Ein Formular mit Informationen zur elektronischen Patientenakte
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Elektronische Datenerfassung Was sich mit der E-Akte für Patienten ändert

Stand: 15.01.2025 05:03 Uhr

Seit Jahrzehnten ist sie ein Thema - jetzt wird es ernst mit der elektronischen Patientenakte. Sie startet zunächst in drei Modellregionen, in ein paar Wochen soll es sie bundesweit geben. Was sich nun ändert - ein Überblick.

Die Ausgangslage

Seit mehr als 20 Jahren wird an der elektronischen Patientenakte (ePA) gearbeitet, seit einigen Jahren gibt es sie auf freiwilliger Basis. Bereits im Jahr 2003 hatte die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt die E-Akte auf den Weg gebracht. Seit Januar 2021 müssen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten eine ePA anbieten. Viele wissen nichts davon, anderen ist die Registrierung und Anwendung zu aufwendig. Außerdem wird kritisiert, dass sie bisher zu wenig kann. Ärzte sprechen von einem Sammelsurium an PDF-Dateien ohne Struktur.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zufolge wird die ePA bisher von weniger als einem Prozent der rund 73 Millionen gesetzlich Versicherten genutzt. Doch das wird sich nun ändern: Von heute an wird die Akte schrittweise flächendeckend eingeführt. In den drei Modellregionen Hamburg, Franken und Nordrhein-Westfalen startet der Betrieb. Nach erfolgreicher Erprobung soll die ePA bundesweit zum Einsatz kommen. Laut Gesundheitsministerium wird dies "frühestens nach etwa vier Wochen" der Fall sein.

Was bringt die E-Akte Patienten und Ärzten?

In der Akte ist die gesamte Krankengeschichte eines Patienten per Knopfdruck einsehbar - sie soll ein Ende der Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen bringen. Notfalldaten, Laborwerte, Röntgenbilder, Arztbriefe, Befunde und Medikationspläne, aber auch der Impfausweis, der Mutterpass, das Untersuchungsheft für Kinder und das Zahnbonusheft können elektronisch archiviert und schnell abgerufen werden. Langfristig sollen Patienten auch ihre durch Fitnesstracker gewonnenen Gesundheitsdaten - Blutzuckerwerte, Blutdruckmessungen - in der ePA einspeichern können.

Der große Vorteil: Behandelnde Ärzte könnten auch bei neuen Patienten sofort sehen, was bisher gemacht wurde, wo Risiken liegen und zusätzliche Vorsorge sinnvoll ist. Bei der Verschreibung von Medikamenten könnten sie zudem erkennen, ob unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln drohen. Bei Notfällen können sich behandelnde Ärzte schnell über die Lage informieren - auch wenn der Betroffene womöglich nicht ansprechbar ist. Unnötige Doppeluntersuchungen und unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen sollen vermieden werden.

Rund 200.000 Leistungserbringer - Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheker, Pflegeheime und andere Gesundheitseinrichtungen - sollen durch die ePA besser vernetzt werden und haben dann schnell Zugriff auf alle relevanten Daten.

Welche technischen Hilfsmittel brauche ich für die ePA?

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen ihren Versicherten eine App für die elektronische Patientenakte anbieten. Es gibt auch eine App-Version für den PC oder Laptop. Mit der App kann man Dokumente hoch- oder herunterladen, anzeigen, verbergen und löschen, Widersprüche erteilen oder Vertreter ernennen. Ebenso können die Besitzer Zugriffsberechtigungen und Zugriffsdauer von Ärzten, Apothekern oder Ähnliches festlegen. Eine Datenmitnahme bei Krankenkassenwechsel ist möglich.

Was ist mit Menschen, die keine Apps bedienen können oder wollen?

Sie könnten dennoch von den Vorteilen der elektronischen Patientenakte profitieren, auch wenn sie nicht selbst von überall auf die Daten per App zugreifen können. Denn in der Arztpraxis wäre sie abrufbar. Zudem kann die E-Akte auch über einen Desktop-Computer genutzt, in ausgewählten Apotheken oder von Berechtigten - zum Beispiel einem Familienmitglied - eingesehen werden.

Wer überträgt die bisherigen Patientendaten?

Das Gesetz verpflichtet Ärztinnen und Ärzte, Medikationsdaten, Befundberichte, Arzt- und Entlassbriefe standardmäßig in die elektronische Akte einzustellen. Weitere Informationen, auch aus vorangegangenen Behandlungen, können sie auf Wunsch ebenfalls einfügen. Die Medikationsliste wird automatisch über das elektronische Rezept befüllt. Patientinnen und Patienten können zudem auch selbst Dokumente hinzufügen.

Den Zugriff auf Daten können Versicherte sowohl zeitlich und inhaltlich begrenzen. Dies ist auch für einzelne Praxen, Krankenhäuser oder Apotheken möglich. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung ist es zum Beispiel möglich, der Hausärztin unbegrenzten Zugriff zu gewähren, dem Radiologen aber nur einen Tag. Bestimmte Dokumente können von den Versicherten verborgen oder dauerhaft gelöscht werden.

