 18-bis 24-Jährigen. Auch in Großbritannien und Frankreich wird deutlich weniger als in Deutschland geraucht.
Steuererhöhung: Ja, nein, vielleicht?
Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung Burkhard Blienert sieht grundsätzlich Handlungsbedarf: "Wir haben uns ausgeruht auf den anscheinenden Erfolgen der letzten zehn Jahre. Jetzt müssen wir endlich ins Handeln kommen", sagte der SPD-Politiker kürzlich im ARD-Mittagsmagazin. Der Frage nach möglichen Steuererhöhungen für Tabakprodukte wich er allerdings mehrfach aus - es läge nicht allein in seiner Hand, diese Entscheidung zu treffen.
Grundsätzlich zeigte sich Blienert offen für eine höhere Besteuerung von Tabakprodukten und wolle diese Diskussion auch offen führen. Es sei unbedingt erforderlich, wieder in die Preisdebatte einzusteigen. Welche Politiker oder Parteien diese Diskussion aktuell blockieren, wollte er aber nicht beantworten.
Etwaige Mehreinnahmen durch eine Steuererhöhung sollten seiner Ansicht nach direkt in weitere Präventionsmaßnahmen fließen, um gerade junge Menschen vor dem Rauchen zu schützen. Für Blienert ist aber aktuell das Sponsoring von Tabakprodukten das Kernproblem, das er in seiner Arbeit als Sucht- und Drogenbeauftragter angehen möchte.
Schutz für Minderjährige
Der 19-Jährige Loui hält eine höhere Tabaksteuer für sinnvoll: "Wenn eine Schachtel 20 Euro kosten würde, dann könnte ich nicht weiterrauchen."
Ihm ist aber vor allem wichtig, dass es besseren Schutz für Minderjährige gibt. Er habe mehrfach erlebt, dass das Alter nicht richtig kontrolliert wurde. "Ich hatte einen Späti-Verkäufer hinter dem eine Überwachungskamera war. Der meinte dann: 'Leg mir einfach irgendeine Karte auf den Tisch, damit es so aussieht, als würde ich deinen Personalausweis kontrollieren'". Ob Loui mehr Aufklärung und bessere Kontrollen vom Rauchen abgehalten hätte, bezweifelt er aber.