Lars Castellucci, Nancy Faeser und Johann Saathoff

Innenausschuss zum Anschlag von Magdeburg Wie konnte der Täter durchs Raster fallen?

Stand: 16.01.2025 22:02 Uhr

Am 20. Dezember tötete der mehrfach aktenkundige Taleb A. sechs Menschen auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg, 300 wurden verletzt. Der Innenausschuss des Bundestags sucht nach Antworten auf viele schmerzhafte Fragen. 

Von Dietrich Karl Mäurer, ARD-Hauptstadtstudio

Wie konnte das passieren? Was muss geschehen, um so etwas künftig zu verhindern? Es war bereits die zweite Sondersitzung, in der der Innenausschuss des Bundestages versucht hat, das Geschehen in Magdeburg aufzuarbeiten: "Alles muss auf den Tisch", sagte vor Beginn der nichtöffentlichen Sitzung der SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann.

Im Fokus der Abgeordneten stand eine vertrauliche Auflistung des Bundeskriminalamts, die das Bundesinnenministerium dem Ausschuss zur Verfügung gestellt hatte. Sie zeigt, dass der aus Saudi-Arabien stammende Attentäter vielfach aktenkundig wurde - in sechs Bundesländern: "Die Chronologie ist erschreckend", sagt Hartmann. "105 Einträge, eine lange Serie über viele Jahre von Gefährdungen, Bedrohungen, öffentlichen Erklärungen, Twitter-Einträgen, strafrechtlichen Verurteilungen." Trotzdem sei A. der Flüchtlingsstatus zugeteilt worden, sei eine Zulassung als Arzt erfolgt, habe er in einer Klinik arbeiten können.

Hätte der Anschlag verhindert werden können?

Aus der Liste leiten sich viele Fragen ab. Einige zählt Alexander Throm auf, der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag: "Wie kann der Täter durchs Raster fallen? Wie hätte man einen solchen Anschlag verhindern können? Was hätte es dafür gebraucht? Und welche Verantwortlichkeiten gibt es für eventuelle Versäumnisse, die in der Vergangenheit stattgefunden haben?"

Antworten erhofften sich die Mitglieder des Innenausschusses vom Chef des Bundesnachrichtendienstes Bruno Kahl, vom Vizepräsidenten des Verfassungsschutzes Sinan Selen, vom Präsidenten des Bundeskriminalamts Holger Münch und nicht zuletzt von Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Die SPD-Politikerin sprach nach der Ausschusssitzung über die Erkenntnisse über den Attentäter, die sich aus der Auflistung ableiten lassen: "Aus all dem ergibt sich ein Bild des Täters, eines psychisch auffälligen Täters, der von wirrenden Verschwörungstheorien geprägt war." Er habe eine massive Islamfeindlichkeit und die Nähe zu Ideologien von Rechtsextremisten gezeigt, so die Ministerin. "Sein Hass richtet sich sowohl gegen den deutschen Staat als auch gegenüber einzelnen Personen."

Faeser: "Daten der Polizei müssen gebündelt werden"

Jedoch habe sich dieses klare Bild erst durch das Zusammenfügen der einzelnen Akteneinträgen ergeben, sagte Faeser. Sie betonte deshalb die Notwendigkeit eines besseren Datenmanagements der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern: "Die Daten der Polizei müssen zentral und sicher gebündelt werden. Daran sind wir auch schon am Arbeiten. Diesen Prozess müssen wir jetzt beschleunigen."

Doch das allein werde nicht reichen, um potentielle Attentäter zu erkennen: "Außerdem brauchen wir neue, präzisere Kriterien und Handlungskonzepte, um die Gefährlichkeit von Personen zu bewerten, die in kein bisheriges Raster passen." 

Einige der eingeladenen Vertreter aus den Ländern waren nicht nach Berlin gekommen, etwa NRW-Innenminister Reul. Sehr zum Ärger von SPD-Innenpolitiker Hartmann. Der sagte nach der Sitzung: "Wesentliche Punkte konnten nicht aufgeklärt werden. Ich bin unzufrieden." Doch ohnehin war schon vor der Sitzung klar: Die parlamentarische Aufarbeitung des Anschlags von Magdeburg steht erst am Anfang.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 16. Januar 2025 um 22:15 Uhr.