Wie funktioniert der Zugang technisch?

Versicherte müssen sich bei erstmaliger Anmeldung in der ePA-App ihrer Krankenkasse entweder mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und der dazugehörigen Geheimnummer (PIN) authentifizieren. Alternativ funktioniert die Authentifizierung mit einem elektronischen Personalausweis und zugehöriger PIN. Bei nachfolgenden Logins können Versicherte entscheiden, welche Identifizierung sie nutzen wollen - zum Beispiel die Gesichtserkennung per Smartphone.

Wenn man in der Praxis oder Klinik die Versichertenkarte einsteckt, bekommen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte ein Zugriffsrecht zum Lesen und Füllen der ePA.

Wie kann ich widersprechen?

Statt aktiv die E-Akte beantragen zu müssen, bekommen gesetzlich Versicherte sie ab sofort automatisch. Nur wenn sie ausdrücklich widersprechen, soll dies unterbleiben (Opt-out). Lauterbach geht davon aus, dass nicht viele Versicherte die E-Akte ablehnen werden. So widersprechen bei der AOK weniger als ein Prozent der Versicherten. 

Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Mitglieder über Widerspruchs-Möglichkeiten zu informieren. Die meisten Versicherten bekamen deshalb in den vergangenen Monaten Post von ihrer Kasse. Versicherte können in der Regel per Online-Formular oder Post an ihre Kasse der Anlegung widersprechen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung verweist darauf, dass der Widerspruch auch nachträglich möglich ist: Die Krankenkassen seien dann "verpflichtet, die ePA inklusive aller Daten zu löschen".

Wie sicher ist die ePA?

Die Daten werden laut Gesundheitsministerium auf sicheren Servern gespeichert und in der ePA verschlüsselt abgelegt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) zeigt sich aber weiter besorgt über mögliche Sicherheitslücken, über die der Chaos Computer Club (CCC) berichtete. Sie sollen aber dem Ministerium zufolge zum Start der Patientenakte behoben sein.

Der CCC hatte zuletzt Ende Dezember berichtet, dass es IT-Spezialisten "mit wenig Aufwand und zum wiederholten Male" gelungen sei, sich gültige Heilberufs- und Praxisausweise sowie Gesundheitskarten Dritter zu beschaffen und sie damit auf Gesundheitsdaten zugreifen konnten. Der Fernzugriff auf Patientenakten sei möglich gewesen sowohl über unsicher konfigurierte IT in den Gesundheitseinrichtungen als auch über Dienstleister-Zugänge.

Zum heutigen Start erneuerte der CCC seine Bedenken: "Die ePA in ihrem aktuellen Zustand auszurollen, ist angesichts ihrer besorgniserregenden Sicherheitsprobleme eine falsche Entscheidung", erklärte Sprecher Calvin Baus.

Der Digitalverband Bitkom hingegen spricht von einem Meilenstein bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder erklärte, die Patientenakte sei "das Herzstück des digitalen Gesundheitssystems". Mit ihr würden Behandlungsprozesse verbessert, und Bürokratie werde drastisch reduziert. "Die Patientinnen und Patienten werden dadurch souveräner und mündiger." Wichtig sei jetzt, dass auch Praxen und Kliniken ihren Patientinnen und Patienten die ePA nahebrächten sowie Vertrauen und Akzeptanz aktiv stärkten.

Was raten Verbraucherschützer?

"Es ist wichtig, sich spätestens jetzt zu überlegen, ob und wie man die ePA nutzen will", erklärte Jochen Sunken von der Verbraucherzentrale Hamburg. Es gehe darum, sich umfassend zu informieren und eine bewusste Entscheidung zum Einsatz der ePA zu treffen.

"Nur wer sorgfältig abwägt und steuert, welche Daten eingestellt werden und wer Zugriff auf welche Dokumente haben soll, hat wirklich eine 'versichertengeführte Akte', wie es das Gesetz vorsieht." Werde die E-Akte nicht aktiv gepflegt, könnten beispielsweise unerwünschte Befundberichte und Arztbriefe eingestellt werden. "Wer das nicht möchte, muss sich aktiv darum kümmern und dem widersprechen oder diese Dokumente vor dem Zugriff anderer in der ePA verbergen beziehungsweise sie im Nachhinein löschen", erklärte Sunken.

Michaela Schröder, Bundesverband Verbraucherzentrale, zum Start der elektronischen Patientenakte

tagesschau24, 15.01.2025 11:00 Uhr

Können meine Daten von Pharmafirmen verwendet werden?

Ja. Ein Ziel der Reform ist es, der Pharmaforschung in Deutschland durch die Bereitstellung von Patientendaten im großen Stil einen Schub zu geben. Allerdings werden die Daten dabei mit Pseudonymen versehen, können den Menschen also nicht mehr direkt zugeordnet werden. Nutzerinnen und Nutzer der ePA können der Datenverwendung zu Forschungszwecken aber auch jederzeit widersprechen.

Dietrich Karl Mäurer, ARD Berlin, tagesschau, 15.01.2025 05:12 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-Morgenmagazin im Ersten am 15. Januar 2025 um 05:38 Uhr.